Erinnerung an das große Palmesel-Schlachten
Tradition Am Palmsonntag gab es früher einige besondere Bräuche
Unterallgäu Wäre die Pandemie unserer Tage in vormaligen Zeiten gewesen, dann hätten man sich in den Gemeinden zu den bereits vorhandenen Bitt-, und Dankprozessionen oder Wallfahrten längst auch zu Bittwallfahrten um ein Ende der Corona-Pandemie auf den Weg gemacht.
Früher waren es vor allem Tierseuchen oder Pestepidemien, die die Menschen zu wundertätigen Orten mit besonderen Heiligen zu Fuß aufbrechen ließen, um Hilfe von oben zu erbitten. Oft standen auch Gelübdeversprechen hinter diesem Brauch. So absolvierte manche Kirchengemeinde oft mehrere und auch weitläufige Prozessionen im Jahr. Dazu gehörten nicht nur regionale Wallfahrten. Man ging auch nach Ottobeuren, ins Lechfeld oder bis nach Andechs „mit dem Kreuz“. Solche Prozessionen waren einst sehr beliebt und erlebten ihren Höhepunkt im 18. Jahrhundert. Auch sogenannte Ostermärsche oder Karfreitagsprozessionen waren lange Zeit beliebte „Kirchengebräuche“im Bistum Augsburg.
Doch bei den Kirchenoberen löste diese Vorliebe des gläubigen Volkes zu „prozessieren“im 18. Jahrhundert ein Verbot aus. Es war im Jahre 1774, als sich der Augsburger Fürstbischof Clemens Wenzeslaus „um die „Hoheit der wahren Religion“Sorgen machte. Folglich wies er sein gläubiges Volk an, „eingeschlichene Missbräuche wirksam abzustellen“. Dazu zählte man auch, dass am Palmsonntag oder an dessen Vorabend „die Umführung des Bildnisses Christi“mit den Kindern in der Kirche oder um den Kirchhof gebräuchlich war. Dadurch entstünden, so die bischöfliche Klage, in den Kirchen „unanständiges Lärmen und verschiedene andere Ungeziemtheiten“. Also befahl der Fürstbischof, „diese Missbräuche in Zukunft bei Vermeidung schärfsten Einsehens und unausbleiblicher Bestrafung für alle Zeit zu unterlassen“.
Mit dieser Neuregelung waren auch die beliebten Umzüge mit dem Palmesel am Palmsonntag in Ungnade gefallen. Daraufhin wurden die schönen hölzernen Figuren mit dem auf einem Esel reitenden Jesus haufenweise zerstört. Der Historiker Albert Bichler schrieb dazu: „Eselsmetzger zogen durch das Land, von Kirche zu Kirche und schlugen ihnen Ohren und Kopf ab, zersägten und verbrannten sie. Nur einige wenige Exemplare konnten in Sicherheit gebracht werden oder auf Dachböden als Kostbarkeiten überleben.
Diese geschnitzten, lebensgroßen Figuren waren bei den Prozessionen als Symbol für den Einzug Christi in Jerusalem mitgezogen worden. Wie diese Prozessionen einst abliefen, ist zum Beispiel aus der Groß- und Urpfarrei Pfaffenhausen überliefert. Demnach ging von dort am Palmsamstag eine Prozession ins benachbarte Salgen mit einem „Bildniss des allermildreichsten und nach Jerusalem allerdemütigst einreitenden Erlösers“. Dahinter folgte eine „Menge Volk“. Der Palmesel wurde vor dem Altar aufgestellt. Dort wurde die ganze Nacht hindurch „große Andacht verrichtet“. Am Palmsonntag zog dann die Gemeinde Salgen mit dem Kreuze und dem hölzernen Esel nach Pfaffenhausen. Die Buben, die den Palmesel zogen, wurden mit Palmbrezen beschenkt.
Durch das massenweise „Schlachten“der Palmesel vor rund 250 Jahren, ist diese geschnitzte Esel-Art fast ausgestorben. Heute besitzen nur noch wenige Pfarreien, Klöster oder Museen (z. B. Mindelheim) ein solch prächtiges Exemplar aus barocker Zeit. Erhalten blieben allerdings die Palmprozessionen. Die feierliche Weihe der Palmbuschen sowie kleine Umzüge unter besonderer Beteiligung von Kindern prägen nach wie vor das kirchliche Leben in den Gemeinden am Palmsonntag, mit dem die Osterwoche beginnt.