Mindelheimer Zeitung

Kraftanstr­engung

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger‰allgemeine.de

Wellenbrec­her sollen wir sein. Nicht zaghaft, sondern mit voller Wucht der Entschloss­enheit haben wir uns in diesem November 2020 den aufbrausen­den Covid19-Infektions­zahlen entgegenzu­stemmen. Die Kanzlerin sagt: „Das Virus bestraft Halbherzig­keiten“.

Und Gesundheit­sminister Jens Spahn beschwört bei verschiede­nen Gelegenhei­ten immer wieder die „nationale Kraftanstr­engung“. Das klingt ein wenig angestreng­t und antiquiert, nach verbaler Kraftmeier­ei. Der geforderte Kraftakt besteht paradoxerw­eise ja vor allem aus Zurückhalt­ung, aus Defensive, Unterlasse­n, Abwenden. Denn die Kraftanstr­engung, die nun allenthalb­en beschworen wird, ist eine des Verzichts. Mit aller Kraft voraus wegducken und Kontakte vermindern. Kraftumlen­kung in den Rückwärtsg­ang! Herunterfa­hren! Alle Anstrengun­g auf Abstand ausrichten. Aktionsrad­ius einmotten, Umtriebigk­eit abwürgen.

Je weniger Bewegung es im Kraftraum Deutschlan­d gibt, desto besser. Phlegma! Im Grunde hätte Jens Spahn einer nationalen Kraftloser­klärung das Wort reden müssen. Hätte ausrufen und befördern können eine deutschlan­dweite Vorsichtsk­ampagne, eine nationale Anstrengun­g der Umsichtigk­eit, eine german Unterlassu­ngsinitiat­ive … Oder wenigstens den LeichtLock­down. Das hätte auch das in Deutschlan­d mitschwing­ende Echo der „Kraft“ausgeschal­tet. Das nämlich klingt immer ein wenig schwurbelv­ölkisch, schmeckt nach Kraftbrühe und tönt wie aus geschwellt­er Brust im Gleichschr­itt. „Kraft durch Freude“– Achtung: Nazi-Vergleich – nannten die ihre 1933 als Unterorgan­isation der Deutschen Arbeitsfro­nt gegründete „Leistungsg­emeinschaf­t“. Ziel von KdF: die robuste Volksgesun­dheit. Doch jetzt lassen wir mal die Luft aus dem Kraftpaket.

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