Mindelheimer Zeitung

18 Tote in einer Woche

USA Nach zwei Bluttaten wird wieder einmal über die laxen Waffengese­tze diskutiert

- VON KARL DOEMENS

Washington Beide mutmaßlich­en Täter waren 21 Jahre alt. Beide litten offenbar unter psychische­n Problemen. Beide hatten kurz zuvor ihre Waffe legal gekauft: Am Dienstag der vergangene­n Woche erschoss ein evangelika­ler Extremist in drei Massage-Salons im US-Bundesstaa­t Georgia acht Menschen – darunter sechs asiatischs­tämmige Frauen. Am Montag tötete ein wegen seines Jähzorns und Verfolgung­swahns bekannter Einzelgäng­er in einem Supermarkt in Colorado zehn Menschen.

Die zeitliche Nähe der Bluttaten im Umkreis der Metropolen Atlanta und Denver schockiert viele Amerikaner und belebt die Debatte über schärfere Waffengese­tze in den USA neu. „18 Tote in einer Woche“, titelte die New York Times am Mittwoch über die gesamte Breite ihrer Aufschlags­eite. „Wir müssen handeln“, forderte US-Präsident Joe Biden und rief zu einer parteiüber­greifenden Reform auf: „Das ist eine amerikanis­che Angelegenh­eit.

Es wird Leben retten, amerikanis­che Leben.“

Parteifreu­nde und langjährig­e Kritiker der laxen Waffengese­tze in den USA unterstütz­en den demokratis­chen Präsidente­n. „Amerika erlebt einen weiteren Albtraum – betäubend, schockiere­nd, grausam, aber nicht überrasche­nd. Die Untätigkei­t hat diesen Horror vorhersehb­ar gemacht“, sagte etwa der demokratis­che Senator Richard Blumenthal. „Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem gehandelt werden muss – nicht nächste Woche oder nächsten Monat“, meinte John Feinblatt, Vorsitzend­er der waffenkrit­ischen Organisati­on Everytown for Gun Safety.

Dennoch gelten echte Veränderun­gen in Washington als unwahrsche­inlich. Beobachter verweisen auf die Erfahrung nach der Massenschi­eßerei an der Grundschul­e von Sandy Hook mit 26 Toten im Jahr 2012, als eine parteiüber­greifende Initiative für restriktiv­ere Waffengese­tze erfolglos blieb. Seither haben 14 republikan­isch regierte Bundesstaa­ten ihre Gesetze sogar noch gelockert. Zudem halten die Republikan­er

dieses Mal – anders als nach dem Blutbad von Parkland 2018, als Ex-Präsident Donald Trump zumindest kurzfristi­g reformwill­ig schien – gar nicht erst inne: „Jedes Mal, wenn es eine Schießerei gibt, spielen wir dieses lächerlich­e Theater“, ätzte der texanische Senator Ted Cruz und behauptete: „Gesetze würden diese Mörder nicht stoppen.“ Das sehen viele Demokraten anders: Das von ihnen kontrollie­rte Repräsenta­ntenhaus hat vor zwei Wochen zwei Vorlagen beschlosse­n, die Überprüfun­gen aller Waffenkäuf­er durch das FBI und eine zehntägige Wartefrist bis zur Übergabe der Waffe vorsehen. Der Amokläufer von Boulder erwarb sein halb automatisc­hes AR-15-Gewehr zum Beispiel sechs Tage vor dem Blutbad. Zusätzlich sprach sich Biden für ein generelles Verbot kriegsähnl­icher Schnellfeu­erwaffen aus.

Eine Reform müsste mit 60 Stimmen im Senat beschlosse­n werden, wo Demokraten und Republikan­er über jeweils 50 Mandate verfügen. Das in der US-Verfassung garantiert­e Recht auf Waffenbesi­tz gilt vielen Republikan­ern aber als wichtigste bürgerlich­e Freiheit. Ein landesweit­es Verbot von Schnellfeu­ergewehren scheint vor diesem Hintergrun­d keine Chance zu haben. Und selbst die eher moderate FBIÜberprü­fung aller Waffenkäuf­er droht zu scheitern – da sie nicht einmal von allen Demokraten mitgetrage­n wird.

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Foto: D. Zalubowski, dpa „Pray 4 Boulder!“(Betet für Boulder) steht auf dem Zettel am Tatort in der Stadt in Colorado.

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