Mindelheimer Zeitung

„Das Innere altert nicht“

Angus Young spricht über das neue und erste AC/DC-Album ohne Bruder Malcolm – über die Jugend und seine Frau am Steuer

- Interview: Steffen Rüth

Was macht das Befinden?

Angus Young: Ich kann nicht klagen, fühle mich gut. Ich bin aktuell in Australien, der Himmel ist blau, die Temperatur­en sind angenehm.

Haben Sie eigentlich die ganze Corona-Krise in Australien verbracht? Young: Yeah, ich bin schon eine ganze Weile hier. Ach ja, aber wir hängen ja alle zusammen in dieser Sache drin. Ich kann wenig gegen dieses Virus ausrichten. Wir müssen wohl Geduld haben.

Die Situation rund um AC/DC schien ja vor einigen Jahren ziemlich bedrohlich zu sein – Phil Rudd wegen Drogen-Eskapaden aus der Band geworfen, Brian Johnson konnte nicht mehr hören und musste 2016 für die letzten zehn Konzerte durch Axl Rose ersetzt werden, Cliff Williams verkündete nach der Tournee seinen Rücktritt. Wann und unter welchen Voraussetz­ungen haben Sie eigentlich beschlosse­n, ein weiteres Album zu machen? Young: Richtig konkret wurden unsere Überlegung­en nach dem Tod meines Bruders Malcolm. Er starb im November 2017, und danach versuchte ich, mich mit Arbeit von meiner Trauer abzulenken. Ich musste irgendwas zu tun haben, praktisch egal was. Ich dachte, vielleicht schreibe ich ein bisschen, halte ein paar Song-Ideen fest, und dann dachte ich so nach und es fiel mir ein, dass Malcolm und ich ja wirklich an sehr, sehr vielen Riffs und Song-Ideen gearbeitet hatten. Wir haben über die Jahre eigentlich immer irgendwas in der Mache gehabt. So gab es auch noch eine Menge guter Ideen, die wir beide gern mochten. Wir hatten immer den Wunsch, diese Ideen eines Tages zum passenden Zeitpunkt auf einer Platte zu veröffentl­ichen. Also beschloss ich, mich auf diese Ideen zu konzentrie­ren. Als ich der Meinung war, dass ich genug Material gesichtet und gesammelt hatte, ging es darum, die anderen zu kontaktier­en.

Und die anderen waren in deiner Vorstellun­g …

Young: …Brian, Cliff und Phil und natürlich mein Neffe Stevie. Ich wollte erst mal hören, was sie dachten, ob sie sich auch vorstellen konnten, wieder was zusammen zu machen, ein Album aufzunehme­n.

Und?

Young: Sie waren alle erfreut, dass ich auf sie zukam. Die Jungs fanden, das sei eine gute Idee. Und so entschied ich: Let’s go. Let’s do it.

Kann man sagen: Obwohl Malcolm nicht mehr unter uns weilt, ist er sehr lebendig auf dem Album?

Young: Jaa! Malcolm ist mit jeder Menge seiner Ideen vertreten.

Sie haben immer zusammen geschriebe­n. Wie hat es sich angefühlt, jetzt alleine seine Ideen zu vollenden? Young: Das stimmt, wir haben immer gemeinsam an Material gearbeitet, und so fühlte es sich ein bisschen so an, als wäre Malcolm noch da. Weil ich ja seine, unsere Musik bearbeitet­e. Jetzt war es bloß so, dass ich unsere gemeinsame­n Pläne, die Musik auf ein Album zu bringen, ohne ihn verwirklic­hen musste. Ich habe das sehr behutsam und respektvol­l gemacht, wir haben überhaupt sehr darauf geachtet, dass die fertigen Songs Malcolm gerecht werden.

Sollte man bei den neuen Liedern das Gefühl haben, er ist noch da?

Young: Malcolm wird immer ein Teil von AC/DC sein. Und ganz besonders für mich als Bruder ist er immer noch sehr präsent. Alles, was ich in Sachen AC/DC je gemacht habe, machte ich mit ihm zusammen. Ich weiß genau, was er mag und wie er es mag. Ich habe ihm immer vertraut und er hat mir vertraut. Wir haben uns blind verstanden. Ich bin mir ganz sicher, Malcolm würde unser neues Album mögen.

Hören Sie sich neue AC/DC-Songs im Auto an, während Sie an ihnen arbeiten? Young: Manchmal ja. Das Auto ist so ein kleines Teststudio, Musik klingt einfach besonders toll, während man fährt. Aber ich tue das weniger während der Arbeit, sondern lieber, wenn das Album fertig ist. Mir gibt das immer ein gutes Gefühl. Das Album ist geschafft und dann ab damit ins Auto. Für mich steckt in dieser Kombinatio­n aus Auto und AC/DC sogar ein gutes Stück Magie.

Fahren Sie eher schnell oder eher gemächlich? Young: Oh, ich habe noch nicht einmal einen Führersche­in. Ich bin noch nie Auto gefahren. Meine Frau fährt. Ich bringe nur die Musik mit.

Mit AC/DC haben Sie eine ganze Menge von Menschen davor bewahrt, allzu erwachsen zu werden. Bis heute fühlt man sich selber jung, sofern man es nicht mehr ist, wenn man Sie da in Ihrer Schulunifo­rm auf der Bühne herumtolle­n sieht. Kann man sagen, dass AC/DC den Teenager in allen von uns konservier­en?

Young: Wenn ich mit AC/DC spiele, spüre ich immer noch den kleinen Jungen in mir. Mein Bruder hat immer gesagt, man entdeckt als Kind, was einen glücklich macht, und wenn es optimal läuft, kann man dieser Leidenscha­ft sein ganzes Leben lang treu bleiben. So empfinde ich das mit AC/DC. Ich liebe immer noch dieselbe Musik wie als Teenager, ich finde es nach wie vor herrlich, meine eigene Musik zu spielen, mit der Band da oben zu stehen.

Mochten Sie Ihre Jugend?

Young: Ich habe die Zeit geliebt. Ich war 13, als mein Vater zu mir sagte: „Junge, genieße diese Zeit, denn sie ist die beste deines Lebens.“Ich wusste das damals nicht, aber so im Rückblick hatte er schon recht. Zu der Zeit hattest du keine Verantwort­ung, keine Sorgen, du wusstest noch nicht, welchen Kummer das Leben auch für dich reserviert hat. Du lebst einfach. Ohne viel zu denken. Wunderbar war das.

Sie selbst sind auf der Bühne und generell innerhalb von AC/DC ein alterslose­r Charakter. Wie stehen Sie dem Älterwerde­n gegenüber? Young: Ich verschwend­e an das Alter keinen Gedanken. Das äußere Erscheinun­gsbild von uns Menschen verändert sich jeden Tag ein kleines bisschen. Aber das Innere altert nicht mit. Das Innere ist fest und beständig. Ich sehe das an mir selbst: Ich habe immer noch größtentei­ls dieselben Gedanken und Vorlieben wie zu der Zeit, als ich jung war. Ich frage mich auch nie: Wie alt bist du denn eigentlich? Wenn, dann erinnern mich andere Menschen an mein Alter.

Würden Sie gerne noch mal auf Welttourne­e gehen? Young: Ich kann nicht wirklich für die anderen sprechen. Aber wenn alle glücklich damit sind, etwas zu machen, dann werde ich tun, was ich kann, um sicherzust­ellen, dass das auch passieren wird. Klar, es würde schon Sinn ergeben, und wahrschein­lich müssten wir schon auch wieder was machen – in verschiede­nen Ländern, in aller Welt.

Gesundheit vorausgese­tzt: Im Jahr 2023 feiern Sie Ihr 50-jähriges Bandjubilä­um. Sind Sie sich dessen bewusst? Young: Ich muss wieder den guten alten Teenager in mir voranschic­ken und sagen: So weit nach vorne gucke ich nicht. Wer weiß, was bis dahin passiert, aber hey, 50 Jahre, das hört sich schon nach einer runden, guten Sache an.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany