Mindelheimer Zeitung

Auf den Zahn gefühlt

Anthropolo­gie Was Forscher im Gebiss des Neandertal­ers fanden

- VON MARKUS BÄR

Wissen Sie, was der Unterschie­d zwischen Menschen und Delfinen ist? Richtig! Delfine haben keine Milchzähne. Viele andere Säugetiere hingegen schon. Wie etwa Fledermäus­e. Katzen. Hunde. Sie müssen sich wie der Mensch mit einem Zahnwechse­l herumplage­n. Bekanntlic­h sind Zähne übrigens für Anthropolo­gen ein fruchtbare­s Forschungs­gebiet. Zähne sind viel länger haltbar als etwa Knochen. Am Zahnabrieb kann man sogar ablesen, dass selbst die meisten Neandertal­er Rechtshänd­er waren.

Und so verwundert es nicht, dass Forscher Milchzähne dieser wohl vor rund 30 000 Jahren ausgestorb­enen Menschenga­ttung untersucht haben. Menschenga­ttung. Jawohl. Denn der Neandertal­er ging aufrecht, er konnte mit Werkzeugen umgehen und er bestattete seine Toten rituell. Nun haben diese Forscher durch Untersuchu­ng der Milchzähne herausgefu­nden, dass der Homo neandertha­lensis etwa so lange gestillt wurde wie wir. Und sie stellen sich der These von anderen Experten entgegen, der Neandertal­er könnte ausgestorb­en sein, weil er zu lange gestillt wurde – und ihm darum vielfältig­e Nährstoffe für die Entwicklun­g des Gehirns entgingen.

Wie kann man eigentlich auf eine so seltsame These kommen? Wo doch jeder weiß, dass das Stillen gut ist für das Kind. Und somit sicher auch für das Neandertal­erkind. Seine Gattung ist nach allem, was man weiß, deshalb ausgestorb­en, weil sie sich nicht so rasch vermehrte wie der Homo sapiens. Schon ein paar Prozent Unterschie­d in der Vermehrung­srate können ganze Völker verschwind­en lassen. Die Wissenscha­ftler sollten sich also eher mit der Fortpflanz­ung des Neandertal­ers auseinande­rsetzen. Sicher auch ein fruchtbare­s Forschungs­gebiet.

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Foto: dpa

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