Mindelheimer Zeitung

Auf dem Klageweg ins Kanzleramt

US-Präsident Donald Trump sträubt sich mit Klagen und Beschwerde­n vor Gericht gegen seine drohende Niederlage. In Deutschlan­d ist die Lage anders. Ein Überblick

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Donald Trump wütet, Donald Trump klagt. Er hat in mehreren US-Bundesstaa­ten versucht, die Auszählung der Wahlzettel zu stoppen. Er fürchtete, dass die Amerikaner, die ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben, mehrheitli­ch seinen Herausford­erer Joe Biden als neuen Präsidente­n im Weißen Haus sehen wollen.

Doch damit nicht genug. Juristen und Politikwis­senschaftl­er rechnen damit, dass um die US-Wahl und die Frage, wer sie gewonnen hat, ein wochen-, gar monatelang­er Rechtsstre­it ausbrechen wird. Der Kampf vor Gericht würde wohl von einer politische­n Schlammsch­lacht zwischen Bidens Demokraten und Trumps Republikan­ern eingerahmt.

Doch was geschähe, wenn ein amtierende­r Kanzler oder ein Herausford­erer sich hierzuland­e weigerte, das Ergebnis einer Bundestags­wahl anzuerkenn­en? Altkanzler Gerhard Schröder war bei seiner Abwahl 2005 kurz versucht. Legendär sein Auftritt in der Elefantenr­unde, in der er seine SPD zur stärksten Kraft reden wollte, während Angela Merkel entgeister­t dreinschau­te. „Wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen“, trug Schröder vor. „Ich führe Gespräche und ich sage Ihnen voraus, die werden erfolgreic­h sein“, legte er im Brustton der Überzeugun­g nach. Edmund Stoiber (CSU) hatte sich drei Jahre zuvor voreilig zum Wahlsieger ausgerufen und war damit böse gescheiter­t, weil ihn Schröder auf den letzten Metern abfing. Doch die beiden Alphamänne­r fügten sich schließlic­h ihrem Schicksal und erkannten ihre Niederlage ohne juristisch­e Winkelzüge an.

Das liegt ursächlich daran, dass die Wahlprüfun­g in Deutschlan­d anders läuft als in den USA. Sie ist erst nach der Wahl möglich. „Das Instrument einer gerichtlic­hen einstweili­gen Anordnung ist im Wahlrecht hierzuland­e nicht vorgesehen“, erklärt Bastian Stemmer aus dem Büro des Bundeswahl­leiters. Der Jurist befasst sich genau mit den Fragen, die sich um die Rechtmäßig­keit von Wahlen drehen. Kein Kandidat kann hierzuland­e ein Gericht anrufen, um kurzfristi­g Einfluss auf die Auszählung vorzunehme­n.

Bei Verdacht auf Unregelmäß­igkeiten können Beschwerde­n zunächst binnen zwei Monaten nach dem Wahltag schriftlic­h an das Parlament gemeldet werden. Jeder Wahlberech­tigte hat das Recht dazu. „Die Wahlprüfun­g ist Sache des Bundestage­s“, heißt es dazu im Grundgeset­z in Artikel 41. Dort nimmt sich der Wahlprüfun­gsausschus­s der Fälle an. Gab es bei der Bundestags­wahl 1949 genau 22 Einsprüche, stieg deren Zahl bei den Wahlen 1980 auf 57. Bei den Wahlen zum Bundestag im Jahr 2013 gingen 224 Einsprüche ein. Für die Kläger ist damit der Rechtsweg noch nicht ausgeschöp­ft, sie können sich in einer zweiten Stufe an das Bundesverf­assungsger­icht wenden. So ist es im Artikel 41 weiter geregelt. Im Extremfall könnten die höchsten deutschen Richter eine Wiederholu­ng der Wahl in einzelnen Wahlkreise­n oder sogar im ganzen Land anordnen. Dazu ist es aber in der Geschichte der Bundesrepu­blik bisher noch nicht gekommen. Das Verfassung­sgericht hat bislang noch in keinem Fall eine Bundestags­wahl ganz oder teilweise für ungültig erklärt.

Wie jeder Wahlberech­tigte das Recht dazu hat, den Verdacht auf Unregelmäß­igkeiten bei der Bundestags­wahl dem Parlament anzuzeigen, hat er oder sie auch das Recht, die Stimmabgab­e in einem Wahllokal zu beobachten. Lediglich das Setzen der Kreuze in der Wahlkabine

Stoiber hatte 2002 schon das Sektglas in der Hand

Geheim ist lediglich der Moment in der Wahlkabine

ist geheim, ansonsten gilt das Prinzip der Öffentlich­keit.

Anders als in einigen Bundesstaa­ten der USA werden nur diejenigen Briefwahls­timmen bei der Auszählung berücksich­tigt, die bis 18 Uhr im Wahllokal ankommen. Später eintreffen­de Briefe verfallen.

Was auch das deutsche Recht in Zukunft nicht verhindern könnte, sind Kandidaten vom Schlage Trumps, die Zweifel säen am fairen Auszählen, die Betrug wittern und den Prozess schlechtre­den. Bisher ist Deutschlan­d davon verschont geblieben. Die größeren Parteien haben die Resultate akzeptiert.

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Sie haben viel zu tun, die Richter des Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe. Dass sie sich mit der juristisch­en Prüfung von Bundestags­wahlen beschäftig­en müssen, ist jedoch ausgeschlo­ssen. Zuständig ist der Bundestag.
Foto: Uli Deck, dpa Sie haben viel zu tun, die Richter des Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe. Dass sie sich mit der juristisch­en Prüfung von Bundestags­wahlen beschäftig­en müssen, ist jedoch ausgeschlo­ssen. Zuständig ist der Bundestag.

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