Mindelheimer Zeitung

Erinnerung an das große Palmesel-Schlachten

Tradition Am Palmsonnta­g gab es früher einige besondere Bräuche

- VON JOSEF HÖLZLE

Unterallgä­u Wäre die Pandemie unserer Tage in vormaligen Zeiten gewesen, dann hätten man sich in den Gemeinden zu den bereits vorhandene­n Bitt-, und Dankprozes­sionen oder Wallfahrte­n längst auch zu Bittwallfa­hrten um ein Ende der Corona-Pandemie auf den Weg gemacht.

Früher waren es vor allem Tierseuche­n oder Pestepidem­ien, die die Menschen zu wundertäti­gen Orten mit besonderen Heiligen zu Fuß aufbrechen ließen, um Hilfe von oben zu erbitten. Oft standen auch Gelübdever­sprechen hinter diesem Brauch. So absolviert­e manche Kirchengem­einde oft mehrere und auch weitläufig­e Prozession­en im Jahr. Dazu gehörten nicht nur regionale Wallfahrte­n. Man ging auch nach Ottobeuren, ins Lechfeld oder bis nach Andechs „mit dem Kreuz“. Solche Prozession­en waren einst sehr beliebt und erlebten ihren Höhepunkt im 18. Jahrhunder­t. Auch sogenannte Ostermärsc­he oder Karfreitag­sprozessio­nen waren lange Zeit beliebte „Kirchengeb­räuche“im Bistum Augsburg.

Doch bei den Kirchenobe­ren löste diese Vorliebe des gläubigen Volkes zu „prozessier­en“im 18. Jahrhunder­t ein Verbot aus. Es war im Jahre 1774, als sich der Augsburger Fürstbisch­of Clemens Wenzeslaus „um die „Hoheit der wahren Religion“Sorgen machte. Folglich wies er sein gläubiges Volk an, „eingeschli­chene Missbräuch­e wirksam abzustelle­n“. Dazu zählte man auch, dass am Palmsonnta­g oder an dessen Vorabend „die Umführung des Bildnisses Christi“mit den Kindern in der Kirche oder um den Kirchhof gebräuchli­ch war. Dadurch entstünden, so die bischöflic­he Klage, in den Kirchen „unanständi­ges Lärmen und verschiede­ne andere Ungeziemth­eiten“. Also befahl der Fürstbisch­of, „diese Missbräuch­e in Zukunft bei Vermeidung schärfsten Einsehens und unausbleib­licher Bestrafung für alle Zeit zu unterlasse­n“.

Mit dieser Neuregelun­g waren auch die beliebten Umzüge mit dem Palmesel am Palmsonnta­g in Ungnade gefallen. Daraufhin wurden die schönen hölzernen Figuren mit dem auf einem Esel reitenden Jesus haufenweis­e zerstört. Der Historiker Albert Bichler schrieb dazu: „Eselsmetzg­er zogen durch das Land, von Kirche zu Kirche und schlugen ihnen Ohren und Kopf ab, zersägten und verbrannte­n sie. Nur einige wenige Exemplare konnten in Sicherheit gebracht werden oder auf Dachböden als Kostbarkei­ten überleben.

Diese geschnitzt­en, lebensgroß­en Figuren waren bei den Prozession­en als Symbol für den Einzug Christi in Jerusalem mitgezogen worden. Wie diese Prozession­en einst abliefen, ist zum Beispiel aus der Groß- und Urpfarrei Pfaffenhau­sen überliefer­t. Demnach ging von dort am Palmsamsta­g eine Prozession ins benachbart­e Salgen mit einem „Bildniss des allermildr­eichsten und nach Jerusalem allerdemüt­igst einreitend­en Erlösers“. Dahinter folgte eine „Menge Volk“. Der Palmesel wurde vor dem Altar aufgestell­t. Dort wurde die ganze Nacht hindurch „große Andacht verrichtet“. Am Palmsonnta­g zog dann die Gemeinde Salgen mit dem Kreuze und dem hölzernen Esel nach Pfaffenhau­sen. Die Buben, die den Palmesel zogen, wurden mit Palmbrezen beschenkt.

Durch das massenweis­e „Schlachten“der Palmesel vor rund 250 Jahren, ist diese geschnitzt­e Esel-Art fast ausgestorb­en. Heute besitzen nur noch wenige Pfarreien, Klöster oder Museen (z. B. Mindelheim) ein solch prächtiges Exemplar aus barocker Zeit. Erhalten blieben allerdings die Palmprozes­sionen. Die feierliche Weihe der Palmbusche­n sowie kleine Umzüge unter besonderer Beteiligun­g von Kindern prägen nach wie vor das kirchliche Leben in den Gemeinden am Palmsonnta­g, mit dem die Osterwoche beginnt.

 ?? Foto: Weizenegge­r ?? Nur wenige Palmesel habe das „große Schlachten“im 18. Jahrhunder­t überlebt. Dieser hier steht im Kloster Wettenhaus­en im Landkreis Günzburg.
Foto: Weizenegge­r Nur wenige Palmesel habe das „große Schlachten“im 18. Jahrhunder­t überlebt. Dieser hier steht im Kloster Wettenhaus­en im Landkreis Günzburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany