Mindelheimer Zeitung

17 Millionen Nerze werden getötet

Pandemie Weil sie ein mutiertes Coronaviru­s in sich tragen, lässt Dänemark die Tiere vernichten. Eine weltweite Ausbreitun­g wird befürchtet. Könnten Impfstoffe für Menschen wirkungslo­s werden?

- VON ANDRÉ ANWAR

Kopenhagen/Stockholm Die Welt schaut derzeit mit Besorgnis auf Dänemark. Dort sorgt ein mutiertes Coronaviru­s für große Unruhe. „Das schlimmste Szenario ist, dass wir eine neue Pandemie bekommen, die von Dänemark aus startet“, warnte Kåre Mølbak, Chef der dänischen Ansteckung­sschutzbeh­örde.

Die neuartigen Coronavire­n wurden von Nerzen bislang auf mindestens 214 Menschen übertragen, wie das Ansteckung­sschutzamt (SSI) mitteilte. Die meisten Infizierte­n leben in der Nähe der betroffene­n Nerzfarmen in der Region Nordjütlan­d im Norden Dänemarks. Dort wurden nun überall scharfe Restriktio­nen eingeführt. Ab sofort gilt ein lokaler Lockdown, die Einwohner von sieben Kommunen in der Region wurden dazu angehalten, zu Hause zu bleiben. 14 der infizierte­n Dänen leben jedoch außerhalb der Region.

„Wenn sich das mutierte Virus in Dänemark oder weltweit verbreitet, könnte das ernsthafte Konsequenz­en für den schützende­n Effekt der kommenden Impfstoffe haben“, erklärte die nationale Ansteckung­sschutzbeh­örde. Die Befürchtun­g: Die derzeit weltweit entwickelt­en und dringend benötigten Impfstoffe könnten gegen das neue sogenannte Cluster-5-Virus in Dänemark völlig wirkungslo­s sein. Denn das neue Virus sei im Vergleich zum weltweit verbreitet­en Covid-19 resistente­r gegen Antikörper.

Nach den Vorfällen ist nun auch die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO eingeschal­tet. Bislang sieht sie noch keine Hinweise auf erhöhte Risiken bei der Variante des Coronaviru­s. Es habe bereits zahlreiche Mutationen von Sars-CoV-2 gegeben, sagte WHO-Chefwissen­schaftleri­n Soumya Swaminatha­n am Freitag in Genf. „Es ist zu früh dafür, voreilige Schlüsse zu ziehen, welche Folgen diese neue Mutation für die Übertragun­g, Schwere der Erkrankung, klinische Symptome, Immunantwo­rt oder mögliche ImpfstoffW­irkung hat.“

Der WHO seien bislang weltweit über 170000 Gensequenz­en des Virus bekannt, sagte Swaminatha­n. Ein Stab von Wissenscha­ftlern werte die Veränderun­gen des Erregers seit Beginn der Pandemie ständig aus.

Eine erste Risikobewe­rtung der WHO zur Situation in Dänemark sei in Arbeit, im Laufe des Freitags wolle man mit den Mitgliedst­aaten kommunizie­ren, sagte WHO-Nothilfeko­ordinator Mike Ryan. „Die Belege, die wir haben, weisen nicht darauf hin, dass diese Variante sich in irgendeine­r Form anders verhält“, so Ryan. Er betonte aber auch, es sei wichtig, der Übertragun­g durch Sicherheit­smaßnahmen in Tierbetrie­ben vorzusorge­n.

Bereits am Mittwoch entschied sich die Regierung in Kopenhagen dazu, vorsichtsh­alber sämtliche 17 Millionen Nerze auf gut 1100 Nerzfarmen in Dänemark zu töten. Rund 6000 Menschen arbeiten auf den Nerzfarmen, eine relativ große Branche im Land. Im vergangene­n Jahr wurden Pelze im Wert von 6,9 Millionen Kronen verkauft.

Dänemark ist jedoch nicht das einzige Land, das Probleme mit Virusinfek­tionen auf Nerzfarmen hat. Auch in den Niederland­en waren auf mehr als 40 Nerzfarmen Infektione­n mit dem Coronaviru­s festgestel­lt worden. In mehreren Fällen waren auch Menschen angesteckt worden. Alle Tiere der betroffene­n Betriebe waren getötet worden.

Angesichts der Vorfälle haben die Niederland­e nun das vorzeitige Ende der Pelztierzu­cht angekündig­t. Zum 1. März 2021 müssen alle Zuchtbetri­ebe stoppen, kündigte die Regierung am Freitag in Den Haag an. Ein Verbot der Zucht war nach einem Gerichtsur­teil bereits früher beschlosse­n worden, doch das sollte erst 2024 in Kraft treten.

Experten befürchtet­en, dass die Pelztier-Farmen Infektions­herde bleiben und auch für Menschen eine dauerhafte Gefahr sein könnten. In den Niederland­en gibt es noch rund 150 Zuchtbetri­ebe, vor allem in der Provinz Nord-Brabant im Südosten des Landes. Die Züchter sollen entschädig­t werden mit insgesamt 180 Millionen Euro.

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Foto: Mads Claus Rasmussen, Ritzau Scanpix, dpa Dicht an dicht müssen die unzähligen Tiere in ihren Käfigen auf den dänischen Nerz‰ farmen leben, so wie hier auf einem Bauernhof in Gjoel in Nordjütlan­d im Norden des Landes.

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