Mindelheimer Zeitung

Testspiel für Schwarz‰Gelb

Lesung Der CDU-Kandidat Merz stellt sein neues Buch vor. FDP-Chef Lindner unterstütz­t ihn. Ein Vorgeschma­ck auf die nächste Regierung?

- VON STEFAN LANGE

Berlin Abgesehen vom Altersunte­rschied verbindet Friedrich Merz und Christian Lindner einiges. Beide treten forsch und dynamisch auf, beide sind machthungr­ig, sie gehören nicht zu den Geringverd­ienern dieser Erde, sind Fans des Fußballver­eins Borussia Dortmund – und sie wollen in die nächste Bundesregi­erung. Merz muss dazu erst noch werden, was Lindner schon ist, nämlich Parteivors­itzender. Um seine ohnehin guten Chancen zu verbessern, hat der 64-Jährige eine ungewöhnli­che Bewerbung vorgelegt: Das Buch „Neue Zeit. Neue Verantwort­ung“, das gerade im EconVerlag erschienen ist. Zusammen mit Lindner stellte er es am Freitag bei einer Videokonfe­renz einem Kreis von Journalist­en vor.

Merz ist nicht nur in knapp einer Woche 24 Jahre älter als Lindner, er ist auch größer. Vielleicht wirkt es deshalb ein bisschen väterlich, als der Sauerlände­r sagt, für ihn habe die FDP im deutschen Parteiensp­ektrum ihren Platz. Er hätte sich gewünscht, sagt Merz, dass die FDP jetzt schon dabei gewesen wäre in der Regierung. Dann nämlich „wäre nicht die AfD, sondern die SPD die größte Opposition­spartei“.

Für Lindner sind das kleine Nadelstich­e, schließlic­h hatte er nach der letzten Bundestags­wahl die Verhandlun­gen über eine Jamaika-Koalition aus FDP, Grünen und Union abgebroche­n. Der liberale Fraktionsu­nd Parteichef muss seitdem mit dem Vorwurf leben, er habe große Teile der FDP-Anhänger in die Arme der Union getrieben. Zwischen sechs und acht Prozent der Wähler sind derzeit unschlüssi­g, ob sie bei der Union bleiben oder wieder zurück zur FDP gehen. Sollte Lindner sie ins gelbe Lager ziehen können, dürfte es bei einem guten Abschneide­n der Union wie in früheren Zeiten für eine schwarz-gelbe Regierung reichen.

Lindner muss seine Partei dafür so positionie­ren, dass ein eigenes Profil erkennbar ist und die FDP nicht einfach nur wie ein Abziehbild daherkommt. Wie das gehen könnte, wird bei der Präsentati­on in ersten Ansätzen deutlich. Lindner lobt „ein authentisc­hes Buch“, man höre praktisch noch den Sound, mit dem Merz im Sauerland in die Tasten gehauen habe. Knapp 240 Seiten entstanden so. In fünf Kapiteln widmet sich Merz routiniert Themen der Corona-Krise, der ökologisch­en Erneuerung der Sozialen Marktwirts­chaft, der Zukunft des Landes, Europa und natürlich der CDU.

Aber Lindner will den Autor nicht zu doll loben und spielt zur Abgrenzung unter anderem die Alterskart­e zurück. Man merke an dem Buch eben auch, „dass sich die Zeiten geändert haben und Friedrich Merz sich mit ihnen“. Dem Reform-Furor des Friedrich Merz vor zehn oder 15 Jahren sei „eine Orientieru­ng auf staatsmänn­ische Positionen gewichen“, sagt Lindner.

Merz nimmt es gelassen. In seinem Buch finden sich Positionen, die so auch in einem Lindner-Buch stehen könnten. In seinen Überlegung­en zu einer modernen Deutung des Konservati­ven etwa schlägt Merz vor, „Privat vor Staat“zu setzen. Diese Devise hat gerade erst der neue FDP-Generalsek­retär Volker Wissing ausgegeben. Grundsätzl­iche Übereinsti­mmungen zwischen Lindner und Merz gibt es auch bei der Renten- oder der Steuerpoli­tik. Beide sind gegen Volksentsc­heide auf Bundeseben­e, Gentechnik ist für sie kein Teufelszeu­g.

Einig sind sich beide in der Beurteilun­g der jüngeren Generation. „Ich habe doch keine Schwierigk­eiten damit, dass sich junge Menschen politisch engagieren. Ich habe nur eine Bitte: Hört auch mal zu“, sagt der dreifache Vater Merz, als die Sprache auf die Bewegung „Fridays for Future“kommt. Und Lindner, der für seine öffentlich­e Kritik an der Aktivistin Greta Thunberg schon einiges einstecken musste, bekräftigt seine These, dass man die junge Generation nur ernst nehme, wenn man ihre Argumente nicht ungefragt durchgehen lasse.

Am Ende wird deutlich, dass hier zwei Männer sitzen, die politisch mehr eint als trennt. Ob diese Einigkeit sie an die Spitze führt? Für Merz könnte der Titel seines Buches bekanntlic­h viel früher in Erfüllung gehen als für Lindner. Wenn er beim für Mitte Januar geplanten Parteitag nicht CDU-Chef wird, dann hat er viel neue Zeit, sich neuen Verantwort­ungen zu stellen.

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Foto: dpa Zwei Männer, die mehr eint als trennt: Friedrich Merz und Christian Lindner sprechen über die „neue Zeit“.

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