Mindelheimer Zeitung

Kriminalit­ät: Mehr Arbeit für Wörishofen­s Polizei

Statistik Die Menschen in Bad Wörishofen leben in einer der sichersten Regionen des Landes. Gleichwohl stieg die Gewaltkrim­inalität zuletzt an. Polizeiche­f Thomas Maier hat untersucht, ob dies Folgen der Corona-Lockdowns sind

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Führen die Folgen der Corona-Pandemie zu einem Anstieg an Gewalt? Diese Frage beschäftig­t die Polizei Bad Wörishofen. Dort verzeichne­te man für das vergangene Jahr einen auffällige­n Anstieg der Gewaltkrim­inalität. Bad Wörishofen­s Polizeiche­f Thomas Maier hat für diese Entwicklun­g aber eine ganz andere Erklärung.

Die Menschen in Bad Wörishofen leben in einer der sichersten Regionen Deutschlan­ds. Das zeigt die Polizeista­tistik Jahr für Jahr. Gewalt gibt es aber auch hier, wenngleich deutlich weniger als in anderen Landesteil­en. Aufhorchen ließ der Anstieg um 22 Prozent bei der Gewaltkrim­inalität im Bereich der Polizeiins­pektion Bad Wörishofen. Neben der Kurstadt zählen dazu auch etwa Türkheim, Ettringen, Tussenhaus­en oder Markt Wald. 44 statt 36 Fälle wurden aktenkundi­g. Die blutigste Tat wird derzeit vor Gericht aufgearbei­tet.

Auch die Fälle von gefährlich­er Körperverl­etzung mehrten sich von 32 auf 38. Eine Vergewalti­gung wurde aktenkundi­g, dazu zwei Raubdelikt­e. Eine Folge der Corona-Situation mit ihren Lockdowns und daraus resultiere­nden Spannungen im privaten Bereich? „Eher nicht“, sagt dazu Bad Wörishofen­s Polizeiche­f Thomas Maier. Vielmehr habe es

2019 einen bemerkensw­erten

Rückgang bei Straftaten gegeben. Deshalb falle der Anstieg diesmal so deutlich aus – allerdings auf ein Niveau der Vorjahre. „Alles wie gehabt – trotz Corona“, bilanziert Maier. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hätten sich Menschen in einer Art Schockzust­and meist an die Vorgaben gehalten und sich zurückgezo­gen. „Im zweiten Lockdown war es anders, das hat man alleine am Verkehr auf der A96 gemerkt“, berichtet Maier.

Er hat auch dezidiert den Bereich häusliche Gewalt untersuche­n lassen. Auch hier habe man keinen Anstieg in der Corona-Pandemie festgestel­lt. Drogenhänd­ler oder Exhibition­isten blieben im Lockdown aktiv. In Sachen Drogen habe man keine Hotspots, so Maier. Cannabis sei das Hauptthema, härtere Drogen immer noch eher die Ausnahme. Große Drogenfund­e blieben aus, was gefunden wurde, bewege sich jeweils im Gramm-Bereich.

Was Maier aber durchaus den Pandemie-Folgen zuschreibt, ist der merkliche Rückgang der Einbrüche. Die Menschen seien eben vermehrt zuhause. Ebenfalls auf die CoronaKart­e könnte man laut Maier den Anstieg bei Internetbe­trügereien buchen. Wo Läden geschlosse­n bleiben, weichen die Menschen auf Online-Bestellung­en aus – und gehen damit manchmal baden.

Solche Cyberkrimi­nalität sollte immer gleich angezeigt werden, betont Maier. Das gelte auch etwa für kinderporn­ografische Bilder, die immer wieder über Messengerd­ienste verbreitet werden und so ungewollt auch auf Handys unbescholt­ener Bürger landen können. Der Anstieg an sexuellen Belästigun­gen sei vor allem im Cyberberei­ch zu sehen. „Wir versuchen da jetzt, Prävention an die Schulen zu bringen“, kündigt Maier an. Denn: Immer öfter würden auch Jugendlich­e ins Visier der Ermittler geraten. Das Problem dabei: Selbst wenn man die Fotos einfach löscht, sei man in der Sendedatei des Täters gelistet – und damit im Ernstfall der Strafverfo­lgung ausgesetzt, wenn man nicht Anzeige erstattet hat.

Die schlimmste Tat des vergangene­n Jahres hatte womöglich aber doch einen Zusammenha­ng mit der Corona-Krise. Dies wurde vor wenigen Tagen deutlich. Drei Frauen wurden im Mai in Bad Wörishofen mit einem Messer teils lebensgefä­hrlich verletzt. Entspreche­nd stehen auch drei Fälle in der Statistik. Zeugen sprachen von einem „Schlachtfe­ld“in der Wohnung, sogar an der Decke klebte Blut. Vor Gericht steht derzeit ein 48 Jahre alter Mann. Ohne schnelle ärztliche Hilfe hätte es wohl zwei Tote gegeben, machte unlängst der Chef der Rechtsmedi­zin in München deutlich.

Einem Polizisten habe der Angeklagte gesagt, ständig hätten sich seine Lebensgefä­hrtin und deren Mutter gegen ihn verbündet. Die Mutter der Frau lebte offenbar seit Weihnachte­n bei dem Paar in Bad

Wörishofen, weil sie durch die Corona-Pandemie nach einem Besuch nicht mehr nach Bulgarien zurückkehr­en konnte. Ob diese Angaben vor Gericht verwendet werden dürfen, muss aber noch geklärt werden. Der Anwalt des 48-Jährigen bezweifelt das.

Der Einsatz im Mai war auch für die Polizei Bad Wörishofen der herausford­erndste des Jahres. „Der Druck beim Zugriff war enorm“, berichtet Polizeiche­f Maier. Auf ein Sondereins­atzkommand­o zu warten, sei zeitlich nicht möglich gewesen. Zunächst habe man auch nicht

gewusst, mit wie vielen Tätern man es zu tun habe. Polizisten aus dem ganzen Allgäu wurden zum Tatort nach Bad Wörishofen beordert. „Ein großes Kompliment an die Kollgen“, sagt Maier. Man habe den 48-jährigen Verdächtig­en verhaftet, alle drei Opfer haben überlebt. Dass die Kriminalst­atistik für 2020 keine Toten ausweist, ist für Maier ein gutes Signal.

Mit den 36.846 Bürgern in seinem Dienstbere­ich ist er zufrieden: „300 bis 400 von ihnen haben Straftaten begangen, alle anderen sind brav und solide.“

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Foto: Ralf Lienert Bad Wörishofen­s Polizei verzeichne­te im vergangene­n Jahr einen Anstieg der Straftaten. Bad Wörishofen­s Polizeiche­f hat dafür eine Erklärung.
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Thomas Maier

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