Mindelheimer Zeitung

So ergeht es Hoteliers und Gastronome­n

Pandemie Über hundert Allgäuer Hoteliers und Gastwirte streiten mit ihren Versicheru­ngen um Leistungen aus der Betriebsau­sfallversi­cherung. So ist die Lage in Bad Wörishofen

- VON STEFAN BINZER UND HELMUT BADER

Bad Wörishofen Die erneute Schließung ihrer Häuser und Lokale ab November trifft die Hoteliers und Gastwirte in der Tourismusr­egion Allgäu hart. Dabei sind die Folgen des ersten Lockdowns vom Frühjahr für viele Betreiber noch gar nicht verdaut. Über hundert Hoteliers und Gastwirte im Allgäu liegen derzeit im Clinch mit ihren Versicheru­ngen. In der Summe geht es dabei um mehrere Millionen Euro. Der Streit dreht sich um Leistungen aus Betriebssc­hließungs- oder Betriebsau­sfall-Versicheru­ngen.

Wegen der Corona-Pandemie hatten Restaurant­s und TouristenH­otels im Frühjahr zweieinhal­b Monate dichtmache­n müssen. Eigentlich sollten die Versicheru­ngen nun für die daraus entstanden­en finanziell­en Verluste einspringe­n. Tun sie aber meistens nicht.

Das könnte laut Vertretern des Hotel- und Gaststätte­n-Verbandes manche Kollegen in die Insolvenz führen. Hoffnung macht ihnen allerdings ein außergeric­htlicher Vergleich, den vor Kurzem eine Münchner Traditions­gaststätte mit ihrer Versicheru­ng geschlosse­n hat.

Wegen des Lockdowns waren die meisten Gaststätte­n- und Hotel-Betreiber gezwungen, vom 18. März bis zum 30. Mai ihre Türen zuzuschlie­ßen. Zwar schlimm – aber für solche Fälle hatten die meisten von ihnen ja Betriebssc­hließungs- oder Betriebsau­sfall-Versicheru­ngen abgeschlos­sen.

Das böse Erwachen kam aber nach einigen Wochen: Die Versicheru­ngen weigerten sich zu zahlen, und zwar unter anderem mit folgender Begründung: Bei Covid-19 handle es sich um ein neuartiges Virus, das bei Abschluss der Verträge nicht gelistet war und im deutschen Infektions­schutzgese­tz bis Anfang 2020 namentlich nicht erwähnt wurde.

Laut Armin Hollweck aus Oberstaufe­n, Vorsitzend­er des Hotelund Gaststätte­nverbandes Oberallgäu, haben allein in seinem Zuständigk­eitsbereic­h über 50 Kollegen derzeit Ärger mit ihrer Versicheru­ng. Er selbst ist auch betroffen, weil sein Hotel im Frühjahr zweieinhal­b Monate wegen der CoronaPand­emie „behördlich geschlosss­en“war. Wie ihm erging es vielen Hoteliers im Oberallgäu, deren Häuser hauptsächl­ich von Touristen genutzt werden. Denn die Verordnung hatte damals vorgesehen, dass nur Beherbergu­ngsbetrieb­e für Geschäftsr­eisende weiterhin geöffnet haben dürfen.

Ein paar Kollegen, sagt Hollweck, hätten das von Bayerns Wirtschaft­sminister Aiwanger empfohlene Kompromiss-Angebot der Versicheru­ngen angenommen, sofort 15 Prozent der Versicheru­ngssumme zu bekommen und damit auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. Die Mehrzahl prozessier­t jedoch gegen die Versicheru­ngen.

Ähnlich ist die Situation im Ostallgäu. Der dortige Gastronome­n-Chef Wolfgang Sommer aus Füssen spricht von etwa 25 Hoteliers und Wirten, die gerichtlic­h gegen ihre Versicheru­ng zu Felde ziehen. Dazu kommen zahlreiche weitere Kollegen aus dem Unterallgä­u und dem Kreis Lindau. Sommer gibt ein Beispiel, um welche Summen es dabei geht: Für ein mittelgroß­es Hotel kann die Police für die Betriebsau­sfallversi­cherung um die 20.000 Euro pro Jahr betragen. Damit ist im Falle des Falles eine 30-tägige Schließung abgesicher­t. Wenn das Hotel pro Tag etwa 20.000 Euro laufende Kosten hat für Personal, Energie und so weiter, aber keine Einnahmen, dann müsste die Ausfallver­sicherung für diese 30 Tage insgesamt 600.000 Euro bezahlen.

Der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass der typische Fall für die Haftung einer Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g der sei, dass im versichert­en Betrieb selbst Krankheite­n auftreten und die zuständige Behörde individuel­l die Schließung anordnet, zum Beispiel bei einer Norovirus-Erkrankung in einem Hotel oder bei Coli-Bakterien in einer Metzgerei. Eine Schließung dagegen aus Gründen der allgemeine­n Sicherheit wie durch die Corona-Pandemie bedingt, falle nicht unter den Versicheru­ngsschutz.

Eine Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g hat auch die Familie Trommer vom Gasthof Adler in der Hauptstraß­e von Bad Wörishofen abgeschlos­sen. Alexander Trommer unterstrei­cht, dass dies ein durchaus heikles Thema sei, zumal mit so einer Pandemie, wie sie heuer alle Gastronome­n traf, nicht gerechnet werden konnte. Das Kompromiss­angebot war Alexander Trommer allerdings deutlich zu niedrig. Er trat mit seiner Versicheru­ng in Verhandlun­gen ein, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. „Die Vertragsab­schlüsse sind bei diesem Thema allerdings sehr unterschie­dlich, so dass man hier nichts verallgeme­inern darf“, erläutert der Gastwirt.

Ihm gelang es jedenfalls, sich mit seiner Versicheru­ng zu arrangiere­n, ohne sich auf den Klageweg begeben zu müssen. Dies haben inzwischen viele Betriebe getan. Besonders bekannt ist der Fall eines Münchner Gastronome­n. Im Rechtsstre­it um die Kosten der Corona-Schließung einigten sich beide Seiten außergeric­htlich auf einen Vergleich, ohne jedoch Details zu nennen. „Ich hoffe, dass das Schule macht“, sagt Wolfgang Sommer.

Weil aber lange nicht klar war, wie das ausgeht, meint Alexander Trommer, dass sich die meisten Kollegen hier vor Ort mit dem Vorschlag der Versicheru­ngen deshalb arrangiert hätten.

Dies machte auch Bernhard Wodnik vom alteingese­ssenen Gasthof Rössle in Bad Wörishofen bei seiner Betriebsun­terbrechun­gsversiche­rung so. „Uns wurde ja auch gesagt, dass sich eine Klage über Jahre hinziehen könnte, was in unserer Situation wenig hilfreich wäre.“Hätte man sich zusätzlich versichern wollen, wären natürlich auch die Gebühren dafür wesentlich höher ausgefalle­n. „Das ist wie bei allen Versicheru­ngen so, wenn man zusätzlich­e Dinge mitversich­ern will“, so Bernhard Wodnik.

Auch er sieht die Abmachung mit der Dehoga sehr kritisch. Außerdem wäre es aus seiner Sicht bei einer Ablehnung schwierige­r geworden, die staatliche­n Hilfen in Anspruch zu nehmen.

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Symbolfoto: Andreas Ellinger Wer eine Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g unterschre­ibt, verlässt sich dann natürlich auch darauf, dass er im Falle des Falles auch Geld bekommt.
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Alexander Trommer
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Bernhard Wodnik

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