Der letzte Sieg des Meistertorwarts
Eishockey Vergangenen Sommer warf der ERC Ingolstadt Timo Pielmeier raus. Seitdem schwelte ein Rechtsstreit. Der ist beendet. Jetzt schildert der Profi erstmals seine Sicht der Dinge
Regensburg Timo Pielmeier kann sich noch gut an den 16. Juli des vergangenen Jahres erinnern. Er sei gerade im Supermarkt gestanden und habe Pfandflaschen in einen Automaten geworfen, als sein Handy plötzlich verrückt spielte. Dutzende Nachrichten liefen innerhalb kürzester Zeit ein. Alle hatten nur ein Thema: die Pressemitteilung auf der Homepage des ERC Ingolstadt. Dort stand, dass Pielmeier ab sofort nicht mehr zum Profi-Kader gehöre. Der Olympia-Held und Meistertorwart – mit einem Federstrich aussortiert.
Hintergrund der aufsehenerregenden Aktion war, dass sich die Gesellschafter der 14 DEL-Klubs inmitten der Corona-Pandemie darauf verständigt hatten, die Gehälter ihrer Spieler zu reduzieren. 25 Prozent sollten einbehalten und nur dann ausgezahlt werden, wenn ein Klub die Einnahmen aus dem Vorjahr erzielt. De facto war das eine Gehaltskürzung, denn die wenigsten DEL-Klubs können die fehlenden Zuschauereinnahmen ausgleichen. Im Gegenteil: An vielen Standorten mussten die Profis auf deutlich mehr als 25 Prozent verzichten, um ihre Arbeitgeber über Wasser zu halten.
Das Problem an der Entscheidung der DEL war, dass die Profis dem Verzicht freiwillig zustimmen mussten, denn die meisten hatten bereits gültige Verträge.
In Ingolstadt habe sich Pielmeier bis zuletzt als Einziger nicht dazu entschließen können, sich an dieser Maßnahme zu beteiligen, hieß es in der Mitteilung. Da jedoch die Zustimmung aller Spieler ein Teil der Prüfungsmaßstäbe zur Lizenzerteilung durch die DEL ist, sei der ERC gezwungen, den 31-jährigen Deggendorfer aus dem Spielerkader zu nehmen. Es folgten harte Worte des Ingolstädter Geschäftsführers Claus Liedy. „Alle übrigen Spieler haben die Tragweite dieser Maßnahme verstanden und sich solidarisch mit dem Klub gezeigt. Lediglich unser dienstältester Spieler steht in dieser existenzbedrohenden Krise nicht Schulter an Schulter mit seinem Arbeitgeber und seinen Kameraden. Wir sind darüber sehr enttäuscht und sehen auf dieser Basis keine Möglichkeit, ihn als Teil unseres Teams wieder aufs Eis zu schicken.“
Die Frontlinien schienen klar. Hier der darbende Klub, dort der raffgierige Spieler. Mit einem Donnerschlag endete die Zeit des letzten verbliebenen Spielers aus der legendären Ingolstädter Meistermannschaft von 2014.
Gleichzeitig begann hinter den Kulissen ein Rechtsstreit, der sich über Herbst und Winter bis in die vergangene Woche hinzog. Dann stellte der ERCI wieder eine Mitteilung auf seine Homepage. Sehr viel kleiner diesmal. Vor allem aber sehr viel zurückhaltender in der Wortwahl. Der Klub und Timo Pielmeier hätten sich einvernehmlich auf die Beendigung ihrer Zusammenarbeit verständigt, steht dort. Es folgt eine Litanei der gemeinsam errungenen Erfolge. Die erfolgreichsten Jahre von Timo Pielmeier seien fest mit seiner Zeit beim ERC Ingolstadt verbunden. Dann noch ein freundlicher Gruß von Geschäftsführer Claus Liedy. Mehr werde man zu der Angelegenheit nicht sagen, ließ der ERCI auf Nachfrage wissen.
Wer sich bis jetzt noch gar nicht zu der Angelegenheit geäußert hat, ist Pielmeier selbst. Zu schweigen sei nicht immer leicht gewesen, sagte er nun unserer Redaktion. Vor allem, als die Kommentarspalten in den sozialen Netzwerken überquollen mit Beiträgen enttäuschter Fans. Die hätten ja nur die Sichtweise des Vereins gekannt, so Pielmeier. Trotzdem schwieg er, allen Anfeindungen zum Trotz. Auch auf Anraten seiner Anwälte. „Zum einen hat es sich um ein laufendes Gerichtsverfahren gehandelt. Zum anderen war ich durch meinen Arbeitsvertrag auch verpflichtet, keine Interna nach außen zu tragen. Im Eishockeygeschäft ist es ja ohnehin gang und gäbe, dass man als Spieler nicht schlecht über seinen Arbeitgeber spricht“, sagt Pielmeier.
Hinter den Kulissen begannen seine Anwälte Alexander Bachmeier und Anselm Groda, zwei Spezialisten für Arbeitsrecht, zu arbeiten. Sie erreichten als Erstes, dass die Pressemitteilung wieder von der Homepage genommen wurde. Dann ackerten sie sich durch insgesamt sieben Gerichtsverfahren. Unter anderem erwirkten sie, dass Pielmeier eine Spielerlizenz erteilt werden musste und die zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt wurde. „Wir haben sportlich hart gekämpft, sind dabei aber immer fair geblieben“, sagt Groda. Und: „Am Ende ist uns der ERCI deutlich entgegengekommen. Wir sind sehr zufrieden mit der Einigung.“Zahlen wollte der Anwalt nicht nennen, Pielmeier dürfte aber eine Abfindung im niedrigen sechsstelligen Bereich erhalten haben. Immerhin war sein Vertrag noch bis 2022 gültig.
Bis zu der Einigung war es ein zähes Ringen. Dabei sei, so Groda, die Rechtslage eindeutig gewesen. „Verträge müssen eingehalten werden.“Sein Klient sei durchaus gesprächsbereit gewesen, was den Gehaltsverzicht anging, aber der Klub habe zuletzt lediglich mit der harsch formulierten Pressemitteilung reagiert. Danach lag die einstige Liebesbeziehung in Brüchen. „Erst da ist alles ins Rollen gekommen“, bestätigt Groda, der auch auf Sportrecht spezialisiert ist.
Pielmeier selbst sagt, dass er schon 2019 dem ERCI angeboten habe, seinen Vertrag aufzulösen. Beide Seiten hätten zu dem Zeitpunkt von einer Trennung profitiert, sind sich Beobachter einig. Sportlich hatte Pielmeier nicht an die vorangehenden Spielzeiten anknüpfen können und wollte sich neu orientieren, der Klub schien ebenfalls nicht mehr auf seinen Meistertorwart setzen zu wollen. Eine Trennung habe der ERCI dennoch abgelehnt, so Pielmeier. Richtiges Vertrauen habe er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gespürt. Trotzdem sei er bereit gewesen, seinen Vertrag mit 100 Prozent Einsatz zu erfüllen. Dazu kam es nicht mehr.
Nachtreten will der 32-jährige Deggendorfer nicht. Zum genauen Ablauf der Gespräche über einen Gehaltsverzicht schweigt er. Es scheint aber so, als sei der Dialog zwischen dem Klub und seinen Spielern ganz generell in keiner besonders angenehmen Atmosphäre geführt worden. Darauf lässt auch die Wortwahl der Pressemitteilung vom Juli schließen.
Nach dem Rechtsstreit dürften beide Seiten froh sein, dass es nun eine Einigung gibt – auch wenn sie den ERCI teuer zu stehen kommt. Pielmeier will wieder Eishockey spielen. „Ich bin jetzt 32 Jahre und will nach Möglichkeit so lange dabei bleiben, wie es mein Körper mitmacht.“Optionen gebe es, spruchreif sei aber noch nichts. - -
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