Mindelheimer Zeitung

Mit dem E‰Mobil zum Strand

Pilotproje­kt Auf der griechisch­en Insel Astypalea testet VW die Zukunft des Verkehrs. Wie Jahrzehnte zu Jahren werden

- VON GERD HÖHLER

Athen „Klimaneutr­ale Elektromob­ilität für alle“– dieses Langzeitzi­el will der Volkswagen-Konzern mit einem Pilotproje­kt auf der kleinen Ägäisinsel Astypalea erproben. Großzügige Anreize sollen die Inselbewoh­ner bewegen, von Verbrenner­n auf Elektroaut­os umzusteige­n.

Astypalea liegt weitab der Touristens­tröme. Das Eiland, das zur Dodekanes-Inselgrupp­e um Rhodos gehört, ist zwar mit 96 Quadratkil­ometern fast so groß wie Sylt, hat mit 1300 Einwohnern aber nicht einmal ein Zehntel so viele Bewohner und begrüßt pro Jahr nur etwa 72000 Urlauber. Ruhig geht es also zu. Während sich auf Sylt im Sommer die Nobelautos schon mal stauen, sind auf dem 70 Kilometer langen Straßennet­z von Astypalea nur 1500 Fahrzeuge unterwegs, zwei Drittel davon Mopeds und Motorräder.

Aber jetzt steht Astypalea vor einer kleinen Verkehrsre­volution. Die griechisch­e Regierung und der

Volkswagen-Konzern wollen hier in einem Pilotproje­kt ein ganzheitli­ches Konzept nachhaltig­er, smarter E-Mobilität testen. Am Mittwoch unterzeich­neten Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis und VW-Chef Herbert Diess in einer Videoschal­te eine Erklärung für das Vorhaben: Die Fahrzeugfl­otte auf der Insel soll durch E-Mobile ersetzt werden. Um sie effiziente­r zu nutzen, werden intelligen­te Konzepte entwickelt.

Das Projekt sei „eine zukunftswe­isende Blaupause für saubere Mobilität und eine saubere Umwelt“, erklärt VW-Konzernche­f Herbert Diess: „Was wir sehen werden, ist ein kondensier­ter Prozess von zwei bis drei Jahren, der zeigen wird, wie es im Rest der Welt in 20 oder 30 Jahren aussehen könnte.“

Die Infrastruk­tur auf der Insel ist bisher einfach. Das Nahverkehr­snetz besteht aus einer einzigen, zehn Kilometer langen Linie, die nur tagsüber von zwei Bussen bedient wird. Es gibt drei Autovermie­ter, die nur im Sommer offen haben. Die meisten Einwohner sind also auf eigene Fortbewegu­ngsmittel angewiesen. Dieser Bestand soll bis 2023 durch VW-Elektrofah­rzeuge ersetzt werden. Als Erstes kommen Polizei, Feuerwehr und Kommune an die Reihe. Die beiden Linienbuss­e werden durch mehrere kleine E-Shuttles ersetzt, die keine feste Linie mehr bedienen, sondern 24 Stunden am Tag nach Bedarf alle Orte der

Insel anfahren. Geplant sind zudem drei Carsharing-Stationen mit 50 Fahrzeugen und vier Sharing-Stationen für E-Fahrräder und E-Motorräder. Die Nutzung wird über eine Smartphone-App gebucht und abgerechne­t.

Das Projekt einer „energie-autonomen Insel ohne ökologisch­en Fußabdruck“geht auf eine griechisch­e Initiative zurück, erklärt Costas Fragkogian­nis. Als Vize-Außenminis­ter ist er in Athen für die Wirtschaft­sdiplomati­e zuständig. Im September konnte Fragkogian­nis bei einem Deutschlan­d-Besuch VW als Partner für das Vorhaben gewinnen. „Astypalea bietet ideale Bedingunge­n für dieses Projekt“, sagt Fragkogian­nis. „Wir wollen alle Mobilitäts­bedürfniss­e, vom Schulweg über die Fahrt zur Arbeit und zu Einkäufen bis hin zu Ausflügen für Touristen über diese smarten Lösungen abdecken.“

Ladestatio­nen wird es an Privathäus­ern, Tankstelle­n, Taxistände­n, Mietwagenf­irmen, auf Parkplätze­n und an den Badestränd­en geben. Der Stromverbr­auch der Insel wird durch die Umstellung um etwa 15 Prozent wachsen, soll aber klimafreun­dlich aus Wind- und Solarkraft gedeckt werden.

Der Umstieg auf „E“ist für die Inselbewoh­ner grundsätzl­ich freiwillig. Mit Zuschüssen sollen sie aber animiert werden, ihre Verbrenner auszurangi­eren. Der Staat unterstütz­t den Umstieg mit Prämien von bis zu 12000 Euro, VW will die E-Fahrzeuge verbilligt anbieten. „Wir wollen auf Astypalea zeigen, dass vollelektr­ischer, emissionsf­reier Verkehr machbar ist, ohne die Mobilität der Menschen einzuschrä­nken“, unterstrei­cht Diess. Abzuwarten bleibt, wie viele Bewohner von Astypalea tatsächlic­h umsteigen – und wie viele angesichts der Carsharing-Angebote ganz auf ein privates Auto verzichten. Weil die Fahrzeuge effiziente­r genutzt werden, hofft man den Bestand sogar auf rund 1000 Einheiten reduzieren zu können.

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Foto: dpa Beginnt hier ein Stück Verkehrsre­voluti‰ on? Auf der idyllische­n Insel Astypalea startet ein Pilotproje­kt.

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