Die CoronaZahlen steigen
Behörde Das Unterallgäuer Veterinäramt ist für 130.000 Rinder, 27.000 Schweine und viele weitere Tiere zuständig. Die Tierärzte rücken aus, wenn jemand im Verdacht steht, seine Tiere schlecht zu behandeln. Nun ziehen sie Bilanz
Der Inzidenzwert im Unterallgäu steigt immer weiter. Am Donnerstag lag er bei 176,8. Die aktuellen Fallzahlen aus den Gemeinden finden Sie heute auf
Mindelheim Es sind gewissermaßen die „armen Schweine“, die Alexander Minich immer wieder motivieren, weiterzumachen. Wenn er einem Tier, das zuvor viel erleiden musste, eine neue Chance schenken kann und wenn sich – wie im vergangenen Jahr – ein Schwein auf dem Gnadenhof von den Strapazen seines früheren Lebens wieder erholen darf, dann ist der Leiter des Unterallgäuer Veterinäramts glücklich. „Das gibt einem Kraft“, sagt er. „Dafür lebt man auch.“365 Mal sind er und sein Team im vergangenen Jahr zu Tierschutzkontrollen ausgerückt – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Fast immer handelte es sich um anlassbezogene Kontrollen, etwa, weil ein Zeuge einen Vorfall gemeldet hat, weil eine Nachprüfung stattfand oder vorab, wenn jemand mit Tieren Geld verdienen wollte, etwa über den Betrieb einer Hundeschule oder eine Zucht. Angemeldet sind diese Kontrollen nie, betont Dr. Alexander Minich. „Das wäre ja absurd“, sagt er. „Unser Ziel ist es ja nicht, wenig Arbeit zu haben, sondern vom Tierschutz das Maximale herauszuholen.“
Personalmangel ist schon lange ein Thema im Unterallgäuer Veterinäramt, das nicht nur für die rund 1500 Rinderhalter mit 130.000 Tieren zuständig ist, sondern auch für die 27.000 Schweine von 150 Schweinehaltern sowie die 8000 Schafe der 200 Schafhalter. Hinzu kommen rund 120 Besitzer von Ziegen, 780 Pferdehalter, 3000 Hühnerhalter, 600 Geflügelhalter und mehrere Hundert Imker. Neben dem Tierschutz kümmert sich das Veterinäramt aber auch um Tierseuchenbekämpfung und die Lebensmittelsicherheit – etwa für mehr als 140 Lebensmittelhersteller im Landkreis und zahlreiche andere Betriebe, etwa die Betreiber von Fischzuchten.
Für sogenannte komplexe Betriebe – also besonders große Geflügel-, Rinder- oder Schlachtbetriebe, Molkereien oder große Hersteller von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder – ist inzwischen die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) zuständig. Sie kümmert sich beispielsweise auch um den Großbetrieb bei Bad Grönenbach. Bilder und Videos vom Hof hatten als Allgäuer Tierskandal für Schlagzeilen gesorgt.
Von den 365 Tierschutzkontrollen Unterallgäuer Veterinäramts im vergangenen Jahr fanden 292 in der Landwirtschaft statt – also bei den Haltern von Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen, Geflügel oder Pferden. 73 Mal wurden die Besitzer von Heimtieren wie Hunden, Katzen, aber auch Schlangen kontrolliert. 16 Mal gab es Kombinationen, etwa, wenn bei einem Landwirt die Hundehaltung mitüberprüft wurde.
In etwa zehn Prozent der Kontrollen kam es 2020 zu einem Bußgeldverfahren, elf Mal wurden Straftaten bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht, so Minich. Letzteres ist der Fall, wenn einem Tier länger anhaltend erhebliches Leid und Schmerzen zugefügt wurden. Einmal wurde ein Tierhalteverbot für einen Landwirt ausgesprochen, zwei Mal mussten Unterallgäuer zwar nicht alle, aber einen Teil ihrer Tiere weggeben.
So weit muss es aber gar nicht erst kommen. Nur in wenigen Einzelfällen müssen die Tiere einem Besitzer sofort weggenommen werden – etwa wenn der Halter völlig überfordert
„Tierwegnahmen bleiben schon im Gedächtnis, gerade, wenn sie akut sind“, sagt Minich. In den häufigsten Fällen kommt es zu einer endgültigen Wegnahme erst, wenn sich ein Halter als dauerhaft unzuverlässig erwiesen hat, erklärt er. Schließlich müsse das Amt auch immer die Verhältnismäßigkeit wahren.
Das beginnt bei einer Beratung oder einer Belehrung, wenn etwa Kälber-Iglus im Sommer in der prallen Sonne stehen. „Manche meinen, das Kalb kann ja ins Iglu gehen, um Schatten zu haben“, sagt Minich. Dabei erhitzten sich die Iglus rasch – und das Tier stehe vor der Wahl „pralle Sonne oder Backofen“.
Auch schlechte Lichtverhältnisse im Stall sind ein Mangel, der relativ häufig vorkomme, gerade, wenn es sich um ältere, dunkle Ställe handelt, deren Wände nicht weiß und deren Fenster verdreckt seien. Hier hilft es manchmal schon, Tageslichtlampen den ganzen Tag über anzuschalten, so der Veterinärmediziner. Mangelnde Klauenpflege, schlecht ausgemistete Ställe, zu wenig Liegeplätze oder zu kleine Kälberboxen kommen in Minichs Alltag mitunter am häufigsten vor.
Ein böser Wille des Landwirts stehe in den seltensten Fällen dahindes ter, sondern eher Unwissenheit oder mangelndes Problembewusstsein. „Viele haben so etwas nicht auf dem Schirm“, sagt Minich. „Man sieht das dem Tier ja nicht sofort an.“Meist stecke eine gewisse Überforderung hinter der Vernachlässigung. Ein typischer Fall sei ein Landwirt ohne eigene Familie, der sich nach dem Tod der Eltern komplett allein um
Hof und Haushalt kümmern muss. „Die arbeiten oft 13 bis 14 Stunden“, sagt Minich, „wie in einem Hamsterrad“. In solchen Fällen würden er und seine Kollegen zu einer Art Lebensberater. Immer mit dem Ziel vor Augen, „dass es den Tieren besser geht“. Gemeinsam mit dem Bauer überlege man, welche kleine Maßnahme vielleicht schon viel bringen könnte – etwa, wenn der Landwirt seine Kälber verkauft und Jungkühe zukauft statt sich selbst um die Nachzucht zu kümmern.
Minich ist klar: Die wenigsten Menschen sind erfreut, wenn er und seine Kollegen bei ihnen zur Konist. trolle vorbeischauen. Eine Verteidigungshaltung mache das aber nicht besser. „Wir versuchen, mit den Leuten zu reden und sie mitzunehmen“, sagt er. So steige etwa die Milchleistung, wenn mehr Liegeplätze für Rinder vorhanden und die Tiere deshalb entspannter sind.
Dass sie manchmal ein Ergebnisprotokoll und eine Kostenrechnung bekommen, die sie zu begleichen haben, empfänden viele Tierhalter als Strafe, sagt Minich. Offiziell beginnt die Strafe mit einem Bußgeld, beispielsweise, wenn ein Tierarzt bei einem kranken Tier nicht rechtzeitig hinzugezogen wird oder wenn Kälber angebunden sind. Werden einem Tier länger erhebliches Leid und Schmerzen zugefügt, kommt es zur Strafanzeige – das Veterinäramt äußert den Verdacht, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
„Was stark zugenommen hat, sind die Tierschutzanzeigen insgesamt“, sagt Minich. Tierschutz habe einfach einen anderen Stellenwert als noch vor 20 Jahren, die Menschen seien sensibilisierter. In jedem Fall fahren die Veterinäre raus und sehen sich vor Ort um: „Wir haben Fahrten, wo nichts dahinter ist, aber auch Fälle, wo es noch schlimmer ist als gemeldet.“
Elf Mal zeigten die Tierärzte Straftaten an