Was Jugendliche bedrückt
Fotoaktion Der Bezirk Schwaben hatte dazu aufgerufen, Krisen im Bild festzuhalten. Herausgekommen ist in Mindelheim ein einzigartiges Projekt
Mindelheim Wenn von Krise die Rede ist, fällt seit Monaten meist das Wort Corona. Vieles hat sich ja auch geändert seit März und Dinge, die vorher ganz selbstverständlich waren, sind jetzt plötzlich untersagt. Immer mehr Menschen leiden augenscheinlich unter den eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten.
Diese Krise nahm sich die Medienfachberatung Schwaben des Bezirks Schwaben zum Anlass für einen Wettbewerb, den Jugendfotopreis Schwaben. Unter dem Motto „Diese fiese Krise“hat der Bezirk Jugendliche und junge Erwachsene dazu aufgerufen, einen ganz persönlichen Blick auf Krisen zu werfen – mit dem Fotoapparat. Mit im Boot war das Jugendhaus JiM in Mindelheim.
Eigentlich bestand die Aufgabe der Mitarbeiter des Kreisjugendrings Unterallgäu nur darin, die Jugendlichen zu motivieren selbst Fotos zu dem Thema zu machen und dann einzureichen. Aber schon bei der ersten Gesprächsrunde mit einem kleinen Kreis von 15 Jugendlichen wurde klar, dass der ein oder andere Jugendliche ganz andere Krisen zu bewältigen hat als Corona, wie Florian Kastenmeier berichtet, der das Jugendhaus JiM leitet.
So wurde viel über verschiedene Krisen wie Tod, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Alkoholsucht, Flucht, Scheidung oder die Black-LivesMatter-Kampagne geredet, aufgearbeitet und dann versucht, das teilweise selbst Erlebte in ein Foto umzusetzen. Bei den Fotos hatten die Jugendlichen Hilfe von dem Fotografen Jonny Jarchow, der selbst erst 25 Jahre alt ist und auf Facebook eine Seite zum Thema Depressionen und Morbus Crohn betreibt.
Die Aufgabe, eine Krise auf nur einem Bild darzustellen, war nicht wirklich einfach und der ein oder andere Jugendliche wollte nicht unbedingt vor die Kamera. So stellten sich auch schon mal die Betreuer des JiM als Models mit zur Verfügung.
Emotional schwierig waren die Fotos zum Thema Tod und Flucht. Wie kann man das Thema Tod in nur einem Foto darstellen? Der Schmerz und die Trauer, die damit verbunden sind? Gemeinsam mit den Betreuern fuhren die jungen Erwachsenen zu einem Bestattungsunternehmen. Der eigentliche Plan, sich eine Urne für das Foto auszuleihen, wurde spontan ausgeweitet und die Jugendlichen haben die ganze Verabschiedungshalle für zwei Stunden zur Verfügung gestellt bekommen.
Sich so intensiv mit dem Thema Tod zu beschäftigen war für viele neu und nicht ganz einfach. Florian Kastenmeier hat vor allem die Krise von Mahdi Jafari bewegt. Mit 14 kam er als Flüchtling in unser Land. Auf seinem harten schwierigen Weg hat er viel Leid und Elend miterlebt und ist heute dankbar, hier in Deutschland in Frieden und Freiheit leben zu können. Weitere Bilder zeigen, dass die Jugendlichen auch mit Arbeitslosigkeit, trotz Mittlerer Reife, zu kämpfen haben. Oder, dass sie nicht in ihr Jugendzentrum gehen können, weil wegen Corona alles geschlossen war.
Die Bilder waren so bewegend, dass Kastenmeier und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne daraus eine Ausstellung gemacht hätten. Aber die Coronakrise hat diese Bilderschau über viele andere Krisen, mit denen Jugendliche von heute zu kämpfen haben, nicht möglich gemacht. „Wir verschieben das einfach ins Frühjahr, wenn hoffentlich wieder ein wenig Normalität in unser Leben einzieht“, sagt Kastenmeier. Von den über hundert Fotos haben die Jugendlichen elf für den Wettbewerb ausgewählt.
Wer die Bilder sehen möchte, schaut am besten auf die Seite http://jugendfotopreis.bezjrschwaben.de/eure-fotos. Dort hat man noch bis Sonntag, 22. November Zeit, für die Fotos abzustimmen. Bis Ende des Jahres soll noch ein Film zu den Fotos entstehen, in dem die Jugendlichen nochmals ein Statement zu den einzelnen Bildern abgeben. Diesen findet man dann auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen des Jugendhaus JiM.