Ein Gast, der den Vorratskeller plündert
Natur In Deutschland leben Wildtiere, die es hier gar nicht geben dürfte. Einige werden immer mehr zum Problem, dringen etwa in Städte vor. Doch welche Bedrohung stellen die gebietsfremden Arten tatsächlich für Mensch und Haustier dar?
Augsburg Er ist klein, flauschig und scheint auf den ersten Blick ein ganz possierliches Tierchen zu sein: der Waschbär. Doch in letzter Zeit wird er immer häufiger zum „Problembär“. Denn der eigentlich im Wald lebende Kleinbär fühlt sich mehr und mehr in urbanen Gebieten wohl. „Und dort, wo Mensch und Tier aufeinandertreffen und sich den gleichen Lebensraum teilen, kommt es oftmals zu Konflikten“, sagt Katrin Pichl, Fachreferentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Das ist umso ärgerlicher, als der Waschbär gar nicht in unseren Breiten vorkommen sollte. Bei ihm handelt es sich um eine gebietsfremde Tierart, auch Neozoen genannt. Doch stellt der Waschbär als Wildtier für Mensch und Haustier eine Gefahr dar? Und wie sieht das mit anderen gebietsfremden Tieren aus?
Ursprünglich stammt der Waschbär aus Nord- und Mittelamerika, wurde in Europa aber seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Pelztierfarmen gehalten, von wo mehrere Tiere ausbrachen und sich ausbreiteten – mittlerweile bis in Städte. „Der Waschbär ist ein Allesfresser und ein guter Kletterer. Er kann überall einsteigen“, erklärt Pichl. Gerade in Dachböden oder Geräteschuppen lässt er sich gern nieder. Und durch das reichliche Nahrungsangebot in Städten (Mülltonnen, Komposthaufen) zieht es ihn immer mehr in bewohnte Gebiete. In Stadtbergen (Landkreis Augsburg) beispielsweise sorgten Waschbären im Juli für Aufregung: Sie verschmutzten Gärten, verteilten Müll, fraßen Teiche leer, plünderten einen Vorratskeller und pinkelten auf ein Sofa (wir berichteten).
Als Wildtier könne der Waschbär genauso wie jedes andere frei in der Natur lebende Tier Krankheiten und Parasiten wie Spulwürmer, Reude, Tollwut oder Staupe auf Menschen und Haustiere übertragen. Doch das komme so gut wie nie vor, sagt die Fachreferentin für Artenschutz. Dafür sei ein direkter Kontakt nötig. James Brückner, Leiter des Fachreferats für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund, erklärt dazu: „Waschbären sind eher scheu und hauen ab. Nur wenn sie sich bedroht fühlen oder angefasst werden, wehren sie sich und kratzen.“Zum Schutz rät das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite, Einstiege zu Dachböden und Schuppen zu verschließen, Müll unzugänglich aufzubewahren sowie beim Aufräumen von Verwüstungen Handschuhe zu tragen.
Eine weitere gebietsfremde Art ist die Nutria, auch Biber- oder Wasserratte genannt. Eigentlich in Südamerika beheimatet, wurde sie in Mitteleuropa in Farmen zur Fellgewinnung
gehalten. Einige Tiere flüchteten oder wurden zur Jagd freigelassen, sodass sich die Art ausbreitete. Nutrias leben überall dort, wo es Wasser gibt – auch in Städten.
„Sie lassen sich füttern und wirken recht zahm. Nutrias beißen aber auch, vor allem wenn sie bedroht werden“, weiß James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund. Und in der freien Wildbahn kommt es immer wieder mit Landwirten zu Interessenskonflikten, ergänzt Kollegin Katrin Pichl. Das Problem: Fraßschäden an Feldfrüchten wie Mais, Rüben, Kartoffeln oder Getreide. Zudem untergraben die Nagetiere Ufer und Dämme. Eine Gefahr, weil kleinere Brücken einstürzen und Deiche an Stabilität verlieren können.
Mehr lästig als gefährlich ist wiederum der Halsbandsittich. Die Papageienart, die ursprünglich aus Afrika sowie Süd- und Südostasien stammt, hat sich mittlerweile in Parks, Friedhöfen und Gartenanlagen in verlassenen Specht- oder Baumhöhlen in vielen deutschen Großstädten eingenistet – vor allem in der Rheinebene. Doch auch im Landkreis Freising wurden schon einige der Exoten gesichtet. Die Art kam als Ziervogel nach Europa, Mitte des 19. Jahrhunderts gelang einigen Sittichen in England die Flucht aus Käfigen. In Deutschland wurde das erste frei lebende Paar 1967 in Köln entdeckt.
„Viele Menschen freuen sich beim Anblick der bunten Halsbandsittiche in den Städten“, sagt Brückner. Allerdings fügt er hinzu: „Andere stört der Lärm der Papageien.“Neben der Lautstärke seien Verkotungen unter Massenschlafplätzen für viele ein weiteres Ärgernis, ergänzt Fachreferentin Pichl. Denn die Papageienart lebt in Kolonien von mehreren hundert Tieren zusammen. Durch im Kot enthaltene Bakterien können theoretisch auch Krankheiten wie die Vogelgrippe auf Menschen übertragen werden. Und immer wieder wird berichtet, dass die Vögel Schäden an Gebäuden anrichten: Sie graben Höhlen sowie bis zu eineinhalb Meter lange Gänge in das Dämmmaterial wie Styroporverkleidungen. Schrebergarten-Besitzer und Obstbauern sind auch nicht immer gut auf die Vögel zu sprechen, da die Sittiche in Gruppen von zehn bis 30 Tieren Futter wie Beeren und Obst suchen und immense Fressschäden anrichten.
Alles in allem aber, erklärt Pichl, seien gebietsfremde Arten in Deutschland zwar oftmals lästig für den Menschen, stellten aber keine direkte Gefahr für ihn oder Haustiere dar.