Kemptener Kino scheitert mit Popularklage
Urteil Bayerischer Verfassungsgerichtshof hält Lockdown notwendig für „Gefahrenabwehr“
Kempten/München Nun sind die Kemptener Kinobetreiber DietelSing auch mit ihrer Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof gescheitert – vorerst. Er wies den Eilantrag gegen den Lockdown ab. Das Gericht bestätigt, dass Kulturveranstaltungen weiterhin verboten sowie Kinos, Gastronomieund Beherbergungsbetriebe angesichts der hohen Zahl CoronaInfizierter geschlossen bleiben. „Uns wär’s anders lieber gewesen“, erklärt Matthias Sing, der als hauptberuflicher Rechtsreferendar die Klagen zusammen mit seiner Mutter Andrea Dietel-Sing und seiner Schwester Pia Sing eingereicht hatte. Die Enttäuschung über das Urteil hält sich aber in Grenzen, da sie nach der Abweisung einer ähnlichen Klage beim Bundesverfassungsgericht vor wenigen Tagen schon damit gerechnet hatten, sagt Sing. Gleichwohl hoffe die Familie auf baldige Hauptverfahren vor beiden Gerichten.
Die Familie Dietel-Sing, die das Colosseum-Center und ein Restaurant betreibt, hatte nach den Lockdown-Maßnahmen Anfang November Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht und beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof angestrengt. Viele andere Kinobetreiber hatten dies begrüßt. Andrea DietelSing, die Colosseum-Geschäftsführerin, hält die Zwangsschließung für irrsinnig und willkürlich – gerade weil sie ausgeklügelte Hygiene- und Abstandsregeln für Kinobesucher ergriffen hatten. Außerdem hatten sie und ihre Familie argumentiert, dass die Schließung das Kunstförderungsgebot und das Grundrecht auf Kunstfreiheit verletze und ihre Berufsfreiheit einschränke. Betreiber von Filmtheatern beklagen zudem den finanziellen Schaden durch den Lockdown. Viele fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof argumentiert dagegen in seiner Abweisung sinngemäß, dass die aktuellen Corona-Maßnahmen angesichts der hohen Zahl an Infizierten nötig seien. Bei „überschlägiger Prüfung“sehe es die Grundrechte nicht als verletzt an; die Regierungen hätten die Maßnahmen für eine „effektive Gefahrenabwehr“durchaus verfügen dürfen. Zudem verweist das Gericht auf die von Bund und Ländern angekündigte Wirtschaftshilfe in Höhe von 75 Prozent des letztjährigen Novemberumsatzes. Es gebe also auch eine finanzielle Kompensation.
Durch die Abweisung des Eilantrags ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Ausdrücklich teilt der Verfassungsgerichtshof den Klägern mit, dass es „weder von offensichtlichen Erfolgsaussichten noch von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit“ausgehe. Wann es jedoch zu Hauptverhandlungen bei den beiden Gerichten komme, ist offen. „Das kann Monate dauern“, befürchtet Sing.