Mindelheimer Zeitung

So viel Geld war mit den Masken‰Deals zu kassieren

Affäre Eine hessische Textilfirm­a soll rund 200 Millionen Euro eingenomme­n haben – mit der Hilfe zweier Abgeordnet­er. Die Dimension des Geschäfts erklärt auch die horrenden Provisione­n. Was geschieht nun mit Alfred Sauters Spende?

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

Augsburg Die dubiosen Masken-Geschäfte von Politikern werfen abgesehen von der strafrecht­lichen und der moralische­n Komponente auch ein Schlaglich­t darauf, wie viel Geld mit Lobbyismus tatsächlic­h zu verdienen ist. Auf den ersten Blick mag es grotesk erscheinen, dass Alfred Sauter und Georg Nüßlein jeweils 1,2 Millionen Euro für eine im Aufwand doch recht überschaub­are Tätigkeit kassiert haben beziehungs­weise kassieren sollten. Erst recht vor dem Hintergrun­d, dass ja noch drei weitere Vermittler in die Deals involviert waren, denen offenbar ebenfalls siebenstel­lige Summen zugesagt worden sind. Doch für den hessischen Maskenhers­teller hat sich diese hohe Investitio­n trotzdem gelohnt.

Nach Recherchen unserer Redaktion verkaufte das Unternehme­n, dem der Bundestags­abgeordnet­e Nüßlein staatliche Aufträge zugeschanz­t haben soll, rund 55 Millionen Masken an verschiede­ne Ministerie­n und Behörden. Der Stückpreis lag demnach zwischen 3,70 und 3,80 Euro. Angesichts eines Gesamtvolu­mens von mehr als 200 Millionen Euro erklären sich dann auch die hohen Provisions­zahlungen von insgesamt fünf bis sechs Millionen Euro an die Helfer im Hintergrun­d. Der Landtagsab­geordnete Sauter hat selbst bestätigt, dass er in seiner Funktion als Anwalt zumindest für einen der Deals den Vertrag aufgesetzt hat. Es ging um ein Geschäft mit dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um. Dass diese Leistung allein 1,2 Millionen Euro wert gewesen sein soll, glauben die Ermittler nicht. Mit einem Anwaltshon­orar ist eine solche Summe jedenfalls kaum zu erklären. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass der frühere bayerische Justizmini­ster auch schon an der Anbahnung des Deals beteiligt war. Aus rechtliche­r Sicht geht es vor allem um die Frage, ob er seinen Status als Abgeordnet­er genutzt hat, um ein Geschäft in Gang zu bringen, an dem er wiederum als Anwalt Geld verdient hat.

Der 70-Jährige räumte zu Beginn der Ermittlung­en ein, dass er über das Honorar für seine anwaltlich­e Tätigkeit hinaus einen zusätzlich­en „Geldbetrag“bekommen hat. Nach Sauters Erzählung habe er dieses Geld nach Abzug aller Steuern von Anfang an spenden wollen. Zwar ist tatsächlic­h eine Spende bei einer Günzburger Stiftung eingegange­n. Allerdings erst am 8. März, als die Razzien bei Nüßlein und in der Geschäftss­telle des Günzburger CSUKreisve­rbandes

längst stattgefun­den hatten und auch Sauter schon ins Visier der Ermittler geraten war. Abgesehen davon bleibt die Frage, warum das Geld so nebulöse Umwege über Liechtenst­ein, die Karibik und eine Firma gehen musste, die Sauters Familie gehört und von seinem Günzburger Parteifreu­nd Manfred Krautkräme­r treuhänder­isch verwaltet wird, wenn Sauter ohnehin vorhatte, es ordentlich zu versteuern und einem guten Zweck zuzuführen.

Bei den anderen vier Vermittler­n sind die Provisione­n nicht oder zumindest nicht vollständi­g angekommen, nachdem die Liechtenst­einer Finanzaufs­icht Verdacht geschöpft hatte. Das Fürstentum will seinen Ruf als Steueroase und Spielwiese für Leute, die Geld waschen oder verschwind­en lassen wollen, loswerden. Das wurde Nüßlein zum Verhängnis. Er erhielt zwar 660000 Euro, doch eine solch hohe Zahlung an einen Abgeordnet­en kam der Bank komisch vor. Weitere Überweisun­gen wurden gestoppt, stattdesse­n erhielt die deutsche Justiz einen Tipp von den Liechtenst­einer Kollegen – damit kam die MaskenAffä­re ins Rollen.

Eigentlich hätte auch Nüßlein 1,2 Millionen Euro bekommen sollen. Wenn man das in Relation zu den 10 083,47 Euro Entschädig­ung setzt, die er als Abgeordnet­er monatlich bekommt, war das ein einträglic­hes Geschäft – allerdings eben moralisch fragwürdig und möglicherw­eise auch strafbar.

Wer in dem 200-Millionen-EuroGeschä­ft welche Rolle spielte und was aus dem restlichen Geld wurde, das in Liechtenst­ein hängen geblieben ist, ist noch Teil der Ermittlung­en. Es könnte noch auf Konten des Lobbyisten und Ex-Managers Thomas Limberger liegen, der die Provisione­n über ein komplizier­tes Firmengefl­echt an Nüßlein und Sauter weitergege­ben haben soll. Er selbst steht nun unter Bestechung­sverdacht und gehört zu den fünf Beschuldig­ten in dem spektakulä­ren Verfahren.

Unsere Recherchen und die Ermittlung­en der Generalsta­atsanwalts­chaft München belegen schon jetzt, wie viel Geld zu Beginn der Pandemie mit dem Handel von damals dringend gebrauchte­r medizinisc­her Schutzausr­üstung zu verdienen war. Sie zeigen aber auch, wie sicher sich Lobbyisten und Abgeordnet­e gefühlt haben müssen. Sauter hält den Verdacht gegen sich bis heute für „abenteuerl­ich“. Ob die Günzburger Bürgerstif­tung – die er übrigens selbst mitgegründ­et hat und deren Stiftungsr­atsvorsitz­ender Parteifreu­nd Krautkräme­r ist – die Spende von 470000 Euro behalten darf, erscheint fraglich. Krautkräme­r, der in dem Verfahren ebenfalls als Beschuldig­ter geführt wird, hat aber schon eine Idee. Er schrieb jetzt an die Stiftung: „Wenn die Bürgerstif­tung aufgrund der Gesamtumst­ände die Annahme der Spende ablehnt, haben meine Mandanten auch kein Problem damit, wenn die Spende auf das Konto, von dem sie kam, zurücküber­wiesen wird. Man wird dann über eine andere Verwendung entscheide­n.“Nur: Da wird die Generalsta­atsanwalts­chaft wohl noch ein Wörtchen mitreden wollen.

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Foto: dpa Zu Beginn der Pandemie waren Schutz‰ masken Mangelware.

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