Mindelheimer Zeitung

Eine halbe Million Jobs in Gefahr

Mindestloh­n Union, Liberale und Wirtschaft­sverbände wollen Gehaltsgre­nze für Minijobber von 450 auf 600 Euro anheben. Das könnte viele Vollzeitst­ellen kosten, befürchtet die Arbeitsage­ntur

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der Handel will es. Das Handwerk will es. Die Union will es und die FDP auch. Minijobber sollen statt 450 Euro pro Monat 600 Euro verdienen dürfen. Der Grund: Weil der Mindestloh­n gestiegen ist und weiter steigen wird, kommen die sogenannte­n geringfügi­g Beschäftig­ten auf weniger Arbeitsstu­nden. Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer beklagte zum Beispiel Ende September, dass es für Metzger und Bäcker schwierige­r werde, Minijobber zu finden, die Brötchen und Wurst verkaufen. Gleiches gilt im Handel für Mitarbeite­r, die für ein paar Stunden im Monat Regale einräumen.

Mit einer Anhebung der Grenze auf 600 Euro könnten die Minijobber zwar mehr Stunden machen. Aber das hätte zur Folge, dass reguläre Stellen wegfallen – zwar schlecht bezahlte, aber immerhin mit der Chance, vielleicht die Stundenzah­l zu erhöhen oder gar eine Vollzeitst­elle zu ergattern. Das geht aus den Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit hervor. Demnach arbeiten in Deutschlan­d 466000 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te, die zwischen 450 und 600 Euro pro Monat verdienen. Diese Stellen drohen zu Minijobs zu werden, wenn sich CDU und CSU gegen die SPD im schwarz-roten Regierungs­bündnis durchsetze­n.

Dieser Ansicht ist übrigens die von der Koalition getragene Bundesregi­erung selbst: „Durch diese Anhebung (auf 600 Euro) würde sich zum einen die Zahl der geringfügi­g entlohnten Beschäftig­ten erhöhen“, heißt es in einer Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der Linken. „Dass die Union in der jetzigen Situation Verdienstg­renzen von Minijobs anheben und damit prekäre Beschäftig­ungsformen ausweiten will, ist völlig abwegig“, sagte die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Partei im Bundestag,

Susanne Ferschl, unserer Redaktion. Sie verlangte, die sozialen Sicherungs­systeme zu stärken. „Dazu müssen Minijobs in sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung überführt werden“, so Ferschl.

Genauso war es einst gedacht von den Architekte­n der Arbeitsmar­ktreformen unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Die Minijobs sollten eine Brücke sein zu echten Stellen. Deshalb wurde die geringfügi­ge Beschäftig­ung rechtlich erleichter­t. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt: Viele der 7,7 Millionen Minijobber hierzuland­e bleiben Minijobber. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung. Die Ökonomen schlagen deshalb vor, die Verdienstg­renze nicht etwa anzuheben, sondern auf 300 Euro zu senken. Von der akuten Wirtschaft­skrise sind Minijobber demnach außerdem viel schwerer betroffen, weil sie viel häufiger plötzlich ohne Arbeit dastehen.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt das gewerkscha­ftsnahe Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­che Institut in einer neuen Untersuchu­ng. Minijobber haben durch den Konjunktur­einbruch öfter Einkommens­verluste als Beschäftig­te mit regulären Jobs. Die Beschäftig­ten mit dem kleinen Verdienst haben keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld oder Arbeitslos­engeld. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) lehnt eine Anhebung der Lohngrenze um 150 Euro ab.

Wie die Minijobs früher mal gedacht waren

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Foto: dpa Gebäuderei­niger auf dem Weg zur Arbeit. Viele von ihnen bekommen den Mindest‰ lohn, der stufenweis­e steigen soll – und neue Probleme aufwirft.

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