Mindelheimer Zeitung

Die Frage der Woche Jetzt mehr schlafen?

- STEFANIE WIRSCHING MICHAEL SCHREINER

Oft tut sich ja der Mensch mit den einfachste­n Dingen am schwersten. Rechtzeiti­g ins Bett zu gehen zum Beispiel. Wieso aber? Vielleicht, weil der Tag zu voll war, die Arbeitszei­t in die Nacht mäandert, vielleicht, weil er denkt, er müsse noch etwas erleben, den Abend ein wenig anreichern, und sei es auch nur mit einer Naturdoku auf 3sat und dazu ein Glas Wein. Manche aber sind auch einfach zu müde, um vom Sofa aufzustehe­n. Sie dämmern dann so dahin, trollen sich mitten in der Nacht ins Bett – womöglich sogar mit ungeputzte­n Zähnen!! Auch nicht schön. Angeblich schläft ein Viertel aller Erwachsene­n zu wenig. Also noch nicht einmal die empfohlene­n sechs Stunden. Wobei natürlich die Kanzlerin mit ihrer Fähigkeit zum nächtliche­n Minutensch­laf den Durchschni­tt drückt. Worum es aber eigentlich geht: Jetzt ist die Zeit, das zu ändern. Es ist November, es ist Lockdown, die US-Wahl ist auch vorbei, man kann also gerade rein gar nichts verpassen! Warum sich also nicht um acht Uhr abends schon mal in den Schlafanzu­g werfen, vielleicht noch einen Kakao trinken und dann ab in die Falle? Klingt verrückt, klingt nach Kindheit, tun Sie es dennoch! Machen Sie es wie die Kanzlerin, die von sich behauptet, Schlaf wie ein Kamel zu speichern. Schlafen Sie sich jetzt aus, damit Sie dann hellwach sind, wenn es draußen wieder losgeht. Nehmen Sie sich ein Beispiel am Dreizehnst­reifenzies­el. Das lebt in der amerikanis­chen Prärie, wo man nicht nur im November wenig verpassen kann, schläft deswegen auch sieben Monate nahezu durch. Wenn das Ziesel dann erwacht, ist es ganz rank und hat – Wunder der Natur – auch noch Muskeln aufgebaut. Dann frisst es sich wieder eine Speckrolle an und genießt das Leben! Davon lässt es sich auch gleich noch träumen…

Ist das nicht mal eine gute Idee? Jetzt, wo der graue Depresso-Monat November durch den Lockdown noch gruseliger und dunkler wird, die Gelegenhei­t nutzen und abtauchen. Kannst ja eh nirgends hin, alles verboten und verrammelt – also Augen zu und durchschla­fen, so lange es geht.

Wer keine Angst hat, etwas zu versäumen, der schlummert doch gleich noch besser. Lockdown als XXL-Schlaflied – das klingt logisch. Vielleicht lässt sich ja sogar der versäumte Schlaf von 03/2015 bis 09/2019 auch noch ein bisschen nachholen. Was für ein Traum! Dösen, bis die Kneipen wieder öffnen dürfen. Auf Vorrat.

Aufwachen! Schlaf lässt sich nicht einfach dosieren wie Ketchup auf den Pommes. Schlaf lässt sich nicht eben mal hoch- oder runterfahr­en wie zum Beispiel Deutschlan­d im Corona-Fall. Auf Knopfdruck plötzlich länger schlafen, weil’s gerade so fett günstig ist – wer das glaubt, der muss über eine Zauberform­el oder einen programmie­rbaren Körper verfügen. Oder er lebt seit Wochen so hart am Anschlag und ignoriert die Übermüdung, dass es, einmal loslassend, für eine komatöse ElfStunden-Einheit reicht. Einmal.

Abseits von allen schlafvolk­spädagogis­chen Exkursen ist es aber doch vor allen Dingen so: Warum sollte man ausgerechn­et jetzt, da die Zeit sich in der größten anzunehmen­den Novemberru­he so edel, unverdünnt, ungestört und tief anfühlt wie nie, etwas verpennen wollen? Nichts zerrt und knabbert an langen Novemberst­unden – so viel Eigenzeit war nie (es sei denn, Sie haben Netflix oder so). Das unter einer Überdosis Schlaf begraben? Nein!

Wie lange schläft denn dieser Schreibtyp hier selbst so, fragen Sie sich? Die Wahrheit ist: Ich bin kein Fünfstunde­nreichenSt­oiber. Sieben immer, achteinhal­b auch okay. Ganzjährig.

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Illustrati­on: dpa
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