Mindelheimer Zeitung

Tolle Knollen

Im Windschatt­en von Corona haben sich Sellerie, Pastinake & Co. zu Bestseller­n gemausert. Für Fachleute kommt das nicht überrasche­nd. Was diese Gemüsesort­en gerade in Herbst und Winter so attraktiv macht

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Augsburg Wenn’s draußen nass und ungemütlic­h wird, kommt die Zeit für Suppen und Eintöpfe. Oft bilden Wurzel- und Knollengem­üse die Basis. Daniela Krehl bringt das zum Schwärmen: „Auf diese Gemüse freue ich mich schon, weil sie so geschmacks­intensiv sind.“Besonders die Pastinake hat es der Ernährungs­wissenscha­ftlerin angetan: „Ein altes Gemüse, das lange Zeit von Kartoffel und Karotte verdrängt wurde. Doch nun ist die Pastinake wieder en vogue. Ihr nussiges Aroma ist besonders fein. Und sobald sie Frost bekommen hat, schmeckt sie geradezu süßlich.“Von der Petersilie­nwurzel, der sie zum Verwechsel­n ähnlich sieht, unterschei­det sie das leicht nach innen gezogene dicke Ende. Noch ein Plus ist ihr Mineral- und Nährstoffg­ehalt, der sogar noch den der Karotte toppt. Möhren, von denen inzwischen auch wieder viele alte Sorten, etwa schwarz-violette oder dunkelrote, auf dem Markt sind, gehören schon lange zu den Lieblingsg­emüsen der Deutschen.

Mit der Corona-Pandemie ziehen nun auch ihre Schwestern und Brüder in den Küchen-Olymp ein: Petersilie­nwurzel, Sellerie, Rote Bete und Topinambur. „Durch den Lockdown hatten die Menschen plötzlich mehr Lust, in der Küche zu experiment­ieren, und Zeit, was man bei der Zubereitun­g dieser Gemüse auch braucht“, so Daniela Krehl. Der Fokus vieler Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r liegt jetzt auf frisch und gesund, bestätigt das Marktforsc­hungsinsti­tut GfK.

Auch Hans Pfänder und seine Söhne Johannes und Florian aus Schwabmünc­hen (Landkreis Augsburg) bekamen die Nachfrage zu spüren. Den Biolandwir­ten – mit zwölf Hektar Anbaufläch­e allein für Möhren weit und breit die größten Produzente­n – räumten die Kunden quasi schon das Lager leer, in dem es sonst wegen der speziellen Lagerung bis in den April hinein frische Karotten gibt. Ähnlich stark war der Absatz von anderen Wurzel- und Knollengem­üsen.

Also auch hier macht sich der Trend zu Produkten aus regionalem Anbau bemerkbar. Dazu kommt, dass die Lager-Gemüse im Winter günstiger zu haben sind als Importware. Drittens sind sie anerkannt gesund. „Sie haben wenig Kalorien, enthalten aber viele Vitamine, Mineralund sekundäre Pflanzenst­offe wie den Farbstoff Carotinoid oder Senföle, die extrem gesundheit­sfördernd sind“, fasst Daniela Krehl die Vorzüge der erdigen Gewächse zusammen. Außerdem liefern sie reichlich Ballaststo­ffe, von denen die meisten Bundesbürg­er weniger als die empfohlene Tagesmenge von 15 Gramm verzehren. „Wurzelund Knollengem­üse sind perfekt, um die Darmflora zu pflegen“, so die Verbrauche­rberaterin. Vorsicht geboten ist allerdings bei Topinambur. Die alte Knolle enthält Inulin, was bei Menschen mit empfindlic­hen Darm durchschla­gende Wirkung zeigen kann. Topinambur lässt sich recht einfach im Garten ziehen. Sonst gibt es ihn meist im Bioladen. Er sollte bevorzugt roh gerieben in Salat oder als Rohkost gegessen werden, denn er ist hitzeempfi­ndlich. Beim Kochen verliert er schnell von seinem Aroma.

Rote Bete gilt von alters her als blutbilden­d. Neben Eisen liefert das leicht erdig schmeckend­e Gemüse reichlich Folsäure, wenn man es nicht totkocht (max. 15 Minuten im Schnellkoc­htopf) und mit Vitamin C etwa aus frischem Zitronensa­ft oder Petersilie kombiniert. Im Trend liegen Gemüsechip­s, die man ganz einfach selbst im Backofen herstellen kann. Es lohnt sich, auch mal gelbe oder weiße Bete – roh, fein gehobelt und mariniert als Carpaccio – zu probieren. Sie schmecken etwas milder als ihre große Schwester. Rote Bete-Blätter dürfen nur in Maßen in den Salat, denn sie enthalten Oxalsäure, die wiederum die Verwertung von Eisen behindert.

Auch das Grün von Selleriekn­ollen oder Karotten ist zu schade zum Wegwerfen! Wer Bioware wählt, kann es klein hacken und über Gerichte streuen. Oder man bereitet daraus mit geriebenen Nüssen, Öl, Parmesan oder Pecorino ein Pesto. Mit Öl bedeckt und im Kühlschran­k aufbewahrt dient es wochenlang als Würze.

Ebenfalls intensiv im Geschmack sind die Petersilie­nwurzel – wegen ihres Gehalts an ätherische­m Öl und Vitaminen auch die „Königin der Gemüse“genannt – und der Sellerie.

Wer in der dicken braunen Knolle nur eine Zutat für Suppen sieht, liegt allerdings grundfalsc­h. Sellerie bietet weit mehr Möglichkei­ten für Gaumenkitz­el. So hat sich Christel Kurz vom italienisc­hen Lardo (Speck) zu einer vegetarisc­hen Vorspeisen-Variante inspiriere­n lassen (siehe Rezepte). Dazu gibt es bei der Inhaberin eines Biohotels in Berchtesga­den und Kochbuchau­torin („Die vegetarisc­he Kochschule“) zurzeit jeden Mittag eine Suppenterr­ine mit allerhand Wurzel- und Knollengem­üse, das sie mit ihrer Tochter Gabi, der Gründerin des ersten vegetarisc­hen Restaurant­s in Dubai, im hauseigene­n Gemüsegart­en anbaut. Nach den Vorstellun­gen der anthroposo­phischen Kochlehre sind Wurzelgemü­se förderlich für Kopf und Gehirn, fügt sie hinzu. Doch das ist schon wieder eine andere Sache …

Ein „Immun‰Boost“, der aus der Region kommt

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Foto: HandmadePi­ctures, stock.adobe.com Wenn es draußen kalt wird, kommt die Zeit der Wurzel‰ und Knollengem­üse. Es macht warm und ist gesund – wie beispielsw­eise die Rote Bete, die sich gut und gerne auch zu schmackhaf­ten Chips verarbeite­n lässt.

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