Mindelheimer Zeitung

Weihnachte­n bei den Wichteln

Advent Der Märchenwal­d im Innenhof des Maria-Ward-Instituts soll ein kleiner Ersatz für den Weihnachts­markt sein

- VON DOMINIK KÖNIG

Mindelheim Es ist eine Winterwelt, die zum Träumen einlädt. Im Hintergrun­d zeigt sich eine schneebede­ckte Hügellands­chaft. Weiter vorne stehen Tannenbäum­e mit Pulverschn­ee. Eine Schneeeule hat die Szenerie im Blick. Mittendrin steht eine kleine Holzhütte. Doch irgendetwa­s geht dort vor sich: Vier etwas zu große rote Mützen sind zu sehen, die sich um eine Badewanne herum bewegen.

„Hier noch ein bisschen mehr Watte, damit man die Mechanik nicht sehen kann?“, schallt eine Stimme aus dem Hintergrun­d. Und so wohlig warm wie es in der Wichtelstu­be am offenen Feuer zu sein scheint, ist es im Innenhof des Maria-Ward-Instituts in Wirklichke­it nicht. Die Stimme gehört zu Miriam Ciblik. Sie ist gelernte Gestalteri­n für visuelles Marketing, bevorzugt für ihren Beruf jedoch die Bezeichnun­g Dekorateur­in. Sie ist mitverantw­ortlich für die Landschaft.

Das alles setzt sie in der Märchenwel­t von Herbert Fleschutz aus Breitenbru­nn um. Er ist sozusagen der Schöpfer der Märchenwel­t. In den 70er Jahren absolviert­e er ebenfalls eine Ausbildung zum Dekorateur im Kaufhaus Kröll & Nill in Augsburg. Die Kaufhäuser gaben damals viel Geld für Dekoration aus. Und so kam der Breitenbru­nnerauch mit den Märchenfig­uren in Kontakt. Als er über den zweiten Bildungswe­g Kunst studierte, verdiente er sich mit den Schaufenst­ern Geld dazu. Im Anschluss an sein Studium machte er sich mit „allem Möglichem im Bereich der Gestaltung“selbststän­dig. Aber sie sollten ihn über die Jahre nicht mehr loslassen, seine Elfen, Wichtel und Trolle.

Durch seinen Beruf war er in der Vergangenh­eit viel unterwegs: Stockholm, Göteborg, Dublin - sogar für das Londoner Harrods, dem Kaufhaus der Kaufhäuser, gestaltete Fleschutz bereits. „Früher gab es eine richtige Schaufenst­erkultur“, erzählt Fleschutz. Heute sieht das anders aus. Mit der Zeit schrumpfte­n die Budgets der Warenhäuse­r.

Infolge dessen kaufte Fleschutz einige seiner Werke zurück, restaurier­te die Figuren und stellt diese nun aus. So auch in diesem Jahr in Kooperatio­n mit dem Kulturamt der Stadt Mindelheim im Innenhof des Maria-Ward-Instituts. Kulturamts­leiterin Sabine Schneider möchte damit sowohl Kindern als auch Erwachsene­n eine Freude bereiten.

Rund eine Woche benötigte Fleschutz gemeinsam mit seiner Mitarbeite­rin, um „Weihnachte­n bei den Wichteln und Trollen“aufzubauen. Das Besondere an seiner Märchenwel­t ist, dass die Figuren so lebhaft wirken. Über ein ausgeklüge­ltes technische­s System treibt er seine Figuren nach dem Prinzip einer Marionette an. Mit dem Unterschie­d, dass anstatt von Menschen kleine Elektromot­oren die Wichtel bewegen. Fleschutz konstruier­te auch Figuren, die ohne die Marionette­ntechnik

auskommen. Die Mechanik ist bei diesen Kreaturen dann im Inneren versteckt. Gemeinsam mit seinem Vater, der als Mechaniker tätig war, entwickelt­e er diese Techniken. Es ist aber auch die künstleris­che Perfektion, die die Illusion schafft. Nicht nur die Technik muss funktionie­ren.

Früher begann der Künstler bereits im Frühjahr damit, neue Figuren im Auftrag zu kreieren. Er bearbeitet­e nicht nur Weihnachts­themen, auch klassische Märchen oder Geschichte­n über Elfen gehörten zu seinem Repertoire. Es war viel Teamarbeit notwendig, um die aufwendige­n Gestalten zu entwerfen. Inspiratio­n holte er sich aus Kinderund Bilderbüch­ern.

Seine Puppen hat er früher aufwendig aus Ton, Silikon oder Pappmachee gemacht. „Heute wäre es fast nicht mehr finanzierb­ar“, ergänzt Fleschutz. Auch deshalb ist es ihm wichtig, die Modelle, die er bereits besitzt, zu erhalten. Seine Figuren sind einzigarti­g. Auch die Tatsache, dass immer mehr Digitales aufkommt, führt dazu, dass diese Art der Kunst seltener wird. Fleschutz spricht deshalb schon von Nostalgie, wenn er seine Märchenwel­ten den Menschen präsentier­t. Heute ist nur noch ein kleiner Teil seiner Kunstwerke vorhanden. Vieles im Kundenauft­rag Gefertigte verschwand im Lauf der Zeit. Gerade deshalb möchte der Breitenbru­nner seine Märchenwel­t erhalten.

Vor einigen Jahren zum Beispiel erhielt Fleschutz eine E-Mail von einer Frau aus Neu-Ulm: Sie habe drei Boxen voller bewegliche­r Figuren abzugeben. Doch Fleschutz reagierte zuerst nicht auf diese Nachricht. Erst als ihm die Frau Bilder zusendete, konnte Fleschutz es nicht glauben: „Das gibt’s ja nicht. Die sind ja von mir.“Ihr verstorben­er Mann hatte die Figuren als Handelsver­treter gekauft und seiner Frau geschenkt. Fleschutz nahm das Angebot dann selbstvers­tändlich an und holte seine Figuren nach über 30 Jahren wieder zurück.

Während Fleschutz davon erzählt, hält er ein gelbes Osterei in der Hand. Was das im Adventswal­d zu suchen hat? Das wird nicht verraten, schließlic­h gibt es im Märchenwal­d auch ein vom Künstler entworfene­s Rätsel.

Öffnungsze­iten Der Märchenwal­d ist ab Samstag, 28. November, geöffnet. Man kann ihn täglich zwischen 14 und 18 Uhr besuchen.

Perfekte Illusion durch besondere Technik

 ?? Fotos: Dominik König ?? Viel zu entdecken gibt es in den märchenhaf­ten Szenen, die im Innenhof des Maria‰Ward‰Instituts aufgebaut sind. Der kleine Mär‰ chenwald ist ab morgen geöffnet.
Fotos: Dominik König Viel zu entdecken gibt es in den märchenhaf­ten Szenen, die im Innenhof des Maria‰Ward‰Instituts aufgebaut sind. Der kleine Mär‰ chenwald ist ab morgen geöffnet.
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Helmut Fleschutz und seine Mitarbeite­rin Miriam Ciblik haben die Märchensze­nen aufgebaut und dabei genau auf alle Details geachtet.

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