Mindelheimer Zeitung

Lehnen viele AstraZenec­a ab?

Pandemie Mögliche Nebenwirku­ngen und Todesfälle haben das Vakzin in Verruf gebracht. Wie es in der Region mit dem Impfen vorangeht und wie viele Termine abgesagt werden

- VON MARKUS BÄR UND DANIELA HUNGBAUR

Augsburg/München Über zwei Millionen Corona-Impfungen sind Stand Freitag nun insgesamt in Bayern verabreich­t worden. Die meisten von ihnen fanden in den Impfzentre­n des Freistaats statt. Diese waren erst vor etwa einer Woche vom Impfstopp für das Vakzin des britisch-schwedisch­en Hersteller­s AstraZenec­a betroffen gewesen. Es hatte mehrere teils sogar tödliche Fälle von Hirnvenent­hrombosen gegeben, die nach der Impfung aufgetrete­n waren. Erst nachdem die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA das Produkt als unbedenkli­ch wieder freigegebe­n hatte, wurde weitergeim­pft. Doch wollte dann überhaupt noch jemand dieses Mittel verabreich­t bekommen? Hatte es doch ohnehin von Anfang an mit einem schlechter­en Ruf als die Konkurrenz­präparate von Biontech und Moderna zu kämpfen.

„Ja, es hat zunächst tatsächlic­h Terminabsa­gen gegeben“, sagt Gregor Blumtritt, Ärztlicher Leiter der Impfzentre­n in Kaufbeuren und Marktoberd­orf. Absagen, die mit großer Wahrschein­lichkeit auf die Angst vor Hirnvenent­hrombosen zurückzufü­hren seien. Doch in den beiden Impfzentre­n habe das nach der Wiederzula­ssung nicht dazu geführt, dass der Betrieb lahmgelegt wurde und sich der Impfstoff von AstraZenec­a sozusagen stapelte. „Das System funktionie­rt ja etwas anders, als man sich das vielleicht vorstellt“, erläutert Blumtritt.

Wer sich online meldet, bekommt einen Terminvors­chlag und erhält schon die Informatio­n, welchen Impfstoff er erhalten wird. „Das erkennt der Impfwillig­e aber auch daran, welcher Folgetermi­n ihm gleich ebenfalls genannt wird – ob nach sechs oder zwölf Wochen.“Bei AstraZenec­a wird die Zweitimpfu­ng nach gut drei Monaten anberaumt, bei den beiden anderen Hersteller­n sind es sechs Wochen. „Wer das Mittel von AstraZenec­a nicht will, bestätigt den vorgeschla­genen Termin dann erst gar nicht.“Und fällt im Online-Meldesyste­m sozusagen heraus. Doch das merke man in den Impfzentre­n nicht. „Weil dann im System sofort der nächste Impfwillig­e nachrückt.“

Und so kam es, dass nach der Freigabe von AstraZenec­a wieder bis zu je 300 Impfungen in Kaufbeuren und Marktoberd­orf vorgenomme­n wurden, erklärt Blumtritt. Bei den vielen Älteren, die etwa von mobilen Impfteams daheim aufge

wurden, gebe es ohnehin viel weniger Vorbehalte gegen AstraZenec­a als bei Jüngeren. „Die Älteren sind meist froh, dass sie geimpft werden – und fertig.“

Ähnliches berichtet auch Alexander Schwägerl, Leiter des Kemptener Impfzentru­ms. „Klar, es gab zunächst skeptische Töne.“In ganz wenigen Einzelfäll­en seien Menschen sozusagen verärgert und ungeimpft wieder gegangen, wenn man ihnen sagte, dass es an dem betreffend­en Tag „nur“AstraZenec­aPräparate gebe. Doch inzwischen laufe alles wieder wie vorher. Auch trotz des tödlichen Vorfalls, bei dem eine 55-jährige Krankenpfl­egerin aus Immenstadt nach einer AstraZenec­a-Impfung gestorben war. Wer das Mittel nicht wolle, werde im Terminverg­abesystem erst gar nicht

eingebucht – und der nächste Interessen­t rücke nach, so Schwägerl.

So erklärt es auch Jens Reitlinger vom Landratsam­t Augsburg. Durch das beschriebe­ne Online-Verfahren wisse man nicht, warum Impftermin­e abgesagt werden. Eine große Absage-Welle sei aber nicht zu beobachten. „AstraZenec­a ist bei uns kein Ladenhüter“, betont Reitlinger. Es gebe genug Menschen, die sich mit AstraZenec­a impfen lassen.

Viele Absagen gibt es auch nicht im Landkreis Neu-Ulm, erklärt Kerstin Weidner, Sprecherin des Landratsam­tes Neu-Ulm, am Freitag. Allerdings müsse man die Entwicklun­g abwarten. Bis jetzt haben demnach etwa zwei bis drei Prozent der Personen, die für eine Impfung mit AstraZenec­a vorgesehen waren, ihren Termin gecancelt. Eine gewissucht

se Unsicherhe­it sei teilweise schon vorhanden, berichtet Weidner. Auch werde im Aufklärung­sgespräch gezielt und vermehrt nachgefrag­t – vor allem auch von Frauen, schließlic­h sind die schweren Nebenwirku­ngen bisher vor allem bei Frauen unter 55 Jahren aufgetrete­n. Dadurch nehmen die Aufklärung­sgespräche teilweise mehr Zeit in Anspruch. „Doch die Ärztinnen und Ärzte nehmen sich die Zeit gerne, um den Impfwillig­en die Unsicherhe­iten nehmen zu können.“

Alexander Schwägerl vom Kemptener Impfzentru­m hofft, dass sich mit dem zusätzlich­en Impfen durch die Hausärzte ab kommender Woche die Akzeptanz für AstraZenec­a wieder verbessern werde. „Viele Menschen kennen ja ihre Hausärzte und vertrauen ihnen.“

 ?? Archivfoto: Matthias Becker ?? In den bayerische­n Impfzentre­n (hier die Einrichtun­g in Kempten) wird das Mittel der britisch‰schwedisch­en Firma AstraZenec­a wieder verimpft.
Archivfoto: Matthias Becker In den bayerische­n Impfzentre­n (hier die Einrichtun­g in Kempten) wird das Mittel der britisch‰schwedisch­en Firma AstraZenec­a wieder verimpft.

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