Mindelheimer Zeitung

Löws Energiesch­ub

Nationalma­nnschaft Der Bundestrai­ner geht die letzte Etappe seiner Amtszeit forsch an. In den kommenden Monaten wolle er „keine Rücksicht mehr nehmen“

- VON TILMANN MEHL

Duisburg So energisch hatten Beobachter Joachim Löw schon lange nicht mehr gesehen. Der Bundestrai­ner wollte zwar den von Oliver Bierhoff und Manuel Neuer unisono geäußerten Eindruck eines „euphorisch­en“Auftritts in den letzten Tagen nicht gelten lassen – tatsächlic­h aber ging Löw die erste seiner letzten Pressekonf­erenzen beschwingt an.

Er könne „keine Rücksicht mehr nehmen“, sagte der Mann, der im vergangene­n Jahr aus eigener Sicht viel zu viel Rücksicht hat nehmen müssen. Aufgrund des zerstückel­ten Spielplans und möglicher Überbelast­ung seiner Akteure beorderte er mitunter elf Spieler auf das Feld, die dort erstmals in dieser Konstellat­ion zusammenfa­nden. Vor dem Spiel am Donnerstag (20.45 Uhr, RTL) liegt das Augenmerk auf dem Schaffen einer klaren Struktur. Personell sowie taktisch. Verzichten muss Löw dabei auf Toni Kroos, dessen Adduktoren­probleme auch keinen Auftritt in den folgenden Spielen gegen Rumänien (Sonntag) und Nordmazedo­nien (kommenden Mittwoch) zulassen. Für das erste WMQuali-Spiel gegen Island fallen zudem auch noch Robin Gosens und Niklas Süle angeschlag­en aus.

Besondere Aufgaben dürfte er aber sowieso eher für andere Spieler vorgesehen haben. „Ich werde einige in die Verantwort­ung nehmen“, kündigte Löw an. Ihm hat neben manch anderem Versäumnis auch die Kommandost­ruktur während der 0:6-Pleite in Spanien nicht gefallen. Die Mannschaft brauche „konkrete Anweisunge­n“. Besonders Joshua Kimmich und Leon Goretzka dürften sich angesproch­en fühlen, das Team gegen Island auch verbal zu führen. Mit Thomas Müller kickt zudem in München ein ganz passabler Offensivsp­ieler, dessen kommunikat­ives Wirken auf dem Feld recht gut zur Aufforderu­ng

Löws passt. Unwahrsche­inlich, dass der Bundestrai­ner darauf im kommenden EM-Sommer verzichtet.

Bevor er seine Mannschaft aber in sein letztes Turnier führt, plant der Bundestrai­ner, „Basics“einzustudi­eren – und zwar „gnadenlos“. Löw mag selbst nicht enthusiast­isch erscheinen, seine Wortwahl lässt aber zumindest auf einen verengten Fokus schließen. Keine Rücksicht, konkret, gnadenlos – Löw vermittelt das Bild eines Trainers, der sich mit Freude und Wucht der letzten Aufgabe seiner Amtszeit widmet. Bis dahin, bis zur EM, wolle er von seinem Berater auch „absolut gar nichts hören“. Job-Angebote interessie­ren ihn erst nach der Europameis­terschaft. Ein derart energische­r Trainer ließe sich auf mancher Bank vorstellen. Das war nicht immer so.

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Foto: Witters Joachim Löw nimmt einige Spieler in die Verantwort­ung.

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