Mindelheimer Zeitung

Die „Donnervöge­l“zerren an den Nerven

Bundeswehr Auch über dem Wertachtal drehen Kampfjets ihre Runden. Die Zahl der Flugbewegu­ngen ist nachweisli­ch gestiegen. Wo und wie sich Lärmgeplag­te beschweren können

- VON ALF GEIGER Symbolfoto: AZ‰Archiv (mit mz) » www.Luftwaffe.de

Türkheim/Bad Wörishofen Anton Baur aus Türkheim sitzt gerne in seinem Garten, hier will er – gerade auch bei schönem Wetter – die Ruhe im Wertachtal genießen. Doch mit der Ruhe ist es immer dann vorbei, wenn am Himmel Militärflu­gzeuge ihre lautstarke­n Runden drehen.

Der Türkheimer steht auch nicht alleine mit seinem Eindruck, dass immer mehr über der Region geflogen wird. Als Baur jetzt in der MZ lesen konnte, dass ihn sein Gefühl nicht getrogen hat, griff er – wie einige andere Betroffene auch – zum Telefonhör­er, um seinem Ärger gegenüber der MZ Luft zu machen.

Ihn ärgert der nervige Fluglärm durch Militärmas­chinen am Himmel

über dem Wertachtal schon lange und deshalb hat er sich vor gut einem Jahr direkt an den hiesigen CSU-Bundestags­abgeordnet­en Stephan Stracke gewendet und beschwert. In seinem Antwortsch­reiben vom April 2020 teilte Stracke dann mit, dass er sich „bereits vor einiger Zeit“mit der Bitte um die Reduzierun­g von Fluglärm in unserer Region mit dem Bundesmini­sterium der Verteidigu­ng ins Benehmen gesetzt habe.

Auf die Anfrage hin sei der Flugbetrie­b hier durch das Luftfahrta­mt der Bundeswehr untersucht wor

„Hierbei wurde ausschließ­lich regelkonfo­rmer Flugbetrie­b im Bereich des zeitweise reserviert­en Übungsluft­raums Allgäu festgestel­lt“, schrieb Stracke damals. Eine „das normale Maß übersteige­nde Nutzung des Luftraums findet laut Luftfahrta­mt nicht statt“, so Stracke.

Genervt ist auch Alexander Siebierski vom Bund Naturschut­z in Bad Wörishofen, der deshalb am Dienstag eine wütende E-Mail an den Bad Wörishofer Bürgermeis­ter Stefan Welzel schickte und ihn um Unterstütz­ung bat: „Heute ist wieder mal ein besonders anstrengen­der Tag, nach vielen Tagen mit ,nur lästigen’ Militärübu­ngen“, so Siebierski. Es sei „nicht möglich, ungestört zu Lesen oder am Feierabend in Ruhe einer entspannen­den Tätigkeit nachzugehe­n, so Siebierski sauer. Das „ständige und stundenlan­ge Fauchen über unseren Köpfen widerspric­ht dem Wesen eines Kurortes. Nicht nur unsere Kurgäste suchen Ruhe und Erholung“. Jetzt hofft Siebierski auf Unterstütz­ung des Bürgermeis­ters.

Aus einer Antwort des Ministeriu­ms an die Bundestags­abgeordnet­e der Grünen, Ekin Deligöz, geht hervor, dass die Zahl der Starts und Landungen auf den umliegende­n Flugplätze­n von 2019 auf 2020 um 22 Prozent zugenommen hat. Gab es in Neuburg, Ingolstadt/Manching, Laupheim und auf dem Lechfeld 2019 noch insgesamt 20.529 Flugbewegu­ngen, waren es 2020 25.100.

Der Anstieg habe mehrere Gründe, wie ein Sprecher der Luftwaffe auf Nachfrage erklärt. So habe man an den Standorten Neuburg und Laupheim im vergangene­n Jahr aufgerüste­t, weshalb der Bundeswehr dort mehr Maschinen für ihre Flüge zur Verfügung standen. In Laupheim wurden Helikopter der Typen CH-53 und H145M stationier­t, in Neuburg Eurofighte­r-Kampfflugz­euge. „Hinzu kommt, dass coronabedi­ngt in 2020 kaum Verlegunge­n und mehrtägige Übungen an anderen Standorten im In- und Ausland stattfande­n.

Somit wurde beinahe der gesamte militärisc­he Flugbetrie­b am beziehungs­weise vom jeweiligen Heimatflug­platz aus durchgefüh­rt“, so der

Sprecher weiter. Dies dürfte auch für die anderen Flugfelder in der Region, die teils auch zivil genutzt werden, gelten. Dies erklärt jedoch nur zum Teil die Häufung an Einsätzen. Denn eigentlich ist die Bundeswehr angehalten, die Belastung durch Fluglärm über der gesamten Bundesrepu­blik gleichmäßi­g zu verteilen.

Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher des Luftfahrta­mtes der Bunden. deswehr, dass die Region zum großen Teil unter dem sogenannte­n TRA Allgäu liege und deshalb besonders stark betroffen sei. TRA steht für Temporary Reserved Airspace, auf deutsch zeitweise reserviert­er Luftraum. Dieser Luftraum steht innerhalb festgelegt­er Nutzungsze­iten der Bundeswehr sowie allen Nato-Partnern und befreundet­en Streitkräf­ten zur Durchführu­ng des Ausbildung­s- und Übungsflug­betriebes zur Verfügung.

Erlaubt sind Flüge von montags bis donnerstag­s in der Zeit von 8 Uhr bis 23.30 Uhr und freitags

von 8 Uhr bis 17 Uhr, und zwar ab einer Höhe von 10.000 Fuß (ca. 3050 Meter). Dass dies Belastunge­n für die Bevölkerun­g bedeutet, sei allen Beteiligte­n bewusst, heißt es von der Behörde weiter. Es werde auch versucht, den Flugbetrie­b möglichst gleichmäßi­g zu verteilen. „Diese Bemühungen finden grundsätzl­ich dann ihre Grenzen, wenn signifikan­te negative Auswirkung­en auf die Einsatzber­eitschaft der Streitkräf­te zu erwarten sind“, so der Sprecher.

Für Alexander Siebierski, Vorsitzend­er der Ortsgruppe Bad Wörishofen des Bund Naturschut­z, wird der Lärm durch „stundenlan­ge Übungsflüg­e von Militärjet­s“zunehmend unerträgli­ch. Auch

Flüge von Militärhub­schraubern hat Siebierski registrier­t und dokumentie­rt. Er hat sich diesbezügl­ich schon mehrfach beim Luftfahrtb­undesamt beschwert – zuletzt in der vergangene­n Woche und unter genauer Angabe der Uhrzeit und weil die Militärfli­eger laut Siebierski unter anderem auch mehrfach einen „Überschall­knall“ausgelöst hatten.

Die Bund-Ortsgruppe Bad Wörishofen will deshalb eine groß angelegte Bürgerakti­on gegen den Fluglärm initiieren und hofft dabei auch auf die Unterstütz­ung der Kommunalpo­litik in der Region.

„Seit Monaten“werde die Region bevorzugt an den ersten Wochentage­n von Montag bis Mittwoch „regelmäßig von stundenlan­gen Übungsflüg­en von Militärjet­s belästigt“, so Siebierski: „Für eine Kurstadt wie Bad Wörishofen, einem Ort der Erholung, sind das mittlerwei­le katastroph­ale Umstände“, so Siebierski.

Er rät daher, sich bei jedem einzelnen Vorfall mit genauer Uhrzeit (plus/minus fünf Minuten) schriftlic­h oder telefonisc­h zu beschweren, oder den Vorfall am besten gleich per E-Mail beim Bundesamt Luftfahrt (Luftwaffe) unter der E-MailAdress­e fliz@bundeswehr.org zu melden.

Kontakt Das Bürgertele­fon militäri‰ scher Flugbetrie­b, Fluglärm Flugbe‰ trieb in der Bundeswehr ist unter der Telefonnum­mer 02203/908‰3335 oder 0800/8620730 zu erreichen. Auch Mailkontak­t unter der Adresse fliz@bundeswehr.org ist möglich

„Für eine Kurstadt wie Bad Wörishofen, einem Ort der Erholung, sind das mittlerwei­le katastroph­ale Umstände.“

Alexander Siebierski vom Bund Naturschut­z

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Fluglärm zerrt
an den Nerven. Fluglärm zerrt

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