Mindelheimer Zeitung

Es geht um viel Geld

Finanzen Trotz Corona erreichen die Investitio­nen des Landkreise­s ein neues Rekordhoch. Nicht nur deshalb gibt es bei der Verabschie­dung des Haushaltsp­lans eine Menge Lob. Zwei Fraktionen verweigern ihm allerdings die Zustimmung

- VON SANDRA BAUMBERGER

Im Jahr 2021 gibt der Landkreis Unterallgä­u so viel Geld aus, wie noch nie. Mehr über die Haushaltsb­eratungen im Kreistag lesen Sie heute auf

Mindelheim Auf der Leinwand des großen Saals im Mindelheim­er Forum erscheint Kreiskämme­rer Sebastian Seefried. Wegen einer Corona-Infektion wird er der Sitzung des Kreistags per Videotelef­onie zugeschalt­et. Nach all den Vorberatun­gen der vergangene­n Monate fasst er ein letztes Mal die wesentlich­en Punkte des Haushaltsp­lans zusammen, den der Kreistag an diesem Vormittag verabschie­den wird – und zwar anders als in den beiden Vorjahren nicht einstimmig.

„Das war ein Haushalt mit nicht ganz einfachen Rahmenbedi­ngungen“, sagt Seefried mit Blick auf die Pandemie und ihre finanziell­en Auswirkung­en: Ohne die Ausgleichs­zahlungen von Bund und Freistaat wären die Steuereinn­ahmen der Gemeinden um 16 Millionen Euro gesunken, so aber kletterten sie sogar auf einen Rekordwert. Ebenfalls rekordverd­ächtig sind die Investitio­nen, die der Landkreis in diesem Jahr plant: Bei einem Haushaltsv­olumen von rund 191 Millionen Euro will er knapp 21 Millionen Euro investiere­n – zum Beispiel allein 6,3 Millionen Euro für die Kliniken in Mindelheim und Ottobeuren, 4,8 Millionen Euro für den Straßenbau und 4,5 Millionen Euro für die Digitalisi­erung an den Schulen. Schultern will der Landkreis all das, ohne auf sein Erspartes zurückzugr­eifen, und ohne neue Kredite aufzunehme­n. Im Gegenteil: Die Verschuldu­ng soll um mehr als vier Millionen Euro auf knapp 6,3 Millionen Euro sinken.

Möglich macht das die Sonderrück­lage Schuldenti­lgung, die für Landrat Alex Eder (Freie Wähler) vom Weitblick des vorigen Kreistags zeugt. Er sprach von einem „Haushalt, auf den man durchaus stolz sein kann“, mahnte aber auch zur Sparsamkei­t. „Wenn ich weniger einnehme, muss ich weniger ausgeben und nicht aufschiebe­n oder fremdfinan­zieren“, forderte er. Dass der Hebesatz der Kreisumlag­e nun wie berichtet nicht um 0,5 Prozentpun­kte angehoben wird, bezeichnet­e er als „schönes Signal für die Gemeinden“.

Auch Andreas Tschugg (CSU), war voll des Lobes. „Wir werden alle unsere Wünsche umsetzen, tilgen nebenbei in nicht unerheblic­hem Maße unseren Schuldenst­and und das alles, ohne dass wir an unsere Ersparniss­e müssen oder gar neue Schulden machen müssen“, sagte er. Insofern suche der Haushalt seinesglei­chen. Gleichzeit­ig sehe die CSU die neuen Rekordinve­stitionen aber auch kritisch: In den vergangene­n zehn Jahren seien die Investitio­nen um 125

Prozent gestiegen. Bei künftigen Ausgaben müssten deshalb Notwendigk­eit, Zeitpunkt sowie Finanzieru­ngsart und -dauer sehr kritisch hinterfrag­t werden. Er rechnete außerdem vor, dass die Personalko­sten zwischen 2011 und 2021 um 62 Prozent zugenommen haben. „Wir wer

den es uns auf Dauer nicht leisten können, pro Jahr den Stellenpla­n um 17 Köpfe zu erhöhen“, sagte er.

Das sah Daniel Pflügl (Grüne) anders: Die Brutto-Personalau­sgaben des Landkreise­s pro Einwohner lägen um rund 19 Prozent unter dem Landesdurc­hschnitt „Diesen Umstand sehen wir nicht unbedingt positiv.“Zwar lasse sich am Personal schnell am meisten sparen, doch wo gute Ergebnisse erzielt werden sollen, brauche es auch Personal, das nicht am Anschlag arbeite. Zudem warnte er davor, künftig bei den freiwillig­en Leistungen für die Vereine zu sparen. Sie leisteten oft einen wichtigen Beitrag für den sozialen Zusammenha­lt. Mit Blick auf das

Klinikbaup­rogramm, dessen Kosten in kürzester Zeit um ein Drittel gestiegen seien, bat er darum, „möglichst zeitnah eine solide und zumindest einigermaß­en realistisc­he Kostenschä­tzung in Angriff“zu nehmen.

Reinhold Bäßler (Freie Wähler) hob in seiner Rede ebenfalls die Kliniken hervor, die in ungewöhnli­chen Zeiten Außergewöh­nliches leisteten. Das sie solche Anstrengun­gen bewältigen können, sei nicht zuletzt der Fusion mit dem Klinikverb­und Allgäu zu verdanken. Mit der Beibehaltu­ng des Kreisumlag­e-Hebesatzes wollten die Freien Wähler ein deutliches Signal in Richtung Kommunen senden, so Bäßler. „Uns ist aber bewusst, das wir in den kommenden

Jahren innerhalb der kommunalen Familie große Anstrengun­gen unternehme­n werden müssen, um allen notwendige­n Aufgaben und damit Ausgaben gerecht zu werden.“

Jürgen Bäurle (JWU) bezeichnet­e die Investitio­nen in die Kliniken und die Bildung als „besonders erfreulich“. Hervorzuhe­ben seien auch die Anstrengun­gen, bis 2026 schuldenfr­ei zu sein. Und selbst wenn das wegen des Klinikprog­ramms erst zwei oder drei Jahre später gelingen sollte, habe der Haushalt „das Prädikat extraklass­e verdient“.

Nicht ganz so euphorisch war die AfD. Seine Fraktion habe lange darum gerungen, ob sie dem Zahlenwerk zustimme, sagte Wolfgang Rei‰

Als Gründe dafür führte er unter anderem die Beibehaltu­ng des Kreisumlag­e-Hebesatzes an, während gleichzeit­ig die Bezirksuml­age um 0,5 Prozentpun­kte steigt. „Uns erscheint es sachlich nicht gerechtfer­tigt, wenn der Finanzieru­ngsbedarf des Bezirks kritiklos anerkannt wird, dem Landkreis genau dieselbe Anerkennun­g aber versagt wird“, sagte er. Die Beibehaltu­ng des Hebesatzes bedeute, finanziell­e Belastunge­n in die Zukunft zu verschiebe­n. Die Fraktion gehe davon aus, dass die Kosten für die Klinikbaut­en weiter steigen werden und hätte es deshalb gerne gesehen, wenn im Haushalt mehr Geld für die Abfinanzie­rung eingeplant worden wäre.

Roland Ahne (SPD) bezeichnet­e die geplanten Investitio­nen als positives Signal an die heimische Wirtschaft. Im Großen und Ganzen sei der Entwurf zwar ausgewogen, bezüglich der Kreisumlag­e hätte sich die SPD aber eine solidere Finanzpoli­tik gewünscht. „ Jetzt 900.000 Euro in eine niedrig gehaltene Kreisumlag­e zu stecken, werden wir in den kommenden Jahren bereuen“, ist sich Ahne sicher. Er sieht auf den Landkreis eine weiter steigende Bezirksuml­age, höhere Kosten in der Jugendhilf­e, eine sinkende Umlagekraf­t der Gemeinden und explodiere­nde Baukosten bei den Kliniken. Weil diese Risiken im Haushalt nicht berücksich­tig würden, könne die SPD diesem nicht zustimmen.

Auch die Fraktion ÖDP/Bürger für die Umwelt trägt den Etatentwur­f nicht mit: Dieser sei „so auf Kante genäht, dass kein bzw. sehr wenig Spielraum für Unvorherge­sehenes gegeben ist“, sagte Rosina Rott‰ mann‰Börner. Auch freiwillig­e Leistungen erlaube er kaum. „Wir setzen mit dem Sparen also da an, wo es die Bürger vermutlich am meisten schmerzt, da wo Eigeniniti­ative, Ehrenamt, Engagement für die Gesellscha­ft vorherrsch­t“, sage sie.

Abschließe­nd verteidigt­e Otto Göppel (CSU), der Kreisverba­ndsvorsitz­ende des bayerische­n Gemeindeta­gs, die Beibehaltu­ng des Kreisumlag­e-Hebesatzes: Sollte der Staat den Kommunen nicht erneut unter die Arme greifen, werde Corona bei ihnen zwangsläuf­ig zu Mindereinn­ahmen führen. Als letztes Glied der kommunalen Familie könnten sie Investitio­nen nur aufschiebe­n oder streichen. In diesem Zusammenha­ng bezeichnet­e er das Entschuldu­ngskonzept des Landkreise­s zwar als gut, doch die Voraussetz­ungen hätten sich geändert. Es dürfe deshalb kein Tabu sein, Investitio­nen des Landkreise­s künftig auch wieder über Kredite zu finanziere­n.

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Foto: Sandra Baumberger Im Mindelheim­er Forum haben die Kreisräte den diesjährig­en Haushalt des Landkreise­s verabschie­det, anders als in den beiden Vorjahren aber nicht einstimmig. Kreiskäm‰ merer Sebastian Seefried war der Sitzung wegen einer Corona‰Infektion per Videotelef­onie zugeschalt­et. tinger.
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