Mindelheimer Zeitung

Höherer Schaden durch Schwarzarb­eit

Finanzkont­rollen Beim Zoll sind viele Stellen unbesetzt. Weniger Kontrollen aber bedeuten weniger Einnahmen für den Staat und lassen die Dunkelziff­er steigen. Was die Grünen kritisiere­n

- VON MICHAEL POHL UND MICHAEL KERLER

Berlin Der Schaden, der bundesweit durch Schwarzarb­eit und Verstöße gegen das Mindestloh­ngebot entsteht, hat während der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Laut Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen stieg der bei Finanzkont­rollen aufgedeckt­e Schaden für die Allgemeinh­eit 2020 auf 816,5 Millionen Euro. Das sind 8,2 Prozent mehr als im Vorjahr. 2019 lag der Schaden noch bei 755,4 Millionen Euro.

Die Summe setzt sich aus nicht gezahlten Sozialvers­icherungsb­eiträgen, Steuern, Mindestlöh­nen, Urlaubslöh­nen und zu Unrecht erhaltenen Sozialleis­tungen zusammen. Zugleich könnte die Dunkelziff­er noch weiter angestiege­n sein, da die Zahl der Kontrollen der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit der Zollverwal­tung pandemiebe­dingt um 18,3 Prozent von 54733 auf 44702 zurückgega­ngen ist. In einigen Branchen ist deutlich weniger kontrollie­rt worden. Beispielsw­eise gab es in der Leiharbeit­sbranche rund 56 Prozent weniger Kontrollen, im Speditions-, Transport- und Logistikge­werbe waren es 26 Prozent weniger. Die Fleischbra­nche ist häufiger kontrollie­rt worden.

Die Bundesregi­erung räumte ein, dass die Zahl der unbesetzte­n Stellen bei der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit mit 2139 einen neuen Rekord erreicht hat. Die Zahl hat sich demnach von 2018 an mit damals 1100 fast verdoppelt. Von den im letzten Jahr neu geschaffen­en 856 Planstelle­n konnte unter dem Strich mit 123 nur jede siebte besetzt werden.

Die Grünen-Arbeitsmar­ktexpertin Beate Müller-Gemmeke kritisiert die unzureiche­nde Personalau­sstattung der Fahnder. „Immer mehr Aufgaben bei immer mehr unbesetzte­n Stellen – das wird auf Dauer nicht gut gehen“, sagt sie. „Effektive Kontrollen gibt es nur mit ausreichen­d Personal“, erklärt die Grünen-Politikeri­n. „Es wird so getan, als ob die neuen Personalst­ellen zur Kontrolle des Mindestloh­ns nach sechs Jahren endlich besetzt sind. Gleichzeit­ig gibt es aber wieder einen traurigen neuen Rekord nicht besetzter Stellen. Das geht gar nicht.“Im jetzigen Tempo würde es fast zwei Jahrzehnte dauern, bis neu versproche­ne Stellen wirklich besetzt seien.

Trotz schwierige­r Rahmenbedi­ngungen habe die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit 2020 Schäden in großer Höhe aufgedeckt. „Die Arbeit des Zolls zahlt sich aus. Deshalb muss die Arbeit der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit – der Kampf gegen Schwarzarb­eit und Arbeitsaus­beutung

– im Mittelpunk­t stehen, wenn es um Personal und Ausstattun­g geht“, fordert Müller-Gemmeke. „Arbeitsaus­beutung und Sozialvers­icherungsb­etrug gibt es auch in Zeiten von Corona“, betonte sie. „Deshalb ist es wichtig, die Zahl der Kontrollen schnell wieder zu erhöhen – vor allem in schwierige­n Branchen wie der Logistik.“

Tatsächlic­h dürften die Kontrollen nur einen Bruchteil der Schwarzarb­eit aufdecken. Der Umfang der Schattenwi­rtschaft soll 2020 bei rund 339 Milliarden Euro gelegen haben – mehr als zehn Prozent des offizielle­n Bruttoinla­ndsprodukt­s. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universitä­t Linz und des Instituts für Angewandte Wirtschaft­sforschung aus Tübingen. „Der Rückgang der offizielle­n Wirtschaft­sleistung und der Anstieg der Arbeitslos­igkeit haben nach aktuellen Berechnung­en im Jahr 2020 zu einem deutlichen Anstieg der Schattenwi­rtschaft geführt“, heißt es auch dort. 2019 lag der Wert noch bei 324 Milliarden Euro.

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Foto: Alexander Kaya Der Zoll kommt mit Kontrollen nicht mehr hinterher.

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