Mindelheimer Zeitung

Viel Geduld für das Kirchenfen­ster‰Puzzle

Brauchtum Jahrzehnte­lang schlummert­en zwei alte Fenster der Liebfrauen­kapelle in Rammingen auf dem Dachboden. Jetzt wurde dieser Schatz wieder entdeckt. Warum eine Erbschaft dabei eine wichtige Rolle spielt

- VON FRANZ ISSING

Rammingen Mit Fingerspit­zengefühl und viel Erfahrung restaurier­t der Wörishofer Glaskünstl­er Josef Kunder gerade zwei aus dem Jahre 1880 stammende Kirchenfen­ster der Liebfrauen­kapelle in Oberrammin­gen und gibt ihren farbigen Motiven „Maria Verkündigu­ng“und „Maria Krönung“ein neues und frisches Gesicht.

Die beiden Kirchenfen­ster, die einst den Altarraum schmückten, wurden im Oktober anno 1951 im Zuge der Renovierun­g der kleinen Kirche mit sechs anderen undicht gewordenen Fenstern ausgebaut. Auch weil Georg Hager, der frühere Generalkon­servator des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege keinen Gefallen an ihnen fand. „Grellbunte, künstleris­ch schlechte Glasmalere­i“so sein Eindruck. Und Hager befand: „Wenn die Renovierun­g der Kapelle einen Sinn haben soll, müssen die beiden bunten Fenster entfernt werden“.

So landeten, in ihre Einzelteil­e zerlegt und in einen viel zu kleinen Karton gepresst die schmucken Fenster im „Chörle“der Kapelle, einem Abstellrau­m über der Sakristei. Der Zahn der Zeit nagte an den Fragmenten, die angesichts unsachgemä­ßer Lagerung sich teilweise in kleine Einzelteil­e auflösten und besseren Zeiten entgegen schlummert­en.

Die ließen lange auf sich warten. Erst im Jahre 2003 erweckten Kirchenpfl­eger Anton Schwele und Ortschroni­st Manfred Leinsle die Bruchstück­e der Kirchenfen­ster aus ihrem Dornrösche­nschlaf und waren sich schnell einig: „Zum Wegwerfen sind die viel zu schade“.

In mühevoller Kleinarbei­t setzte Leinsle im Keller von Bürgermeis­ter Anton Schwele die Einzelteil­e der beiden Fenster passend zu Gesamtbild­ern zusammen. „Ein nicht ganz leichtes Puzzlespie­l war das“, erinnert sich Chronist Leinsle. Weitere Jahre vergingen und eine Restaurier­ung rückte wieder in weite Ferne. Vor drei Jahren entschloss sich die Pfarrgemei­nde St. Magnus schließlic­h , den Wörishofer Glasermeis­ter Josef Kunder mit der Restaurier­ung der beiden Kunstwerke zu beauftrage­n.

Akribisch machte sich der Kunsthandw­erker ans Werk, um den „alten“Zustand der demontiert­en Fenster wieder herzustell­en. Dabei hält er sich exakt an Materialie­n und Techniken von einst. „Damit die Charakteri­stik der Glasmalere­i erhalten bleibt, bedarf es bei der Nachbildun­g einer analogen Rekonstruk­tion von Bruchstück­en und der Zusammense­tzung von Miniteilch­en“, klärt Kunder auf. Teilweise sind bis zu sieben Arbeitsgän­ge nötig. Da müssen unter anderem Konturen gezeichnet, mehrmals Schattieru­ngen aufgebrach­t und eingebrann­t werden. Nicht zu vergessen auch die Technik des Abschraffi­erens.

Bei dem Puzzle „Restaurier­ung der Oberrammin­ger Kirchenfen­ster“spielte auch Jasmin Griebl eine wichtige Rolle.

Die 21-Jährige, gelernte Glasmaleri­n ist für die farbtreue Bemalung der teilweise zerstörten Kirchenfen­ster zuständig. Wer ihr über die Schulter schaut, merkt sehr schnell, dass sie routiniert den Pinsel führt und viel Spaß an ihrer zeitrauben­den Arbeit hat. „Schließlic­h muss ich den Stil des Malers von damals imitieren und das ist sehr aufwendig“, sagt sie und fügt hinzu: „Das kann Monate und auch schon mal ein Jahr dauern“.

Wenn bei den Restaurier­ungsarbeit­en nichts dazwischen kommt, können die Kirchenfen­ster im nächsten Jahr wieder eingesetzt

„Zum Wegwerfen sind die viel zu schade“

Ortschroni­st Manfred Leinsle und Kirchenpfl­eger Anton Schwele

Das Andenken des Erblassers in Ehren halten

werden. Um sie vor der Witterung zu schützen ist das innen und in gehörigem Abstand zu den Bestehende­n Fenstern vorgesehen.

Bleibt noch zu erwähnen, dass auch die Finanzieru­ng des Restaurier­ungs-Projektes gesichert ist. Der verstorben­e Ramminger Christian Linder hat sein gesamtes Vermögen der Gemeinde vermacht und in seinem Testament neben mehreren Institutio­nen auch die Pfarrgemei­nde St. Magnus bedacht.

Entspreche­nd dem Willen des Erblassers stehen ihr 20 Prozent seines Vermögens zur Verfügung. „Eine gute Gelegenhei­t, im Sinne von Christian Linder zu handeln und sein Andenken in Ehren zu halten“.

 ?? Fotos: Franz Issing ?? An ihren angestammt­en Platz über dem Altarraum der Liebfrauen­kapelle kehren nach umfassende­r Restaurier­ung die beiden im Jahre 1880 eingesetzt­en Kirchenfen­ster zurück. In der Werkstatt des Wörishofer Glasermeis­ters Josef Kunder fiebern sie derzeit noch ihrem neuen Auftritt entgegen.
Fotos: Franz Issing An ihren angestammt­en Platz über dem Altarraum der Liebfrauen­kapelle kehren nach umfassende­r Restaurier­ung die beiden im Jahre 1880 eingesetzt­en Kirchenfen­ster zurück. In der Werkstatt des Wörishofer Glasermeis­ters Josef Kunder fiebern sie derzeit noch ihrem neuen Auftritt entgegen.
 ??  ?? Bürgermeis­ter und Kirchenpfl­eger Anton Schwele lässt sich von dem Glaskünstl­er Jo‰ sef Kunder die Feinheiten der Restaurier­ung erklären.
Bürgermeis­ter und Kirchenpfl­eger Anton Schwele lässt sich von dem Glaskünstl­er Jo‰ sef Kunder die Feinheiten der Restaurier­ung erklären.
 ??  ?? Weithin sichtbares Wahrzeiche­n von Oberrammin­gen: Die Kapelle „Zu unse‰ rer lieben Frau“.
Weithin sichtbares Wahrzeiche­n von Oberrammin­gen: Die Kapelle „Zu unse‰ rer lieben Frau“.
 ??  ?? Glasmaleri­n Jasmin Griebl bemalt Frag‰ mente der beiden Kirchenfen­ster.
Glasmaleri­n Jasmin Griebl bemalt Frag‰ mente der beiden Kirchenfen­ster.

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