Was der Terror mit dem Lockdown zu tun hat
Interview Der Terrorismusexperte Peter Neumann spricht über die Hintergründe der Anschläge in Nizza und Wien. Mit großer Besorgnis blickt er auf Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner
Sind Dschihadismus und Populismus voneinander abhängig?
Neumann: Ja. Populismus und dschihadistischer Extremismus sind unterschiedliche Phänomene, aber sie sind sich sehr ähnlich, argumentieren auf gleiche Weise und brauchen sich gegenseitig: Der Dschihadist sagt: ,Schau dir die von der FPÖ an, das ist das wahre Österreich, die sprechen so, wie die Leute wirklich denken, die tun gar nicht erst so, als wollten sie uns integrieren.‘ Und die FPÖ sagt umgekehrt: ,Der IS ist der wahre Islam.‘ Beide machen das, um mehr Anhänger und Unterstützung für ihre Seite zu gewinnen.
In Corona-Zeiten ist der gesellschaftliche Zusammenhalt ohnehin auf die Probe gestellt. Wie schwer wiegt da jetzt zusätzlich ein Terroranschlag?
Neumann: Ich habe keinen Präzedenzfall dafür. Aber natürlich trägt das noch mal zu Spannungen bei. Es zeigt sich, dass diese extremistische Bedrohung viel komplexer geworden ist, als sie es vor fünf oder sechs Jahren war. Wir haben etwa in Deutschland einen wiedererstarkten Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus – ein Phänomen, das auch durch islamistische Anschläge verstärkt wird. Wir haben einen nach wie vor nicht völlig besiegten Islamismus und Dschihadismus, der momentan eine Art Renaissance hat. Und dann haben wir mit den Corona-Leugnern eine Bewegung, die zunehmend militant ist, und wo man sich gut vorstellen kann, dass aus der Vernetzung dieser Verschwörungstheoretiker nicht nur eine extremistische, sondern auch eine terroristische Bedrohung resultieren kann. Das heißt, die staatlichen Sicherheitsbehörden sind jetzt in einer Situation, wo sie nicht nur an einer, sondern an sehr vielen Fronten kämpfen müssen. Den Luxus, sich nur auf dieses oder jenes Problem zu konzentrieren, gibt es nicht mehr.