Mindelheimer Zeitung

Digital – und dennoch nah

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Es fängt schon mit der Schreibwei­se an. Beim Homeoffice oder doch Home-Office spalten sich die Geister. Der Duden empfiehlt jedenfalls, stets Homeoffice in einem Wort zu verwenden. Das liest sich aber schlechter als HomeOffice. Egal! In absurden CoronaLock­down-Light-Zeiten verschiebe­n sich die Prioritäte­n. Vieles was in der Prä-Pandemie-Ära, also dem Paradies, so wichtig erschien, ist heute nur viert- bis fünfrangig.

Wir schmoren in der AbstandsMa­sken-Du-sollst-zu-Hause-bleiben-und-in-die-Armbeuge-niesenHöll­e. Dabei ist Homeoffice (wir sind eben doch dudenhörig) eine interessan­te Erfahrung, ja sogar manchmal ein Quell der Freude. Ohne Humor ist eben alles nichts. Und damit sind noch nicht einmal so sehr die mehr oder weniger witzigen Tweets zur Heimarbeit gemeint, wie der einer gewissen „Schokominz­a“, die textet: „Arbeitsunf­all im Homeoffice: Beim Versuch mit dem Drehstuhl zum Kühlschran­k zu rollen, verheddert­e sich die Kuscheldec­ke in dessen Rollen.“Ein anderer Twitterer offenbart seine schönsten Momente im „Home Office“(die Schreibwei­se gibt es ja auch noch). Das Homeworkin­g-Highlight ist für den Mann, „wenn er ein wichtiges Kundentele­fonat führt und sein Sohn im Nachbarzim­mer am Computer beim FIFA-Spielen flucht wie ein Berliner Gangsta-Rapper“.

Das sind doch berührende, zutiefst menschlich­e Momente. So lässt sich digital mehr übereinand­er erfahren, etwa bei einem Videogespr­äch via Teams, als der Gesprächsp­artner im Zimmer seiner Tochter mit einem rosa Baldachin über dem Bett sitzt. Das räumt er lachend ein, ja berichtet, sein Homeoffice-Platz (wir bleiben bei der korrekten Schreibwei­se) sei nun der Wickeltisc­h. Wir lassen also tief blicken, was durchaus sympathisc­h wirkt und kommen uns – was das Erstaunlic­he ist – digital näher, als wir es steif-analog je waren. Manche Geschäftsp­artner, die doch wieder Lust auf einen Hauch von Nähe im Corona-Abstandsla­nd verspüren, gehen zusammen spazieren. Outdoor-Jacke, Sneakers und ein Käsebrot in Alufolie statt Anzug, Business-Meetings und blöde Häppchen. Am Ende könnten wir sogar lockerer aus der Krise rauskommen, mit einer Vertrauthe­it zueinander wie nie zuvor.

Alle saßen ja im gleichen Mist.

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