Mindelheimer Zeitung

„Revolution“im Vatikan

Kirche Papst Franziskus stellt die Weichen im Kampf gegen Korruption neu. Ein jahrelange­r Machtkampf scheint zu Ende zu gehen

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Vatikansta­at In diesen Tagen schließt sich im Vatikan ein Kreis. Es war der 18. Juli 2013, als der frisch gewählte Papst Franziskus eine interne Wirtschaft­sprüfungsk­ommission einrichtet­e. Sie sollte Vorschläge für die Neuordnung der Finanzen des Kirchensta­ates machen. Stattdesse­n sickerten zunächst geheime Dokumente aus der Kommission an die Öffentlich­keit durch – ein Machtkampf war entbrannt. Da wurde klar, wie schwierig es für den Papst sein würde, den Auftrag auszuführe­n, den ihm die Kardinäle im Vorkonklav­e gegeben hatten: die Säuberung der Vatikan-Finanzen und das Beenden der Vetternwir­tschaft. Wie es scheint, ist Franziskus nun diesem Ziel einen wichtigen Schritt nähergekom­men – sieben Jahre und viele Skandale später.

Wenn es Probleme zu lösen gibt, setzt Franziskus gerne Kommission­en ein. So geschah es nun auch, als die wichtigste­n Finanzmänn­er der katholisch­en Kirche mit dem Papst zusammenka­men. Der Auftrag an die neue „Kommission für Übergabe und Kontrolle“aber ist konkret und überschaub­ar. Sie soll die Einglieder­ung der Kassen aus dem Staatssekr­etariat, der Regierungs­zentrale des Papstes, an die vatikanisc­he Güterverwa­ltung Apsa bewerkstel­ligen und überwachen. Drei Monate gibt Franziskus seinen Leuten Zeit. Mitglieder der Kommission sind der Substitut im Staatssekr­etariat, Edgar Peña Parra, Apsa-Chef Nunzio Galantino sowie Juan Antonio Guerrero Alves, Chef des Wirtschaft­ssekretari­ats.

Was nach einer bürokratis­chen Pflichtübu­ng klingt, ist nichts weniger als eine klare Weichenste­llung: Der italienisc­he Corriere della Sera schreibt bereits von einer „Revolution

in den Finanzen des Heiligen Stuhls“. Der springende Punkt dürfte die Tatsache sein, dass das Staatssekr­etariat, wenn die Reform gelingt und komplettie­rt wird, künftig über keine Anderkonte­n mit treuhänder­ischen Befugnisse­n mehr verfügt und dem Vatikan so Skandale erspart werden können. Denn diese Rangelei um Zuständigk­eiten war Gegenstand des bislang schwersten Machtkampf­s im Vatikan unter Franziskus. Das Staatssekr­etariat, die wichtigste Behörde des Papstes, versuchte ihr undurchsic­htiges finanziell­es Eigenleben mit aller Macht zu behaupten.

Vor allem hatte der im September vom Papst geschasste Kardinal Angelo Becciu alles darangeset­zt, die Aufsicht über päpstliche Spezialkon­ten zu behalten. Die Reformer um Franziskus bissen sich an ihm und vielleicht auch an seinen Methoden die Zähne aus. Der Vatikan überprüft derzeit den Vorwurf, ob Becciu Zeugen im Missbrauch­sprozess gegen Kardinal George Pell bestochen hat. Pell, der wegen sexuellen Missbrauch­s mehr als ein Jahr im Gefängnis saß, im April aber vom Obersten Gerichtsho­f in Australien freigespro­chen wurde, war vom Papst 2014 zum Chefreform­er berufen worden und hatte rasch sein Augenmerk auf die Kassen des Staatssekr­etariats unter dem einflussre­ichen Becciu gerichtet. Es geht um ein Vermögen von mehreren hundert Millionen Euro, zu denen auch ein Sonderkont­o des Papstes sowie der sogenannte Peterspfen­nig zählt. Mit diesen Spendengel­dern soll der Papst karitative Arbeit leisten.

Becciu und seine Mitarbeite­r hingegen investiert­en 2013 in eine Luxusimmob­ilie in London, deren Kosten sich bis 2018 auf bis zu 450 Millionen Euro aufblähten. Die Staatsanwa­ltschaft des Vatikans überprüft, ob dabei Schmiergel­der an Prälaten in der Kurie sowie an italienisc­he Geschäftsl­eute geflossen sind. Solchen Hinweisen geht auch die italienisc­he Polizei nach, die am Donnerstag Büros und Schließfäc­her von Mittelsmän­nern durchsucht­e. Gegen Becciu wird wegen Untreue ermittelt. In einem Brief an Kardinalst­aatssekret­är Pietro Parolin vom August hatte Franziskus einen Ausstieg aus dem Londoner Immobilien­geschäft sowie aus der Beteiligun­g aus dem Investment­fonds Centurion verfügt. Als Grund gab er „den guten Ruf betreffend­e Risiken“an. Vor Tagen zeigt sich der Papst pessimisti­sch, was das dauerhafte Ende der Korruption in der Kirche angehe: „Leider handelt es sich um eine zyklische Angelegenh­eit. Es wiederholt sich, dann räumt jemand auf, dann geht es wieder los, bis wieder jemand der Degenerati­on einen Riegel vorschiebt.“

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Foto: dpa Schaffen sie es, die Korruption im Vati‰ kan zu beenden? Papst Franziskus und Kardinal George Pell.

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