Eine rabiate Art, Geld einzutreiben
Prozess Weil er einem 16-Jährigen 120 Euro schuldet, bekommt ein Sontheimer Besuch von einer Gruppe Jugendlicher. Zumindest zwei Täter kommen nicht ungeschoren davon
Memmingen/Sontheim „Ihr habt wohl ein paar amerikanische Filme gesehen? Aber nicht mal in Amerika kann man so etwas machen, nicht einmal unter Trump“, stellt Jugendrichter Markus Veit bei einer Verhandlung am Amtsgericht klar. Dort müssen sich fünf Angeklagte verantworten – wegen Körperverletzung, Nötigung und Diebstahl.
Was haben die vier jungen Burschen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren und eine 20-jährige Heranwachsende angestellt? Staatsanwältin Patrizia Rabe blickt beim Verlesen der Anklageschrift auf den 21. April zurück. Ein junger Mann mit Wohnsitz in Sontheim schuldet dem jüngsten der Angeklagten, einem 16-Jährigen, 120 Euro. Doch er kann oder will nicht zahlen. Also verpasst ihm der 16-Jährige einen Faustschlag. Sein Geld aber bekommt er trotzdem nicht.
Dann schart der 16-Jährige mehrere Freunde um sich. Insgesamt acht junge Leute erscheinen am späten Abend, kurz nach halb zehn, vor der Wohnung des Schuldners. Der Hund schlägt an, also macht sein jüngerer Bruder auf. Dass sein Bruder nicht da sei, glaubt ihm die
Gruppe nicht, erzählt er vor Gericht als Zeuge. Der 16-Jährige will die Erlaubnis, das Haus zu betreten, um selbst im Zimmer des Bruders nachzusehen. Das ginge nicht, wird ihm entgegen gehalten. Wenn sein Bruder doch zuhause sei, könne er ja auf den Kontrollierenden losgehen. „Na gut, dann sollen halt zwei in die Wohnung kommen und nachschauen“, soll es geheißen haben.
Unvermittelt ändert sich dann offenbar die Situation. „Plötzlich standen fünf Leute im Zimmer meines Bruders“, schildert der Bruder dem Gericht. Er habe sich nicht getraut, sie zum Verlassen der Wohnung aufzufordern. Und er habe tatenlos mit ansehen müssen, wie die fünf den Fernseher und ein Notebook seines Bruders mitgenommen hätten. Beim Verlassen des Grundstücks hätten sie auch noch einige Blumentöpfe umgetreten. Wie das auf ihn gewirkt habe, wird der Zeuge gefragt. „Na ja, groß Angst habe ich nicht gehabt!“Und seine Mutter, die ihn in den Gerichtssaal begleitet, ergänzt ungefragt: „Die sind gleich am nächsten Tag gekommen und haben sich entschuldigt.“
Fernseher und Notebook werden von der Polizei im Auto der 20-Jährigen gefunden. Der Sachverhalt wird von allen fünf Angeklagten eingeräumt. Aber wer die Gegenstände nun tatsächlich aus dem Haus getragen hat, lässt sich nicht klären. Richter Veit ist es auch scheinbar egal. Er erklärt den Angeklagten stattdessen, was unter „Mittäterschaft“zu verstehen ist.
Und der Faustschlag im Vorfeld? Das sei nicht wirklich was gewesen, bestätigen der Geschädigte und der 16-Jährige unisono. „Also“, sagt Rechtsanwalt Michael Bogdahn, der einen 17-jährigen Jugendlichen vertritt, „haben sich alle wieder lieb.“
Wofür die 120 Euro denn geschuldet worden seien, will Staatsanwältin Rabe von dem Geschädigten wissen. Das wolle er nicht sagen, bedeutet er mit einem vielsagenden Lächeln.
Jugendrichter Veit mutmaßt, dass es um Drogengeschäfte geht, hakt aber nicht näher nach. Er schlägt die Einstellung des Verfahrens gemäß dem Jugendgerichtsgesetz vor. Veit hält ein Urteil für entbehrlich, weil alle fünf geständig seien.
Ganz ungeschoren aber kommen die Angeklagten nicht davon. Der Initator des „Inkasso-Unternehmens“und ein 17-Jähriger, der schon einen Eintrag im Bundeszentralregister vorzuweisen hat, müssen jeweils 400 Euro Geldbuße zahlen – und zwar bis spätestens zum Jahresende an den Förderverein der Mittelschule Mindelheim. Die drei anderen kommen mit je 200 Euro davon.