Mindelheimer Zeitung

Streit ums Stäbchen

Corona Schüler sollen sich jetzt zwei Mal pro Woche selbst testen. Lehrer und Eltern tragen das im Grundsatz mit, doch es gibt auch Kritik. Woran sich die entzündet und welche Regeln künftig an Bayerns Schulen gelten

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Bei der Vorstellun­g, dass alle Schüler in einem Klassenzim­mer zeitgleich ihre Masken abnehmen und sich ein Wattestäbc­hen in die Nase schieben, könnte Günter Manhardt die Hände über dem Kopf zusammensc­hlagen. „Da ist das Infektions­risiko doch viel zu groß! Die Schüler fuchteln sich in der Nase herum und müssen womöglich niesen“, sagt der Schulleite­r des Schmuttert­al-Gymnasiums in Diedorf im Landkreis Augsburg. „Auf keinen Fall finden an unserer Schule diese Tests in den Klassenzim­mern statt. Sondern in der Sporthalle oder im Freien“, fügt Manhardt, der auch Sprecher der Schulleite­rinnen und Schulleite­r der Gymnasien in Schwaben ist, hinzu. Er und seine Kollegen im ganzen Freistaat sollen nach den Osterferie­n die neue Strategie der Staatsregi­erung umsetzen: Testen, was das Zeug hält.

Bund und Länder haben sich Anfang der Woche darauf verständig­t, dass die Corona-Tests für Schüler und Lehrkräfte ausgeweite­t werden, es solle baldmöglic­hst zwei Testungen pro Woche geben, heißt es im gemeinsame­n Beschluss von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und den Ministerpr­äsidenten der Länder. In Bayern sieht die Sache so aus: Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Landkreis unter der kritischen 100er-Marke, sind die Tests, die an den Schulen durchgefüh­rt werden, freiwillig – aber nachdrückl­ich empfohlen. Liegt sie darüber, dürfen am Präsenzunt­erricht nur Schüler teilnehmen, die entweder einen in der Schule gemachten negativen Selbsttest oder einen außerhalb der Schule von Fachperson­al durchgefüh­rten und höchstens 48 Stunden alten negativen PCRoder POC-Antigentes­t vorweisen können. Zum Hintergrun­d: Eigentlich müssen die Schüler bei einem

Wert von über 100 in den Distanzunt­erricht. Doch in den Abschlussk­lassen sowie in der vierten Klasse der Grundschul­e und den Jahrgangss­tufen 11 an Gymnasien, Fachobersc­hulen und Berufsober­schulen ist Präsenzunt­erricht mit Mindestabs­tand oder Wechselunt­erricht weiterhin möglich – eben mit negativem Test.

Die Ankündigun­g, dass sich Schüler künftig öfter testen sollen, löst Diskussion­en aus. Kritik gibt es vor allem daran, dass die Tests von den Schülern selbst gemacht werden sollen und dass sie an den Schulen durchgefüh­rt werden. Vom bayerische­n Kultusmini­sterium heißt es, die Tests seien so konzipiert, „dass sie die Schüler unabhängig von ihrem Alter eigenständ­ig durchführe­n können“. Schulen seien aber keine Testzentre­n, sondern Orte des Lernens und Lehrens, bemängelt etwa der Bayerische Philologen­verband, der die Lehrkräfte an Gymnasien und berufliche­n Oberschule­n vertritt. Generell unterstütz­t der Interessen­verband aber die Testoffens­ive: „Sich zu testen, muss zur Normalität werden. Diese Solidaritä­t können wir von jedem in der Gesellscha­ft einfordern“, sagt Michael Schwägerl, der Vorsitzend­e.

Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband hält die Tests für sinnvoll, fordert aber, dass sie durch Fachperson­al oder durch die Eltern – am besten zu Hause – durchgefüh­rt werden. „Weder ist der Gesundheit­sschutz der Lehrkräfte noch der Schülerinn­en und Schüler gewahrt, noch die Persönlich­keitsrecht­e der Kinder und Jugendlich­en im Falle eines positiven Tests im Klassenzim­mer“, heißt es in einem Brandbrief an Ministerpr­äsident Markus Söder.

Der Diedorfer Schulleite­r Manhardt berichtet im Gespräch mit unserer Redaktion, dass ihm einige Eltern gesagt hätten, dass sie Tests in der Schule ablehnen. „Sie haben Angst, dass ihr Kind das nicht vereinem kraften könnte, wenn es bei einem positiven Ergebnis sofort isoliert werden muss.“Er selbst kann auch nicht so recht verstehen, warum die Corona-Tests nicht zu Hause am Frühstücks­tisch gemacht werden können. „Das Problem beim Testen in der Schule ist doch, dass man die Schüler erst einmal mit dem öffentlich­en Nahverkehr fahren lässt, um danach vielleicht festzustel­len, dass sie ansteckend sind.“

Manhardt sieht noch ein anderes Problem: Seiner Ansicht nach müssten die Tests für alle Schüler verpflicht­end sein. Denn wenn nur wenige freiwillig mitmachten, sei die Schutzwirk­ung gering. „Insgesamt ist das ohnehin nur eine Behelfslös­ung. Angesichts des Infektions­risikos in den Schulhäuse­rn ist die einzig sinnvolle Lösung, schnell alle Lehrkräfte und Schüler zu impfen.“

Am Diedorfer Gymnasium sind – wie an vielen anderen Schulen in Bayern – bislang noch gar keine Tests angekommen. Für die Beschaffun­g und die Auslieferu­ng an die Kreisverwa­ltungsbehö­rden sei das Gesundheit­sministeri­um zuständig, erklärt das Kultusmini­sterium. Bis zum Ende dieser Woche sollen demnach 9,5 Millionen Tests ausgeliefe­rt sein.

Welchen Test seine Schule bekommt, weiß Schulleite­r Manhardt noch nicht. Doch das ist nicht ganz unerheblic­h. Manhardt zufolge sind derzeit zwei Tests auf dem Markt, mit denen sich die Schüler künftig testen können. Der eine ist von der Firma Roche, der andere von Siemens. Beim Test von Roche sei die Pufferlösu­ng zur Aufrechter­haltung eines stabilen pH-Werts bereits in den Reagenzglä­sern, sagt der Schulleite­r. „Jedes Kind kann sich also hinsetzen, den Abstrich in die Lösung tauchen und diese dann auf den Teststreif­en träufeln. Das ist deutlich handlicher als der Test von Siemens. Da muss man die Lösung erst in die Reagenzglä­ser umfüllen. Ein ziemlicher Aufwand.“

Bei der ganzen Debatte schwingt übrigens noch eine andere Frage mit – die, wie zuverlässi­g die Tests eigentlich sind. Dass es Probleme geben kann, zeigt ein Fall aus Altdorf bei Nürnberg. Bei einer Reihentest­ung am Leibniz-Gymnasium sind dort 29 von 180 Schnelltes­ts – keine Selbsttest­s – positiv ausgefalle­n. In diesen Fällen wurden zusätzlich­e PCR-Tests gemacht. Das Ergebnis: 28 von 29 Tests waren falsch-positiv, die Kinder waren also gar nicht infiziert. Einem Bericht des Portals nordbayern.de zufolge kann sich das zuständige Landratsam­t die hohe Fehlerquot­e nicht erklären, eine derartige Häufung falsch positiver Tests sei bisher noch nicht vorgekomme­n.

An vielen Schulen gibt es noch keine Tests

 ?? Foto: Holger John, dpa ?? Stäbchen rein, kurz warten und wissen, ob man für die Mitschüler und die Klassenkam­eraden zur Gefahr werden kann: Schüler sollen sich zwei Mal pro Woche selbst testen.
Foto: Holger John, dpa Stäbchen rein, kurz warten und wissen, ob man für die Mitschüler und die Klassenkam­eraden zur Gefahr werden kann: Schüler sollen sich zwei Mal pro Woche selbst testen.

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