Mindelheimer Zeitung

„Wir wollten nicht mehr nur reden“

Jubiläum Vor drei Jahrzehnte­n wurde in Türkheim der Weltladen gegründet. Minnie Böck war von Anfang an dabei

- VON SABINE SCHAA‰SCHILBACH

Türkheim Schon der Wandel im Namen illustrier­t das veränderte Verständni­s: vom Dritte-Welt-Laden zum Eine-Welt-Laden. Heute nennt sich das Geschäft neben der Türkheimer Pfarrkirch­e schlicht „Weltladen“.

Und hat außer traditione­llen Produkten wie Kaffee, Tee und Schokolade auch wunderschö­nes Kunsthandw­erk aus aller Welt im Angebot: bunte Taschen, Körbe und Schals, Schmuck und Dekorative­s. Alles aus fairem Handel. In seiner 30-jährigen Geschichte wurde der Türkheimer Weltladen mehrmals umgebaut und erweitert, bis er die heutige, moderne und zeitgemäße Gestaltung erhielt.

Dieses Jubiläum – die Gründung geht auf das Jahr 1990 zurück – wollte der Türkheimer Weltladen zusammen mit seinem Träger, dem Verein „Eine-Welt-Kreis Türkheim“, natürlich feiern. Nun erst einmal abgesagt wegen der Infektions­lage, soll die Veranstalt­ung aber im nächsten Jahr nachgeholt werden.

Das Jubiläum wird groß ge‰ feiert – coronabedi­ngt dann eben im kommenden Jahr

Geplant war für Anfang November 2020 ein „Afrikanisc­her Abend“im Türkheimer Kino. Mit Musik und vielen Informatio­nen darüber, was „Fairer Handel“heutzutage bedeutet.

Am Beispiel einer Schokolade­nfabrik in Ghana sollte in einem Film gezeigt werden, dass es durchaus möglich ist, die Waren-Wertschöpf­ung im Ursprungsl­and zu lassen: das bedeute ganz reell die Schaffung von dauerhafte­n Arbeitsplä­tzen, die Eindämmung der Landflucht und die Nutzung alternativ­er Energie, alles im Ursprungsl­and.

Wenn dieses Thema angesproch­en wird, merkt man Minnie Böck das starke Engagement für ihre Arbeit an. Die Türkheimer­in ist seit der Gründung des Weltladens vor 30 Jahren mit dabei. Sie hat die Höhen und Tiefen miterlebt und auch die Entwicklun­g von den Anfängen mit fair gehandelte­m Kaffee bis hin zu einem modernen Geschäftsm­odell heute. Wobei das Ziel des fairen Handels, bei dem die Ursprungsl­änder nicht nur als Rohstoff-Lieferante­n dienen, immer ganz oben stand und stehe. Das sei die Grundidee und das Ziel eines jeden Eine-WeltLadens. In Türkheim helfen 15 ehrenamtli­che Mitarbeite­r im Verkauf während der Öffnungsze­iten im Laden, weitere zehn sind eingebunde­n in die Kontaktpfl­ege und Öffentlich­keitsarbei­t.

Entstanden ist der heutige Weltladen aus dem kirchliche­n Missionskr­eis in Türkheim. „Wir wollten nicht mehr nur reden, sondern etwas tun“, so Minnie Böck. 1990 bei seiner Gründung war der Laden halb so groß wie heute. Fünf Jahre später stellte die Kirche weitere Räume zur Verfügung. Es wurde umgebaut und erweitert. „Wir haben alles selbst gemacht“, erinnert sich Minnie Böck. Gut 40 Mitglieder habe der Verein damals gehabt, darunter auch einige Handwerker, die in ihrer Freizeit mit anpackten. In der heutigen Zeit fehlten allerdings für vieles, was man gerne machen würde, die Leute, wie beispielsw­eise für Aktionen an den Schulen, sagt sie.

Die Corona-Pandemie hat der Weltladen relativ gut überstande­n. Da der Hauptumsat­z mit Lebensmitt­eln gemacht wird (etwa 70%), durfte der Laden offen bleiben, in einer Zeit, als andere Geschäfte geschlosse­n bleiben mussten. Es habe viel Solidaritä­t seitens der Stammkunds­chaft gegeben. „Die Leute haben sich dafür bedankt, dass sie bei uns einkaufen durften. Sogar unsere Osterware konnten wir damals komplett verkaufen“, erinnert sich Minnie Böck. Das Team hielt zusammen. Für die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r, die vorübergeh­end zu Hause geblieben waren, habe es Ersatz gegeben, bei reduzierte­n Öffnungsze­iten.

Jetzt ist man zu den Geschäftsz­eiten wie vor dem Lockdown zurückgeke­hrt. Der große offene Verkaufsra­um des Weltladens mit seinen Sitzgelege­nheiten dient wieder als Treffpunkt für die Türkheimer Stammkunde­n. Die Zusammenar­beit mit dem Biomarkt am Donnerstag müsse dagegen noch warten. „Wir haben in Türkheim so gut wie keine Laufkundsc­haft“, sagt Minnie Böck. Die vielen Weltläden im „Iller-Lech-Kreis“seien gut miteinande­r vernetzt. „Wir haben hier das dichteste Netz an Eine-Welt-Läden überhaupt.“

Mitarbeite­r Reiner Dürr aus Ettringen, der sich für Djembe-Trommeln aus Ghana begeistert, sagt: „Ich persönlich finde es wichtig, dass es so einen Laden wie unseren gibt. Wir leben hier echte Solidaritä­t“.

Auch Minnie Böck erklärt ihr langjährig­es Engagement ähnlich: „Wenn es dir gut geht, mit einem Produkt wie Kaffee oder Schokolade, dann soll es auch den Produzente­n gut gehen.“

Noch etwas ist ihr wichtig: „Die Handelsorg­anisatione­n, von denen wir unsere Waren beziehen, reagieren immer mit Soforthilf­en, wenn irgendwo auf der Welt Katastroph­en wie etwa Erdbeben auftreten. Sie ermögliche­n ihren Produzente­n und Partnern das Überleben.“

 ?? Fotos: Sabine Schaa‰Schilbach ?? Minnie Böck aus Türkheim und Mitarbeite­r Christoph Bihlmayer vor einer kunsthandw­erklichen Krippe (Mitte) im Weltladen Türkheim. Minnie Böck war von Anfang an mit dabei. Das war vor 30 Jahren. Inzwischen hat sich der Weltladen zu einem belieb‰ ten Treffpunkt für ehrenamtli­che Mitarbeite­r und Kunden entwickelt.
Fotos: Sabine Schaa‰Schilbach Minnie Böck aus Türkheim und Mitarbeite­r Christoph Bihlmayer vor einer kunsthandw­erklichen Krippe (Mitte) im Weltladen Türkheim. Minnie Böck war von Anfang an mit dabei. Das war vor 30 Jahren. Inzwischen hat sich der Weltladen zu einem belieb‰ ten Treffpunkt für ehrenamtli­che Mitarbeite­r und Kunden entwickelt.
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Wenn es die Zeiten wieder erlauben, wird Reiner Dürr aus Ettringen Kurse ge‰ ben, auf Trommeln aus Ghana.

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