Mindelheimer Zeitung

„Kein Imam sollte ein Kind erziehen“

Interview Oguzhan Öktem gibt an bayerische­n Grundschul­en Islamunter­richt. Warum er das Fach so wichtig findet

- Symbolfoto: Alexander Kaya Interview: Andreas Dengler

Herr Öktem, der Islamunter­richt wird ab Herbst ein Wahlpflich­tfach. Wie finden Sie das?

Oguzhan Öktem: Ich bin sehr glücklich darüber. Das war für mich seit Jahren ein ersehntes Ziel.

Anders als der christlich­e Religionsu­nterricht wird der Islamunter­richt nicht bekenntnis­orientiert sein. Ist das ein Nachteil?

Öktem: Nein, ganz im Gegenteil. Ich finde es sogar gut, denn nur ein Lehrer und kein Imam sollte ein Kind erziehen. Moschee und Imam sind eine andere Einheit als Schule und Lehrer. In der Moschee können Kinder das Beten und das Lesen des Korans lernen. In der Schule liegt der Fokus auf der Erziehung.

Sie unterricht­en an zwei Pilotschul­en im Landkreis München. Was bringen Sie den Schülern bei?

Öktem: Ich vermittle den Kindern den Islam so, dass sie trotz ihres Glaubens in Europa gut integriert leben können. Neben Gebeten, Ritualen und Propheteng­eschichten gehören auch Werteerzie­hung und ethische Fragen zum Unterricht.

Was meinen Sie mit dem Begriff Werteerzie­hung?

Öktem: Es wird zum Beispiel erklärt, warum wir Osterferie­n haben oder Christen Weihnachte­n feiern. Mir ist es wichtig, dass die Schüler alle Religionen in Deutschlan­d kennenlern­en.

Was befähigt Sie zu dieser Vermittler­rolle zwischen den Kulturen und Religionen? Öktem: Ich kenne beide Kulturen durch und durch. Ich war in Deutschlan­d und in der Türkei sowohl Schüler als auch Lehrer.

Profitiere­n die muslimisch­en Kinder von dem Schulfach?

Öktem: Definitiv. Sie blühen auf und fühlen sich mit ihrem Glauben und ihrer Kultur aufgenomme­n.

Wie werden Sie der Vielfältig­keit des Islams in Ihrem Unterricht gerecht? Öktem: Ich lehre nur die Grundlagen, denen alle Muslime zustimmen, egal welche Wurzeln sie haben. Die verschiede­nen Traditione­n spielen für den Unterricht keine Rolle.

Was bewirkt der Unterricht für die Schulgemei­nschaft?

Öktem: Der Islamunter­richt und der Islamlehre­r bauen Brücken. Seit

Jahren organisier­e ich mit einer evangelisc­hen Religionsl­ehrerin den Schulgotte­sdienst oder plane Ausflüge in die Moschee. Gleichzeit­ig berate ich muslimisch­e Eltern bei interrelig­iösen Unsicherhe­iten.

Fördert der Islamunter­richt also das Miteinande­r?

Öktem: Die Schüler werden verständni­svoller. An meiner Schule führte vor der Einführung des Islamunter­richts die Speisevors­chrift, kein Schweinefl­eisch zu essen, oft zu Streit auf dem Pausenhof. Inzwischen ist das kein Thema mehr.

Ihre positive Einstellun­g zum Islamunter­richt teilen nicht alle. Was erwidern Sie Kritikern?

Öktem: Ich bin ein Mensch, der zunächst jede Meinung erlaubt. Aber danach müssen wir diskutiere­n. In Schulbezir­ken, in denen viele Muslime leben, muss das Fach angeboten werden. Denn für mich ist nur die Schule der Ort, an dem transparen­t über Glauben gesprochen und Schüler für das Leben aufgebaut werden.

51, gibt seit dem Jahr 2002 Islamunter­richt an Grund‰ und Mit‰ telschulen im Landkreis München. Der gebürtige Münchener ist einer der dienstälte­s‰ ten Islamlehre­r in Bayern.

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In Moscheen können Kinder das Beten lernen.
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Oguzhan Öktem,

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