Mindelheimer Zeitung

Kleine Auszeiten im Alltag

Soziales Nicht selten ist die häusliche Pflege eine Herausford­erung für Betroffene und Angehörige. Ehrenamtli­che können sie dabei begleiten. Über zwei Frauen, die dadurch zu Freundinne­n wurden

- VON SABRINA KARRER

Klosterbeu­ren „Wenn die Renate da ist, dann wird viel gelacht“, sagt Resi Barth. Auch an diesem Nachmittag ist das so. Blechkuche­n, Kaffeetass­en und ein Blumentopf stehen auf dem Wohnzimmer­tisch, Schlagermu­sik klingt leise aus einer Ecke. Und am Haltegriff des Krankenbet­ts neben dem Fenster hängt ein Traumfänge­r. Resi Barth ist am Lipödem erkrankt, einer Fettvertei­lungsstöru­ng. Ihre Beweglichk­eit ist stark eingeschrä­nkt – und damit ihr Alltag. Renate bringe Schwung ins Haus, sagt die 61-Jährige.

Renate Miconi ist ehrenamtli­che Begleiteri­n für Familien, die zu Hause Angehörige pflegen. Sie und rund 45 andere Freiwillig­e bilden zusammen einen Helferkrei­s. Dessen Koordinato­rin und Ansprechpa­rtnerin ist Ludwina Schedler von der Fachstelle für pflegende Angehörige im Landkreis Unterallgä­u. Die Ehrenamtli­chen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Pflegebedü­rftigen ein bisschen Abwechslun­g im Alltag zu bescheren und vor einem Gefühl der Einsamkeit zu bewahren. Gleichzeit­ig ist es ihr Ziel, Angehörige zu entlasten und ihnen ein paar Stunden nur für sich zu ermögliche­n – Zeit, in der sie einem Hobby nachgehen oder Dinge erledigen können, die sonst aufgeschob­en werden. „Es geht um kleine Hilfen im Alltag“, erklärt Ludwina Schedler. „Das Angebot soll keine Konkurrenz zu einem Pflegedien­st sein.“Bei regelmäßig­en Treffen reflektier­en die Ehrenamtli­chen ihre Erfahrunge­n und Erlebnisse. Schedler versucht dabei, Unsicherhe­iten zu nehmen.

Renate Miconi und Resi Barth kannten sich zuvor nicht besonders gut, „vielleicht vom Sehen“, sagen sie. Dabei kommen sie aus benachbart­en Orten: Barth aus Klosterbeu­ren, Miconi aus Winterried­en. Seit etwa eineinhalb Jahren sind sie Freundinne­n. Sie fahren in ein Café oder zum Einkaufen, sie basteln, backen, ratschen, machen Scherze. Manchmal schimpfen sie auch gemeinsam über etwas. Das gehöre doch dazu, sagt Barth und lacht.

„Da haben sich zwei gefunden“, ergänzt ihr Mann Anton mit einem Augenzwink­ern. Er beschreibt, wie hilfreich die Unterstütz­ung ist: „Das Paket passt jetzt einfach, mit Renate, dem Pflegedien­st, der Physiother­apie ...“Er hat festgestel­lt: „Resi ist irgendwie ausgeglich­ener, wenn Renate da war.“Als seine Frau noch selbst Klosterarb­eiten herstellte, eines ihrer Hobbys, da sei das auch immer so gewesen, erinnert er sich.

Wie berichtet, bietet Ludwina Schedler Schulungen an und versucht, Teilnehmer für eine anschließe­nde ehrenamtli­che Tätigkeit zu gewinnen. Manchmal funktionie­rt das – wie bei Renate Miconi. Die 58-Jährige hat vor ein paar Jahren in Babenhause­n einen Demenzbegl­eipositive terkurs absolviert. Sie habe dabei mehr über den richtigen Umgang mit Demenz erfahren. Eine Weile nach dem Kurs sei sie dann von einer Verwandten, die in der Pflege arbeitet, „angestupft“worden. Sie habe erzählt, dass sie da eine nette Frau kenne. So kam der Kontakt in diesem Fall zustande. „Normalerwe­ise schaue ich, wer zu wem passen könnte, und vermittle“, sagt Schedler.

Miconi arbeitet halbtags und nimmt sich danach an bestimmten Tagen Zeit für die Besuche in Klosterbeu­ren. „Ich warte schon immer darauf“, sagt Resi Barth. Am Montag schreiben sich die Frauen und diskutiere­n, was sie an dem nächsten Nachmittag machen könnten, den sie zusammen verbringen. Auch ein Ausflug ist möglich, was ohne Hilfe wohl nicht mehr denkbar wäre: „Sie hilft mir aus dem Auto, zu ihr hab ich Vertrauen“, sagt Barth. Diese

Einstellun­g gegenüber dem durch die Krankheit veränderte­n Alltag tut auch Miconi gut. „Sie hockt nicht da und jammert“, sagt sie über die Klosterbeu­rerin. „Wir haben einen Draht zueinander.“

Die Ehrenamtli­chen bekommen eine kleine Aufwandspa­uschale, informiert Schedler. Personen in häuslicher Pflege haben ihr zufolge Anspruch auf einen Betreuungs­und Entlastung­sbetrag. Das Geld ist für Leistungen da, die pflegende Angehörige oder vergleichb­ar Nahestehen­de in ihrer Eigenschaf­t als Pflegende entlasten.

Ebenfalls genutzt werden kann der Betrag, um die Selbststän­digkeit und Selbstbest­immtheit der Pflegebedü­rftigen ihrer Alltagsges­taltung zu fördern.

Info im Internet: www.stmgp.bayern.de/pflege www.landratsam­t‰unterallga­eu.de

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Foto: Jens Kalaene/dpa Ehrenamtli­che können Familien, die einen Angehörige­n pflegen, im Alltag begleiten und so entlasten.

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