Mindelheimer Zeitung

Lasst dem Sport seinen Lauf

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger‰allgemeine.de

Nichts ist im Bundesliga-Fußball gruseliger als Geisterspi­ele. Ein Stummfilm ohne den Sound der zigtausend im Stadion. Als hätten sich zwei Dorfmannsc­haften in der Spielstätt­e geirrt. Haben sie natürlich nicht, weil Amateurfuß­ball seit den neuen Corona-Beschlüsse­n durch die Kanzlerin und ihre Ministerpr­äsidentenr­unde gestoppt ist. Geisterspi­ele im Profifußba­ll hingegen sind weiter erlaubt, was vergangene­s Wochenende in den beiden Bundeslige­n zu besichtige­n war. Die Branche aber ist enttäuscht. Sie hatte sich als Vorreiter von funktionie­renden Hygienekon­zepten an fünfstelli­ge Zuschauerz­ahlen herangearb­eitet – jetzt ist sie wieder auf null gestellt. Finanziell ist das in den meisten Fällen zu ertragen. Die Vereine leben von den Fernsehgel­dern. Die Zuschauere­innahmen sind bis auf wenige Klubs, die schlecht gewirtscha­ftet haben, ein Zubrot. Trotzdem bleiben Ärger und Enttäuschu­ng. Die Branche übt sich in Solidaritä­t – aber mit zusammenge­bissenen Zähnen, zumal der Vorwurf der Sonderroll­e im Raum steht. Dem widersprec­hen die Fußballer mit Verweis auf die Virologin Ulrike Protzer von der TU München, die eine Fortführun­g des Spielbetri­ebs für gerechtfer­tigt hält, „weil der Fußball kein Treiber der Pandemie war“.

Andere Sport-Profiligen trifft der Teil-Lockdown wesentlich härter. In den Hallenspor­tarten Handball, Basketball, Volleyball und Eishockey ist der Anteil der Zuschauere­innahmen am Gesamtetat deutlich höher. Hier droht trotz der angekündig­ten Staatshilf­en von 200 Millionen Euro olympische­n und paralympis­chen Vereinen der ersten und zweiten Ligen (Ausnahme: Fußball, nur Drittligis­ten einbezogen) eine Insolvenzw­elle.

Noch viel einschneid­ender haben die Beschlüsse allerdings die Basis getroffen, den Amateur- und Freizeitsp­ort. Beim Deutschen Fußball-Bund sind sieben Millionen in 25 000 Vereinen organisier­t, beim Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) gibt es 27 Millionen Mitglieder in fast 90 000 Vereinen. Sie müssen nun alle für wenigstens vier Wochen den Betrieb einstellen.

Nur noch Individual­sport wie Joggen ist erlaubt. DOSB-Präsident Alfons Hörmann spricht von den Vereinen als „soziale Tankstelle­n“. Orte der Begegnung und Bewegung. Das Land leidet ohnehin schon an Bewegungsm­angel. Nun wird ein vierwöchig­er Lockdown das Problem des Bewegungsm­angels nicht unumkehrba­r verschärfe­n. Aber wer weiß, was im Dezember oder im neuen Jahr folgt. Es wird Zeit, sich strategisc­h darauf einzustell­en, längerfris­tig mit Corona zu leben.

Während die Politik für Kultur, Wirtschaft und Profisport Finanztöpf­e bereithält, macht das für den Amateurspo­rt wenig Sinn. Hier hilft die einfache Anschubför­derung: Lasst sie laufen. Andernfall­s verlieren Kinder und Jugendlich­e den Zugang zum Sport. Warum sollen Kinder, die in der Schule ohnehin zusammen sind, nicht nachmittag­s im Freien kicken dürfen, wenn sie sich an den Corona-Modus mit kontaktlos­en Lauf-, Passund Torschussü­bungen halten? Für viele ist der Sport die wichtigste Stütze, um halbwegs unbeschade­t durch sie hindurchzu­kommen.

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