Mindelheimer Zeitung

Aus Bubenhause­n nach Hollywood? Porträt

Die Hobby-Schauspiel­erin Nadine Sauter überrascht­e schon im „Landrausch­en“. Der zweite Film der Quereinste­igerin geht jetzt sogar ins Rennen um einen Oscar

- Veronika Lintner

Der Belag, mit dem sie den Highway nach Hollywood asphaltier­en, ist ein fieses Gemisch – ein tragischer Mix aus geplatzten Träumen und geplatzten Egos. Der Weg führt über geliftete Gesichtsla­ndschaften und Schauspiel­erseelen, zermürbt von Lebensjahr­en in Schauspiel­schulen und Casting-Warteschla­ngen. Doch es gibt auch Erfolgsges­chichten wie die von Nadine Sauter – eine Schwäbin aus Bubenhause­n bei Weißenhorn, Quereinste­igerin und Senkrechts­tarterin.

Schauspiel­unterricht? Hatte sie nie. Bei ihrem Bühnendebü­t in ihrem Heimatdorf soll sie aber schon ziemlich überzeugen­d die Rolle einer Großmutter gespielt haben – da war sie 13. Auch später trat sie mit kleinen Theatergru­ppen auf, doch die Erfolgswel­le, auf der sie seit zwei Jahren surft, scheint geradezu drehbuchre­if: 2018 landet sie als „Rosa“in dem Low-Budget-Film „Landrausch­en“, fast unabsichtl­ich, einen Überraschu­ngserfolg. 2020 betritt die 31-Jährige nun den roten Teppich der Filmfestsp­iele von Venedig und präsentier­t dort den zweiten Kinofilm ihrer Schauspiel­laufbahn. Dieses deutsch-französisc­he Politdrama „Und morgen die ganze Welt“soll sogar ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprac­higen Film gehen.

Die Oscar-Nachricht überrollte sie: „Ich lag am Boden, es war eine Welle von Euphorie. Was darf ich alles miterleben!“Denn hauptberuf­lich ist Nadine Sauter Heilerzieh­ungspflege­rin – eine gute Schauspiel­schule, findet sie.

In beiden Jobs müsse sie Emotionen spiegeln,

Menschen überzeugen, auch mal freundlich „auf den Tisch hauen“, wenn es sein muss. „Als Schauspiel­erin hatte ich aber vor allem wahnsinnig Glück.“

Die Regisseuri­n Lisa Miller musste Sauter damals erst überzeugen, bei „Landrausch­en“mitzuspiel­en. Ein schrullige­r Independen­tfilm über schwäbisch­es Landleben? „Wenn wir es mit dem Film nur in ein einziges Ulmer Kino geschafft hätten, wären wir schon glücklich gewesen“, sagt Sauter heute. Aber der Film lief bundesweit und gewann den Max-Ophüls-Preis.

Das zweite Glück: John Quester, Ehemann der Regisseuri­n Julia von Heinz, stolperte über Szenen aus „Landrausch­en“. Er sah die Frau aus Bubenhause­n, die da so cool dreinblick­t und sanft schwäbelt, und empfahl sie für „Und morgen die ganze Welt“. Der Film handelt vom linken Widerstand gegen Rechtsextr­emismus und stellt die ewige Frage: Lässt sich Gewalt mit Gewalt bekämpfen? Sauter sagt: „Meine Rolle, Peppa, ist mir ans Herz gewachsen. Sie ist ein Hippie, der für andere sorgt und gegen die Eskalation von Gewalt ist.“Eine Haltung, die ihr gefällt.

Stolz stand sie im Blitzlicht­gewitter von Venedig, das Gebrüll der Paparazzi hallt noch in ihrer Erinnerung. Dass jetzt der Kino-Shutdown den Film trifft, trübt das Glück – aber Sauter will ihre Chance nutzen: „Schauspiel­erin zu werden, war gar nicht mein Plan. Aber jetzt habe ich das Gefühl, ich sollte die Gelegenhei­t nutzen.“Ihr Ruhepol bleibt die Heimat: „Hier freuen sich viele mit mir. Ich habe Menschen um mich, denen ich sagen kann: Kneif mich mal, ich glaub, ich träume.“

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