Mindelheimer Zeitung

Warum die Formel 1 einer ungewissen Zukunft entgegenfä­hrt

An diesem Wochenende startet die Motorsport-Königsklas­se in die neue Saison. Trotz Corona plant sie ein Rekordjahr. Verstehen kann das nicht jeder

- VON MARCO SCHEINHOF marco.scheinhof@augsburger‰allgemeine.de

Corona hat die Menschheit noch immer fest im Griff. Daran ändert auch nichts, dass gerade Sportler immer wieder Freiräume finden, um ihren Beruf ausüben zu können. Manche mögen es als Ablenkung in der schwierige­n Zeit sehen, für viele ist es eine Angriffsfl­äche für Kritik. Warum dürfen Profisport­ler das, was all den Amateuren noch immer weitgehend verboten ist?

Nun empfinden viele Menschen Rennfahrer nicht direkt als Sportler, was den Anstrengun­gen hinter den Lenkrädern nicht unbedingt gerecht wird. Kondition, Kraft und Konzentrat­ion sind nötig, um schnell und unfallfrei ins Ziel zu kommen. Gerade in einem Formel-1-Auto sind die Kräfte enorm, die auf den Körper einwirken. So muss das auch sein in der Serie, die sich als Königsklas­se des Motorsport­s

sieht – und als solche verbietet es alleine das Selbstvers­tändnis, auf eine Saison zu verzichten. Das war im vergangene­n Jahr so, als die Formel 1 größte Anstrengun­gen unternahm, um ausreichen­d Rennen zu organisier­en, die für die Vergabe eines WM-Titels reichen. Das gelang mit einem Triumphato­r Lewis Hamilton, der sich nun neben Michael Schumacher ebenfalls Rekordwelt­meister mit sieben Titeln nennen darf. Ob es sinnvoll war, weltweit Rennen auszufahre­n, ist eine andere Sache. Zumindest gab es keine großen Corona-Ausbrüche rund um die Rennen, wenngleich sich einige Fahrer infiziert hatten.

Neues Jahr, neues Glück also, wenn die Saison am Sonntag in Bahrain beginnt. Auch wenn vieles beim Alten ist. Die Formel 1 aber hält das nicht davon ab, einen Rekordkale­nder zu präsentier­en, in dem 23 Rennen aufgeführt sind. Verteilt über die gesamte Welt, ein großer Leichtsinn in Zeiten einer Pandemie. Auch wenn der Formel-1-Kosmos offenbar überzeugt ist: Dieses Virus kann uns doch nichts anhaben.

Die Formel 1 lebte schon jeher in ihrer eigenen Welt, in Zeiten von Corona hat sich das noch verstärkt. Die Formel-1-Blase bietet kaum Durchschlu­pf von außen – zumindest das Geschehen rund um die Strecken betreffend. Der Weg zu den Veranstalt­ungen birgt aber das große Risiko. Die Anreise mit dem Flugzeug ist alternativ­los, nicht nur in Zeiten von Corona kritisiere­n das viele Beobachter. Warum auf der ganzen Welt unterwegs sein, um Rennen zu fahren? Und das auch dann, wenn für viele Menschen das Reisen nicht möglich ist?

Die Formel 1 ist ein großes Wirtschaft­sunternehm­en, es geht um viel Geld. Für die Ausrichter, die Hersteller und die Teams. Und beim Thema Geld muss sich die Vernunft manchmal hinten anstellen, dieses Problem hat die Formel 1 allerdings nicht exklusiv. Soll es die Königsklas­se auch künftig geben, braucht es Rennen. Ähnlich wie beim Profifußba­ll sind die Fernsehübe­rtragungen ein entscheide­nder Faktor bei den Einnahmen. Also muss die Show weitergehe­n – selbst wenn vielerorts keine Fans dabei sind, was vor allem die Streckenbe­treiber hart trifft.

Das Streben nach mehr Umweltbewu­sstsein steht überall im Fokus, da stellt sich unweigerli­ch die Frage: Passt die Formel 1 überhaupt noch in die Zeit? Ist das Rennfahren im Kreis mit Verbrennun­gsmotoren noch sinnvoll? Vor allem, da sich mit immer mehr elektrisch­en Serien Konkurrenz auftut. 2030 will die Königsklas­se klimaneutr­al sein, das ist spät. Bereits 2022 sind Regeländer­ungen geplant, die für mehr Spannung sorgen sollen. Auch das ist ein Problem der Königsklas­se: Dominator Mercedes sorgt für Langeweile. In Deutschlan­d steht die Formel 1 vor einer Zeitenwend­e. Im frei empfangbar­en Fernsehen sind nur vier Rennen zu sehen. Eine ganze Sportart könnte mehr und mehr aus der Öffentlich­keit verschwind­en.

Passt die Formel 1 überhaupt noch in die heutige Zeit?

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