4. November
» 1905 In München beginnt die Gründungsversammlung des Deutschen Skiverbandes (DSV).
» 1950 In Rom wird die Europäische Konvention zum Schutz der Men schenrechte und Grundfreiheiten unterzeichnet. Sie garantiert die elementaren Grundrechte wie Religi ons, Meinungs und Versamm lungsfreiheit, Achtung der Privat sphäre und verbietet Folter, Zwangsarbeit und Todesstrafe.
» 1980 Der Republikaner Ronald Reagan wird zum 40. Präsidenten der USA gewählt. Der frühere Holly woodSchauspieler und Gouver neur von Kalifornien wird Nachfolger des Demokraten Jimmy Carter.
» 1995 Der israelische Minister präsident Izchak Rabin wird in Tel Aviv von einem jüdischen Extremis ten ermordet.
Boris Palmer: Ich komme gerade von der Packstation. Von dort werden jetzt 15000 kostenlose, hochwertigen FFP2-Masken zusammen mit dem Tübinger Corona-Appell bis Ende der Woche per Brief an die Senioren verschickt. Die anderen Elemente haben wir bereits zur Wiederöffnungsphase nach der ersten Welle im April erprobt: also das Einkaufsfenster für die Risikogruppen sowie das kostengünstige Sammeltaxi-Angebot für Senioren, die nicht mit dem Stadtbus fahren. Das wurde sehr gut angenommen.
Also eher eine Erneuerung als völlig neue Maßnahmen?
Palmer: Im Sommer, als die Zahlen stark zurückgegangen sind, hat sich daran keiner mehr so richtig erinnert. Jetzt gehen die Zahlen wieder hoch, und wir haben unseren Aufruf erneuert. Neu sind die speziellen Schutzmasken, die gab es im April noch gar nicht zu kaufen.
Wie ist aktuell die Reaktion in Tübingen auf Ihren Appell, der ja auf Freiwilligkeit setzt?
Palmer: Ich habe bisher aus der Stadt nur positive Reaktionen bekommen, aber viele negative von außerhalb.
Wie wollen Sie verhindern, dass ältere Menschen zu Hause oder in Pflegeheimen vereinsamen?
Palmer: Für diejenigen, die Angehörige in Pflegeheimen besuchen wollen, gibt es Schnelltests. Das haben wir vor zwei Wochen eingeführt, und das funktioniert sehr gut. Zudem organisieren wir auf eigene Kosten regelmäßig zuverlässige PCR-Tests für das Pflegepersonal als erste Stadt in Deutschland. Das Ergebnis macht mich hoffnungsvoll: Wir hatten in Tübingen keinen einzigen Ausbruch in unseren Pflegeheimen. Im Landkreis Tübingen, in dem das nicht geschieht, gab es sieben Ausbrüche.
Ihr Konzept wird in den Medien „Schwedischer Weg“genannt. Doch dort ist die Bilanz zwiespältig. Palmer: Im Hinblick auf Freiwilligkeit und den Schutz von Risikogruppen ist es „schwedisch“. Aber natürlich setzen wir alle Kontaktbeschränkungsmaßnahmen des Landes um. Wir machen mit dem Schutz von Risikogruppen also etwas Zusätzliches. Wir schaffen ja die vorhandenen Verbote nicht ab. Deshalb hat es mit Schweden am Ende wenig gemeinsam.
Appelliert vor allem an die über 65Jäh rigen: Tübingens Oberbürgermeister Palmer.
Krankenhausärzte warnen vor einem fatalen Engpass bei Intensivbetten. Palmer: Tatsächlich ist es so, dass die Überlastung der Intensivstationen durch die unter 40-Jährigen nicht mal zu befürchten wäre, wenn man die Welle durchlaufen lassen würde. Und da wir die Intensivstationen zum Maßstab der Freiheitseingriffe machen, glaube ich, dass es klug wäre, bei denen anzusetzen, die statistisch gesehen 500 Mal häufiger Intensivbetten brauchen als die Jungen. Dieses Virus ist extrem altenfeindlich
Sie lehnen den Teil-Lockdown ab. Warum?
Palmer: Die Begründung der Maßnahmen lautet ja: Wir wissen nicht, wo die Infektionen stattfinden. Deswegen schließen wir jetzt mehr oder weniger die Bereiche, die am ehesten verzichtbar sind. Doch im Theater oder in Speisegaststätten sind kaum Infektionen nachweisbar. Man schießt mit den Verboten ins Ungewisse. Das ist für Betroffene, die tolle Infektionsschutzkonzepte umgesetzt haben, sehr bitter. Da wird es schwierig, die Beschränkungen einzusehen.
Sie glauben also nicht an einen Erfolg? Palmer: Ich befürchte, dass der Effekt zu gering ist und wir die Maßnahmen Ende November verlängern müssen oder einen harten Lockdown bekommen.
Blockieren Datenschutz-Bedenken eine effektive Kontaktverfolgung? Palmer: Ja. Taiwan und Südkorea schicken die Leute mit moderner Datenverarbeitung so schnell in Quarantäne, dass sie das Virus nicht weitergeben. In beiden Ländern ist
Was ist Ihr Ziel für Tübingen? Palmer: Eine bessere Kontaktverfolgung kann ich im Alleingang nicht erreichen. Eine modernere App wäre Aufgabe der Bundespolitik. Die Gesamtzahl der Infektionen werde ich in Tübingen wahrscheinlich auch nicht entscheidend drücken können. Das Ziel ist, dass wir bis Ende November bei Menschen über 65 eine geringere Inzidenz haben. Dann wären unsere Intensivstationen entlastet. Das ist der maßgebende Faktor. Ich finde, dass der bessere Schutz der Risikogruppen eine Pflicht ist, wenn wir Schulen und Kitas offen halten und damit in Kauf nehmen, dass das Virus unter den Jüngeren weiter zirkuliert.
● Boris Palmer, 48, war von 2001 bis 2007 Mitglied des Landtags in BadenWürttemberg. Seit 2007 ist er Oberbürgermeister der Stadt Tü bingen. Der GrünenPolitiker geriet immer wieder mit seiner eigenen Partei in Konflikt.