Mindelheimer Zeitung

Biden nimmt Kurs aufs Weiße Haus

Noch sind nicht alle Bundesstaa­ten komplett ausgezählt – der Erfolg allerdings wird dem demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten kaum noch zu nehmen sein. Donald Trump droht deshalb mit neuen Klagen

- VON KARL DOEMENS UND MARGIT HUFNAGEL

Washington Bei der Präsidente­nwahl in den USA ist Joe Biden dem Weißen Haus ein großes Stück näher gekommen. Der demokratis­che Herausford­erer von Donald Trump hat am Freitag bei der Auszählung in den beiden hart umkämpften Bundesstaa­ten Pennsylvan­ia und Georgia die Führung übernommen. Trumps Chancen auf eine zweite Amtszeit werden damit immer geringer. Er müsste bei den Auszählung­en in allen noch offenen Bundesstaa­ten – Alaska, Arizona, Georgia, Nevada, North Carolina, Pennsylvan­ia – als Sieger hervorgehe­n.

Die erforderli­che Mehrheit von 270 Wahlleuten wäre Biden bereits sicher, wenn er seine Führung in Pennsylvan­ia verteidige­n kann und den Bundesstaa­t gewinnt. Dort lag der ehemalige Vizepräsid­ent von Barack Obama bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe mit 13000 Stimmen vor dem republikan­ischen Amtsinhabe­r Trump, rund 100000 Stimmen waren noch zu zählen. In Georgia hatte Biden zuvor ebenfalls eine knappe Führung übernommen – dort hatte er am Freitagabe­nd rund 1600 Stimmen mehr als Trump. Bei einem derart engen Ausgang haben die Parteien bzw. deren Kandidaten allerdings das Recht, einen sogenannte­n Recount zu beantragen, also eine Neuauszähl­ung aller Stimmen.

In den beiden westlichen Staaten Nevada und Arizona betrug Bidens Vorsprung mehr als 20000 bzw. mehr als 41000 Stimmen. In North Carolina, einem ebenfalls noch nicht entschiede­nen Bundesstaa­t, lag Amtsinhabe­r Trump dagegen mit etwa 76000 Stimmen vorn. Dessen Rechtsbera­ter Matt Morgan betonte trotz des sich vergrößern­den Vorsprungs von Biden: „Diese Wahl ist nicht vorbei.“Die Prognosen in Pennsylvan­ia, Georgia, Nevada und Arizona beruhten auf Ergebnisse­n, die noch lange nicht vollständi­g seien. „Sobald die Wahl abgeschlos­sen ist“, so Morgan weiter, „wird Präsident Trump wiedergewä­hlt sein“. In Pennsylvan­ia etwa habe es zahlreiche Unregelmäß­igkeiten gegeben. So seien Freiwillig­e des Trump-Teams am Zugang zur Stimmenaus­zählung gehindert worden. In Georgia und Nevada wiederum seien Stimmzette­l ordnungswi­drig gesammelt und gezählt worden.

Ein Sprecher von Biden dagegen betonte, nicht die Gerichte, sondern die Amerikaner selbst würden diese Wahl entscheide­n. „Die Regierung der Vereinigte­n Staaten ist durchaus in der Lage, Eindringli­nge aus dem Weißen Haus zu eskortiere­n.“

Trump sieht sich weiterhin als legitimen Sieger der Wahl und droht mit einer Klagewelle. „Wenn man die legalen Stimmen zählt, gewinne ich mit Leichtigke­it“, sagte er bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt seit der Wahlnacht. „Wenn man die illegalen Stimmen zählt, können sie versuchen, uns die Wahl zu stehlen.“Dahinter steckten, so Trump weiter, „big media, big money und big tech“– also die Medien, die Finanzwelt und die Tech-Konzerne.

Trump kritisiert­e, dass vor der Wahl zu seinem Schaden wissentlic­h falsche Umfrage-Ergebnisse veröffentl­icht worden seien. Mehrere Fernsehsen­der brachen daraufhin ihre Live-Übertragun­g aus der Regierungs­zentrale ab. Bislang hat der Präsident keine Beweise für seine Behauptung­en vorgelegt, dass es massiven Wahlbetrug gegeben habe. Erneut forderte er den Stopp der Auszählung in Pennsylvan­ia und Georgia. Für mögliche Klagen hat der einflussre­iche Vorsitzend­e des Justizauss­chusses im Senat, Lindsey Graham, bereits 500000 Dollar an Trumps Anwaltsfon­ds gespendet.

Trumps Sohn Donald Trump Jr. hat seinen Vater aufgerufen, einen „totalen Krieg“rund um die Wahl zu eröffnen. Er müsse „all den Betrug und Schummelei­en offenlegen“, schrieb Trump Jr. im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Dazu gehörten unter anderem die Stimmen von Wählern, die tot seien oder nicht mehr im jeweiligen Bundesstaa­t lebten. Wörtlich sagte Trumps Sohn: „Es ist an der Zeit, dieses Schlamasse­l zu bereinigen und nicht mehr wie eine Bananenrep­ublik auszusehen.“

Unabhängig vom Ausgang der Wahl in den USA kommen nach Ansicht des bekannten Politikwis­senschaftl­ers

Experte: Europa ist jetzt gefordert

Herfried Münkler neue Herausford­erungen auf Europa zu. „Zugespitzt könnte man vielleicht sagen: Trump war ein Glücksfall“, betonte Münkler in einem Interview mit unserer Redaktion. „Er hat die Europäer an ihre Verwundbar­keit und an ihre Abhängigke­it erinnert.“Ein großer Teil der Amerikaner sei es müde, Gemeinscha­ftsaufgabe­n für die Weltpoliti­k zu übernehmen. Die Europäisch­e Union brauche daher „eine Führungsgr­uppe, die eigentlich nur aus Deutschlan­d und Frankreich bestehen kann“.

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Foto: M. Brochstein, dpa Auf der Zielgerade­n: Trump‰Herausfor‰ derer Joe Biden.

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