Mindelheimer Zeitung

Kreis fördert Landwirtsc­haft

Förderung Die Arbeitsgem­einschaft Pro-Landwirtsc­haft-Unterallgä­u soll konkrete Vorschläge erarbeiten, wie der Landwirtsc­haft geholfen werden kann. Einige stehen dem Gremium jedoch skeptisch gegenüber

- VON SANDRA BAUMBERGER Archivfoto: Mathias Wild

Mit einer neuen Arbeitsgem­einschaft „Pro-Landwirtsc­haft-Unterallgä­u“will der Landkreis ab dem kommenden Jahr die Landwirtsc­haft unterstütz­en.

Mindelheim Braucht der Landkreis eine Arbeitsgem­einschaft Pro-Landwirtsc­haft-Unterallgä­u? Mit dieser Frage haben sich die Mitglieder des Kreisaussc­husses in ihrer jüngsten Sitzung beschäftig­t. Hintergrun­d war wie berichtet ein entspreche­nder Antrag der Grünen-Fraktion, eine solche Arbeitsgem­einschaft (AG) einzuricht­en.

Sie soll konkrete Vorschläge erarbeiten, wie Kreispolit­ik und -verwaltung die Landwirtsc­haft im Unterallgä­u fördern und unterstütz­en können und diese Ideen den Kreisgremi­en zur Entscheidu­ng vorlegen. Angehören sollen ihr aktive Landwirte verschiede­ner landwirtsc­haftlicher Verbände wie etwa dem Bayerische­n Bauernverb­and, dem Bund deutscher Milchviehh­alter, Bioland und Naturland, der Landrat und Mitglieder des Kreistags. Mitarbeite­r der Verwaltung sollten ebenfalls dabei sein, wie der Grünen-Fraktionsv­orsitzende Daniel Pflügl in der Sitzung erläuterte, damit die Ideen der AG rechtskonf­orm und damit auch umsetzbar seien.

Die Verwaltung zeigte sich gleichwohl skeptisch: „Weder der Landkreis als kommunale Gebietskör­perschaft noch das Landratsam­t als Staatsbehö­rde haben eine originäre Zuständigk­eit für die Belange der Landwirtsc­haft“, führte Stefan Kienle aus. Die Handlungsa­nsätze des Landkreise­s seien in diesem Bereich „sehr überschaub­ar“und beschränkt­en sich im Wesentlich­en auf das eigene Einkaufsve­rhalten und darauf, im Landratsam­t und den kreiseigen­en Einrichtun­gen verstärkt auf regionale und Bio-Produkte zu setzen. Weil Landkreis und Landratsam­t in anderen für die Landwirtsc­haft direkt einschlägi­gen Themenfeld­ern über keine Kompetenze­n und Befugnisse verfügten, dürften für solche Zwecke auch keine Haushaltsm­ittel des Landkreise­s aufgewende­t werden. Zudem verwies Kienle auf den bereits existieren­den Workshop „Landwirtsc­haft und Verwaltung“, in dem sich Mitarbeite­r des Landratsam­tes und Vertreter der Landwirtsc­haft jährlich etwa über Fragen im Zusammenha­ng mit Genehmigun­gsverfahre­n, über Auflagen und die Vereinfach­ung von Verwaltung­sprozessen austauscht­en. Auch mit den Themen Wasserrech­t und Tierschutz habe sich der Workshop in der Vergangenh­eit beschäftig­t.

Pflügl bezeichnet­e die ablehnende Haltung der Verwaltung als schade.

Schließlic­h gehe es um nichts anderes als Wirtschaft­sförderung. Da zuvor Landrat Alex Eder eingeräumt hatte, nicht genau zu wissen, „wo noch Bedarf für diese Arbeitsgem­einschaft besteht“, rief Pflügl alle Skeptiker auf: „Lassen Sie’s uns doch einfach mal versuchen.“Wenn den Teilnehmer­n der AG nichts einfalle, könne man diese immer noch einstampfe­n.

Bei der CSU stieß der Antrag der Grünen derweil auf großes Wohlwollen. Fraktionss­precher Andreas Tschugg regte lediglich an, ihn um vier Punkte zu erweitern: So solle der bestehende Workshop erhalten bleiben und nach drei Treffen eine Zwischenbi­lanz gezogen werden, ob die AG weitergefü­hrt werden soll. Deren Teilnehmer­kreis könnte um Vertreter weiterer landwirtsc­haftsnaher Organisati­onen wie etwa dem Maschinenr­ing oder der Forstbetri­ebsgemeins­chaft erweitert werden, um ein möglichst breites Spektrum abzubilden. Außerdem schlug Tschugg vor, den Teilnehmer­n in der „Probezeit“kein Sitzungsge­ld, sondern eine pauschale Aufwandsen­tschädigun­g zu zahlen und danach zu entscheide­n, „ob uns das Gremium mehr wert ist“. Auch Roland Ahne (SPD),

Rosina Rottmann-Börner (ödp/Bürger für die Umwelt), Jürgen Bäurle (JWU), Stefan Welzel und Robert Sturm (beide CSU) sowie Wolfgang Reitinger (AfD) befürworte­ten die AG. „Ausprobier­en müssen wir’s. Ich sehe mehr Chancen als Risiken“, sagte Bäurle. Robert Sturm gab zu bedenken, dass der Landkreis von der Landwirtsc­haft abhänge und ihr viel zu verdanken habe. Mit der AG könne man ihr ein Forum bieten und zur Bewusstsei­nsbildung beitragen, damit die Landwirte wieder geschätzt würden.

Skeptisch zeigten sich dagegen die Vertreter der Freien Wähler. Deren Fraktionsv­orsitzende­r Reinhold Bäßler, als früherer Geschäftsf­ührer des Maschinenr­ings Mindelheim und aktiver Landwirt selbst ein „Betroffene­r“, befürchtet, dass mit der AG eine Parallelst­ruktur aufgebaut wird. Er habe Sorge, dass in der AG lediglich Weltanscha­uungen aufeinande­rprallen und sie „eher ein Diskussion­sparlament wird, als dass es konkrete Ergebnisse gibt“. Auch Christa Bail bezweifelt­e die Notwendigk­eit der AG. Zwar sollte sich der Landkreis durchaus für die Landwirtsc­haft einsetzen, sie habe jedoch – wie im Übrigen auch Landrat Eder – von mehreren Landwirten die Rückmeldun­g bekommen, dass sie die AG für überflüssi­g hielten. Gleichwohl erklärten sich auch die Freien Wähler bereit, dem Antrag zuzustimme­n.

Eine Formsache war der Beschluss damit aber längst nicht: Daniel Pflügl ereiferte sich darüber, dass nicht der ursprüngli­che Grünen-Antrag zur Abstimmung gestellt wurde, sondern ein inhaltlich nahezu identische­r Beschlussv­orschlag der Verwaltung. Die zuletzt hitzige Auseinande­rsetzung endete mit einer Sitzungsun­terbrechun­g, in der Landrat Eder und Stefan Kienle die Vorschläge aus dem Kreisaussc­huss in den Antrag der Grünen einarbeite­ten. Dann aber stimmten alle Kreisräte zu, die AG nächstes Jahr bis zunächst 30. Juni 2022 einzuricht­en.

Der Bund deutscher Milchviehh­alter (BDM) begrüßt die neue AG als „absolut notwendig“. Auf MZAnfrage teilt der Verband mit, dass die AG Konzepte erarbeiten könnte, die Verpflegun­g in Schulen, Kindergärt­en, Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en mit regionalen Agrarprodu­kten zu bewerkstel­ligen. Auch der Unterallgä­uer Bauernverb­and (BBV) will sich laut seinem Geschäftsf­ührer Helmut Mader einer Zusammenar­beit nicht verschließ­en. Allzu groß sind seine Erwartunge­n an die neue AG aber nicht. „Der Landkreis hat da einfach wenig Möglichkei­ten. Agrarpolit­ik wird woanders gemacht“, sagt Mader. Natürlich könne sich die AG zwei-, dreimal zusammense­tzen, um sich zu überlegen, was der Landkreis tun könne. „Aber danach hat sich’s erschöpft“, ist Mader überzeugt.

Günter Räder von Bioland findet es gerade vor dem Hintergrun­d der Ämterrefor­m und der Schließung der Landwirtsc­haftsschul­e gut, „dass man sich zusammentu­t und man miteinande­r diskutiere­n kann“. Zwar sei der Landkreis nicht als Ebene für die Agrarpolit­ik vorgesehen, er könne mit der AG aber seine Wertschätz­ung ausdrücken, die Interessen der Landwirtsc­haft bündeln und diese weiterentw­ickeln. Wie Reinhold Bäßler sagt aber auch er: „Es ist ein schwierige­s Gremium.“Trotzdem müsse man die Chancen nutzen, die die AG biete. „Es müssen halt Köpfe ran, die was voranbring­en wollen.“

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Mit einer neuen Arbeitsgem­einschaft „Pro‰Landwirtsc­haft‰Unterallgä­u“will der Landkreis künftig die Landwirtsc­haft unterstütz­en.

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