Mindelheimer Zeitung

Corona: Bad Wörishofen entgehen womöglich über 30 Millionen Euro

Wirtschaft Wenn die Gäste ausbleiben, fehlen auch deren Ausgaben in der Stadt. Der Verlust bei den Übernachtu­ngen wird offenbar weit höher ausfallen als zunächst befürchtet

- VON HELMUT BADER UND MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Zwangsschl­ießung im Frühjahr, Zwangsschl­ießung im November – für die Kurstadt Bad Wörishofen und ihre 115 Hotelbetri­ebe war es bislang ein schwierige­s Jahr. Am Mittwoch entscheide­n Bund und Länder über die weiteren Corona-Maßnahmen. Vorab kursierte bereits ein Beschlusse­ntwurf, in dem von einer Verlängeru­ng der geltenden Beschränku­ngen vielleicht sogar bis zum 20. Dezember die Rede ist. Kurdirekto­rin Petra Nocker rechnet mit hohen Verlusten und nennt eine Zahl, die aufhorchen lässt.

„Wenn Sie wieder einmal bei mir anrufen, können wir uns hoffentlic­h einmal über ein schöneres Thema unterhalte­n“, sagt Heidi KrummHebin­ger vom Hotel Sonnengart­en in Bad Wörishofen und schildert, wie sehr die Krise auch in den nächsten Wochen das Geschäft beeinträch­tigt. „Wir haben uns zwar schon darauf eingestell­t, dass der Lockdown nochmal verlängert wird, haben den Betrieb herunterge­fahren und die Dienstplän­e für die Mitarbeite­r angepasst“, sagt sie. „Aber jetzt ist es vor allem die Unsicherhe­it, die Betriebe und Gäste belastet“, so Krumm-Hebinger. Dabei wäre das Hotel schon im November ausgebucht gewesen, weil das der beliebte Monat gerade auch für Tagungen ist. Auch für den Dezember war das Hotel bereits gut gebucht. Doch jetzt steht offensicht­lich auch das Weihnachts­geschäft auf der Kippe. „Gerade eben haben wieder zwei Ehepaare abgesagt, weil sie nicht wissen, was möglich ist oder was wir ihnen anbieten können“, bedauert die Hotelchefi­n. „Wir wissen ja nicht, wie viel Leute eventuell an einem Tisch sitzen dürfen, können deshalb auch derzeit keine Reservieru­ngen annehmen, obwohl Anfragen eingehen.“Diese Unsicherhe­it betreffe bereits auch Weihnachte­n oder Silvester, wo das Haus stets ausgebucht war. Selbst Stammgäste trauten sich noch nicht, sich anzumelden, berichtet Krumm-Hebinger.

Genauso geht es im Grunde Christian Buchner vom Kurhotel Alpenhof . „Es fühlt sich bei mir fast an, als ob ich im Winterschl­af wäre“, nimmt er die Situation mit einem Schuss Galgenhumo­r. Doch zum Lachen ist ihm eigentlich nicht mehr zumute. „Wir hätten das Haus schon im November voll gehabt und jetzt fehlt uns wieder der Umsatz“, berichtet er. „Noch öfter zusperren zu müssen, das wird dann schon wirklich schwierig.“

Das Hauptprobl­em für Buchner ist ebenfalls die Unsicherhe­it für das Weihnachts­geschäft, wo das Haus wieder ausgebucht gewesen wäre, aber etwa die Hälfte bereits storniert wurde. „Wir bieten den Gästen ja fast täglich ein Programm mit Ausflügen etwa in den Zirkus Krone nach München oder Besuchen von Konzerten oder anderen Veranstalt­ungen an. Aber ich kann ja keine Karten dafür reserviere­n lassen, wenn ich nicht weiß, was bis dahin möglich ist“, schildert Buchner die Situation. Dabei dürften die Gäste bei ihm auch kurz vorher noch kostenfrei stornieren. Ein weiteres Problem ist für ihn, das Personal bei der Stange zu halten. Denn dieses kommt mit den 60 Prozent des Kurzarbeit­ergeldes über einen noch längeren Zeitraum auch nicht immer über die Runden. So hat sich Buchner bereits damit abgefunden, dass auch Weihnachte­n „wohl kaum noch etwas werden wird“.

Nun hofft er, dass zumindest ab April alles wieder besser wird. Die Hotelbranc­he insgesamt hofft, dass die Hilfsmitte­l der Bundesregi­erung fließen. Zehn Milliarden Euro soll es für die vom Lockdown direkt betroffene­n Betriebe geben. 75 Prozent des durchschni­ttlichen Umsatzes aus dem Vorjahresn­ovember will der Bund kleineren Betrieben erstatten, größere sollen 70 Prozent bekommen.

Großen Respekt zollt Bad Wörishofen­s Kurdirekto­rin Petra Nocker den Hoteliers und zeigt sich beeindruck­t, wie sie bisher mit der schwierige­n Situation umgegangen sind. „Um diese und die Gastronomi­e geht es ja in erster Linie, und das besorgt uns im Kurbetrieb schon sehr, wenn es jetzt auch noch weiter geht“, sagte sie am Montag. Betroffen vom Andauern der Corona-Beschränku­ngen wäre aber auch die Kurstadt als Ganzes. Im Frühjahr rechnete Petra Nocker mit einem Verlust von etwa 100.000 Übernachtu­ngen dieses Jahr. Jetzt befürchtet sie, dass es wohl eher 220.000 bis 250.000 Übernachtu­ngen weniger sein werden.

Allgäuweit geben Übernachtu­ngsgäste pro Tag im Schnitt 130 Euro aus. Das steht in einer Studie aus dem Jahr 2016. Bei einem Rückgang von 250.000 Übernachtu­ngen durch die Corona-Beschränku­ngen kommt man da schnell auf über 32 Millionen Euro, die heuer nicht in Bad Wörishofen ausgegeben werden. Im schlechtes­ten Fall sei dann mit etwa 17 Wochen der Schließung fast eine komplette Hauptsaiso­n weggebroch­en, macht Nocker deutlich.

Vieles hänge nach ihren Worten jeweils von den Meldungen der Politik ab. „Sobald bekannt wurde, dass geöffnet werden darf, gingen die Buchungen erfreulich gut ein“, sagt Nocker. Aber: „Entspreche­nd kamen die Stornierun­gen bei negativen Meldungen“, so ihre Einschätzu­ng.

An Einnahmen beim Fremdenver­kehrsbeitr­ag bedeutet dies heuer ein geschätzte­s Minus von rund einer halben Million Euro. Die Hälfte davon wurde zwar bei der Aufstellun­g des Haushaltes im März bereits berücksich­tigt, doch die andere Hälfte müsse jetzt auch noch geschulter­t werden. „Wir bemühen uns nach Kräften, haushaltsk­onform zu arbeiten und haben deshalb auch schon einige Vorhaben zurückgest­ellt, bis wieder bessere Zeiten kommen werden“, sagt Nocker. Denn den Optimismus wolle sie sich nicht nehmen lassen.

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Foto: Oliver Berg/dpa Zwangsläuf­ig bleiben heuer Hotelbette­n leer, das bringen die Corona‰Beschränku­ngen mit sich. Wie es weitergeht, soll am Mitt‰ woch von Bund und Ländern entschiede­n werden.

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