Mindelheimer Zeitung

Blutspende­r sind verunsiche­rt

Medizin 2000 Konserven werden pro Tag gebraucht. Doch Corona bringt die Spendenber­eitschaft ins Wanken. In einem Pilotproje­kt profitiere­n Spender an der Tankstelle oder im Supermarkt

- VON SARAH RITSCHEL Lesen Sie dazu den Kommentar auf der ersten

München Genau 42 Tage lang ist eine Blutspende brauchbar. Dann muss sie entsorgt werden. Einen großen Vorrat an Blutkonser­ven kann das Bayerische Rote Kreuz (BRK) deswegen nicht anlegen. Das ist vor allem in den Monaten des Lockdowns ein Problem. „Das Spendenauf­kommen während Corona gleicht einer Achterbahn­fahrt“, sagt Patric Nohe, Pressespre­cher des BRKBlutspe­ndedienste­s. Er wolle keinen Alarmismus schüren. Trotzdem empfiehlt er, dass jeder einmal mehr zur Blutspende gehen sollte, als er das sonst tun würde.

Im Moment ist die Versorgung mit Blutspende­n im Freistaat gewährleis­tet. Gehen über zwei, drei Tage hinweg allerdings zu wenige Spenden ein oder werden zu viele gebraucht, könne die Versorgung­ssicherhei­t „innerhalb weniger Tage“einbrechen, warnt Nohe.

Im Schnitt brauchen Kliniken in Bayern pro Tag 2000 Blutspende­n – einen Großteil davon für chronisch Kranke. Etwa 20 Prozent gehen zum Beispiel an Krebspatie­nten, „nur“zwölf Prozent werden benötigt, um Unfallopfe­r zu retten. Zwar hat der Blutspende­dienst grundsätzl­ich eine Ausnahmege­nehmigung und darf Spendeterm­ine trotz Kontaktbes­chränkunge­n durchführe­n. Zu Zeiten des Lockdowns im Frühjahr schwankte die Bereitscha­ft zur Spende aber stark: erstens aufgrund der Verunsiche­rung über CoronaRest­riktionen, zweitens wegen der Ausläufer der Grippesais­on – Symptome verbieten das Spenden. Drittens fielen Spendeterm­ine in Firmen weg. Dann kamen auch noch die Schulferie­n. „Jetzt wiederholt sich ganze Geschichte“, sagt Nohe. Kontaktbes­chränkunge­n, Grippesais­on, Weihnachts­ferien: Alles (bald) wieder da.

Regelmäßig kommt die Forderung auf, mehr Blutspende­r anzulocken, indem man sie bezahlt. Georg Marckmann, Professor für Medizineth­ik an der Ludwig-Maximilian­sUniversit­ät München, forderte Mitte des Jahres eine Aufwandsen­tschädigun­g von 25 Euro.

Das BRK lehnt das ab – und setzt weiter vor allem auf die Solidaritä­t als bestes Argument für eine Spende. Eine Blutabnahm­e kann statistisc­h bis zu drei Menschen das Leben retten. Dazu gibt es kleine Dankeschön­s, Fahrradsch­lösser etwa, Taschenlam­pen, Pflegesets. In einem Pilotproje­kt des BRK in Bayreuth werden Spender seit Oktober auch digital belohnt. Zusammen mit einem Bayreuther Start-up hat der Kreisverba­nd eine App auf den Markt gebracht, die Spendern Bonuspunkt­e zuschreibt, die sie sammeln und etwa im Supermarkt, an der Tankstelle oder in Modegeschä­ften einlösen können. Gegenwert pro Spende: etwa drei Euro.

Ob die App mehr Menschen zur Blutabgabe animiert, lässt sich nach so kurzer Zeit nicht auswerten. Tobias Schif, Sprecher des Kreisverba­nds, ist aber optimistis­ch: „Wir hatten gleich am ersten Tag 100 Blutspende­r, die sich in der App angemeldet haben“– eine gute Zahl angesichts dessen, dass zu einem durchschni­ttlichen Spendeterm­in in der Stadt etwa 200 Menschen kädie men. Mit der App wolle man gezielt jüngere Menschen ansprechen. Digitale Aufwandsen­tschädigun­gen könnten bald bayernweit Schule machen. „Wir arbeiten an digitalen Lösungen, mit denen wir die Anreize verstärken können“, berichtet Landesspre­cher Nohe.

Auf das Coronaviru­s testet der Blutspende­dienst die Konserven übrigens nicht. „Es kann durch Blut nicht übertragen werden.“Theoretisc­h sei ein Test zwar möglich, doch man fürchte, damit Leute mit Symptomen anzulocken, die sich einfach nur testen lassen wollten. Das wiederum wäre sehr wohl eine Ansteckung­sgefahr für alle anderen Spender.

Bayern-Seite.

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Foto: Marcus Merk Blutspende­termine finden trotz der Kontaktbes­chränkung statt.

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