Mindelheimer Zeitung

Klage wegen Maibaum: Wie weit fliegt Vogelkot?

Gericht Ein Mann im Allgäu will eine alte Tradition beenden, weil Vögel sein Grundstück vollkoten. Er ist deswegen vor Gericht gezogen. Nun braucht es ein Gutachten. Der Bürgermeis­ter ist genervt

- VON MORITZ VON LAER

Altusried Der Maibaum im Oberallgäu­er Altusried hält Bürgermeis­ter, Trachtenve­rein, Rechtsanwä­lte und das Amtsgerich­t Kempten auf Trab (wir berichtete­n). Besser gesagt, der Bürger, an dessen Grundstück der Maibaum traditione­ll aufgestell­t wird. Denn schon seit mehr als zehn Jahren klagt der Anwohner gegen die Gemeinde. Er beanstande­t, dass die Vögel, die sich auf dem geschmückt­en Baum niederlass­en, sein Grundstück vollkoten.

„Des isch a Schmarre, dass’s glei nimmr goht“, kommentier­t Franz Merk die Situation. Er ist Vorsitzend­er der „Koppachtal­er“, wie der Altusriede­r Trachtenve­rein heißt, der für das Maibaum-Aufstellen zuständig ist. Schon mehrmals habe er nachgemess­en: „Der Baum steht exakt 8,35 Meter von der Hauswand des Klägers weg.“Er bestreite gar nicht, dass es sich auf dem schmucken Baum immer wieder Stare bequem machten. Doch er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie die Vögel bis auf sein Grundstück koten sollen. „Das muss mir mal einer zeigen, dass so ein Vogel acht oder zehn Meter quer scheißt“, sagt Merk.

„Schon seit etwa 50 Jahren steht der Baum hier“, sagt Joachim Konrad, Bürgermeis­ter des Marktes. Auch er hat die Nase voll: „Das ist völlig daneben.“Er habe die Hoffnung gehabt, dass der Kläger durch die mediale Berichters­tattung in den vergangene­n Wochen seine Klage zurückzieh­e. „Das ist aber nicht der Fall.“Das Ansehen des Anwohners in Altusried leide darunter. „Es herrscht völliges Unverständ­nis im gesamten Ort“, sagt Konrad. Vor allem vor dem Hintergrun­d, dass der Maibaum sowieso ab spätestens Anfang 2024 auf dem neu entstehend­en Marktplatz stehen soll.

Das Amtsgerich­t Kempten, das den Fall behandelt, könne erst mit einem Gutachten eines Ornitholog­en einen Verhandlun­gstermin ansetzen, sagt Rechtsanwa­lt HansGünthe­r Eisele, der den Markt Altusried vertritt. „Der Kläger behauptet, dass die Vögel, die auf dem Maibaum sitzen, mit ihrem Kot die Photovolta­ikanlage, die sich auf der Südseite seines Hauses befindet, und auch die Hausfassad­e beschädige­n“, sagt Eisele. Dazu müssten die Vögel laut des Anwalts aber vom Maibaum westlich des Hauses ihren Kot bis zu zehn Meter quer durch die Luft befördern. Das müsse erst ein Vogelexper­te beobachten und nachweisen. „Der Kläger müsste hierfür einen Vorschuss in Höhe von 6000 Euro zahlen“, sagt Konrad.

Das kuriose Problem: Derzeit steht in Altusried gar kein Maibaum. Zumindest nicht in einer

Größe, als dass sich der klagende Bürger gestört fühlen könnte. Wegen Corona gebe es lediglich eine etwa ein Meter große Nachbildun­g, erklärt Franz Merk. Der Vorsitzend­e des Trachtenve­reins kann zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht sagen, ob Anfang Mai dieses Jahres das große Exemplar aufgestell­t wird: „Wir warten noch das Corona-Geschehen ab.“Und nur, um ein solches Gutachten durchführe­n zu können, stelle Merk den Baum „ganz sicher nicht“auf.

Bei einem letzten Schlichtun­gsgespräch im Oktober 2020 hatten Bürgermeis­ter Konrad und Franz Merk noch versucht, die Wogen zu glätten: „Wir haben dem Kläger mitgeteilt, dass der Baum spätestens 2024 auf dem neuen Marktplatz stehen soll“, sagt Konrad. Der Kläger habe darauf erwidert, dass er das akzeptiere­n könne, wenn er dafür zwei kostenlose Stellplätz­e von der Gemeinde bekomme. „Da war für uns dann der Ofen aus“, sagt Konrad.

Jetzt muss das Gutachten eines Ornitholog­en her

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Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d, dpa Franz Merk, Vorsitzend­er des Altusriede­r Trachtenve­reins, ärgert sich über die Klage gegen den Maibaum.

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