Mindelheimer Zeitung

„Würde mir die Tour de France zutrauen“

Radsport Georg Zimmermann aus Hainhofen (Landkreis Augsburg) hat seine bisher erfolgreic­hste Saison hinter sich. Nach Platz 21 bei der Vuelta und der Aufnahme in ein neues Team will er seine nächsten Ziele angreifen

- Interview: Andrea Bogenreuth­er

Herr Zimmermann, herzlichen Glückwunsc­h. Sie haben die traditions­reiche Spanien-Rundfahrt Vuelta auf Rang 21 als bester Deutscher abgeschlos­sen. Was hat dieser Platz für einen Stellenwer­t?

Zimmermann: Ich bin sehr zufrieden mit meiner Leistung. Das ist das Beste, was ich bisher gezeigt habe. Ich bin nicht eingebroch­en und konnte meine Leistung voll durchziehe­n. Der 21. Platz ist ein Riesenerfo­lg für mich. Jetzt bin ich aber froh und glücklich, wieder zu Hause zu sein und die Anstrengun­gen hinter mir zu haben. Das war ein großartige­r Saisonabsc­hluss. Nun ruhe ich mich zu Hause erst einmal aus.

War es für Sie als Profi-Rennfahrer schwierig, während der Vuelta in Spanien mit der Corona-Bedrohung umzugehen? Wie muss man sich die Schutz-Maßnahmen bei einem solchen Rennen vorstellen?

Zimmermann: Ich war sehr erfreut, wie gut der Organisato­r das alles unter Kontrolle hatte. Wir waren komplett abgeschirm­t von der Außenwelt und auch von den anderen Teams. Selbst als wir mit vier anderen Teams im Hotel waren, haben wir von diesen nichts mitbekomme­n. Das Essen bekam jedes Team für sich in Seminarräu­men. Die einzige potenziell­e Ansteckung­sgefahr wäre eigentlich von den Zuschauern am Streckenra­nd gekommen, aber die haben sehr disziplini­ert Masken getragen. Von daher war ich sehr ruhig. Alle sechs Tage wurde ein Test gemacht und wir waren immer alle negativ. Ich habe mich sicher gefühlt.

Sie sammeln zunehmend Erfahrung bei Traditions­rennen auf hohem internatio­nalen Niveau wie in Imola oder bei der Vuelta. Wie fühlen Sie sich dabei? Zimmermann: Bei jedem Rennen lernt man viel. Auch bei den großen Ein-Tages-Rennen, die ich noch vor einem Monat gefahren bin, habe ich viel gelernt. Aber die Vuelta war wieder etwas ganz anderes. Hier ging es darum Kräfte zu sparen und jeden Tag zu versuchen, sich so gut zu regenerier­en wie möglich.

Merken Sie, dass Sie nach Ihren zuletzt so guten Ergebnisse­n auch bei der Konkurrenz mehr im Blickpunkt stehen?

Zimmermann: Ja, man nimmt mich jetzt schon wahr in der internatio­nalen Spitze und mein Name wird zubruar

bekannt. Die erfahrenen Profis kennen sich untereinan­der sehr gut. Da muss man erst einmal reinkommen. Aber ich denke, ich bin auf einem guten Weg.

Sie haben vor einer Woche bekannt gegeben, dass Sie mit Circus Wanty aus Belgien ein neues Team gefunden haben. Wie ist das zustande gekommen? Zimmermann: Ich hatte mit vielen Teams Kontakt. Das Projekt Circus Wanty gab es schon länger, aber jetzt haben sie großen Mut für nächstes Jahr gefasst und wollen sich mit jungen Fahrern verstärken. Sie sind auf mich zugegangen und haben mir ein super Konzept präsentier­t. Sie haben mir den Eindruck vermittelt, dass sie mit mir arbeiten wollen. Es war das engagierte­ste Team, das auf mich zugegangen ist. Es war nicht so, dass man immer nachfragen musste. Das hat am Ende den Ausschlag gegeben, dass ich wirklich das Gefühl hatte, dass das Team voll und ganz hinter mir steht und großes Interesse an mir hat.

Was bedeutet dieser Vertrag für Sie persönlich?

Zimmermann: Die Corona-Pandemie hat schon in der Wirtschaft wie ein Blitz eingeschla­gen, aber den Profi-Sport hat es fast noch schlimmer erwischt. Im Eishockey ist es ja eine komplette Katastroph­e. Auch im Radsport ist es schwierig geworden. Der Markt steht schon auch unter Druck. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich für das nächste Jahr etwas Gutes gefunden habe. Damit fährt es sich leichter.

Was verspreche­n Sie sich von der Zusammenar­beit mit Ihrem neuen Team Circus Wanty?

Zimmermann: Erst einmal möchte ich Fuß fassen auf der World Tour. Ein World-Tour-Rennen zu gewinnen, ist schwierig. Das kann Jahre dauern, bis man auf dem Level ist. Aber für mich ist es erst einmal wichtig, in der ersten Liga des Radsports richtig Fuß zu fassen, mir einen Namen zu machen und mich dort zu etablieren. Wenn ich das geschafft habe, dann suche ich mir Rennen aus, die ich gewinnen möchte. Aber jetzt geht es erst einmal darum, auf das Level zu kommen, dass man das gesamte Jahr über von Fenehmend bis September auf Augenhöhe ist.

Sie haben gesagt, Sie ruhen sich jetzt nach dem anstrengen­den Saisonfina­le in Spanien erst einmal aus. Wie sehen die Wintermona­te bei einem Radprofi wie Ihnen aus?

Zimmermann: Die nächsten zwei Wochen werde ich noch ein wenig weitertrai­nieren und noch rund zehn Wochenstun­den Ausdauersp­ort machen, um nicht zu abrupt aufzuhören. Die Vuelta war ja die größte Anstrengun­g, die ich je gemacht habe. Da ist es nicht gesund, abrupt aufzuhören. Deswegen werde ich noch ganz entspannt und ohne Stress laufen oder radfahren gehen.

Bleiben Sie denn fürs Wintertrai­ning hier in der Region?

Zimmermann: Das geht die ersten Wochen in der Region meist noch ganz gut, weil es die Witterungs­verhältnis­se meist noch zulassen. Im Januar und Februar wird das Training aber noch intensiver. Wenn man 25 Wochenstun­den trainieren muss, muss man schon wegfahren. Das ist im Winter zu Hause nicht möglich.

Was wird das erste Ziel sein, auf das Sie für 2021 hinarbeite­n? Zimmermann: Das erste Rennen im neuen Rennkalend­er wäre die UAETour in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Auch wenn ich bisher nicht weiß, ob ich da von meinem Team mitgenomme­n werde. Aber theoretisc­h geht es am letzten Februarwoc­henende wieder los.

Wie oft sind Sie eigentlich noch zu Hause in Hainhofen, einem Stadtteil von Neusäß (Landkreis Augsburg)? Zimmermann: So 150 bis 200 Tage im Jahr bin ich unterwegs. Ich habe mich in gewisser Weise auch schon daran gewöhnt. Aber nichtsdest­otrotz ist es manchmal schon hart.

Bleibt Ihnen da noch Zeit für andere Hobbys?

Zimmermann: Ich verfolge die Börse. Das würde ich schon als mein Hobby sehen. Und treffe mich gern mit Freunden, was momentan leider nur sehr eingeschrä­nkt möglich ist.

Ist die Tour de France auch schon ein Thema für Sie?

Zimmermann: Ich würde mir zutrauen, die Tour de France jetzt schon zu fahren, bin von meinem Team in diesem Jahr aber nicht nominiert worden. Definitiv habe ich jetzt auch die Fähigkeite­n, die Tour de France zu fahren. Das habe ich bei der Vuelta bewiesen. Denn das ist von der Größenordn­ung her das gleiche Niveau. Natürlich ist die Tour de France noch eine Stufe höher und ein bisschen schwerer, aber sie ist kein komplett neues Level mehr.

Was ist das größere Ziel: Tour de France oder Olympia? Zimmermann: Das sind beides meine zwei größten Ziele, auf die ich hinarbeite. Olympia findet nur alle vier Jahre statt. Von daher ist es vielleicht noch exklusiver, an den Olympische­n Spielen teilzunehm­en.

● Georg Zimmermann, geb. 11 Oktober 1997, startete seine sportliche Karriere bei den E‰Ra‰ cers Top Level Augsburg (bis 2015). Derzeit ist er noch beim polnischen CCC Team unter Vertrag, bevor er im Januar 2021 zu Circus Wanty wechselt. Die Vuelta war sein erster Einsatz auf der Grand Tour.

 ?? Foto: Getty Images, David Ramos ?? Die dreiwöchig­e Spanien‰Rundfahrt Vuelta hat Georg Zimmermann als bester Deutscher auf Rang 21 abgeschlos­sen. Nun steht für den Radprofi die Winterpaus­e an, bevor er in der neuen Saison für das Team Circus Wanty fährt.
Foto: Getty Images, David Ramos Die dreiwöchig­e Spanien‰Rundfahrt Vuelta hat Georg Zimmermann als bester Deutscher auf Rang 21 abgeschlos­sen. Nun steht für den Radprofi die Winterpaus­e an, bevor er in der neuen Saison für das Team Circus Wanty fährt.

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