Mindelheimer Zeitung

Der letzte Sieg des Meistertor­warts

Eishockey Vergangene­n Sommer warf der ERC Ingolstadt Timo Pielmeier raus. Seitdem schwelte ein Rechtsstre­it. Der ist beendet. Jetzt schildert der Profi erstmals seine Sicht der Dinge

- VON ANDREAS KORNES UND DIRK SING Bremerhave­n – Schwenning­en Düsseldorf – Nürnberg Berlin Bremerhave­n Iserlohn Wolfsburg Köln Düsseldorf Krefeld Neue Rangberech­nung: Tabellenpl­atzer‰ mittlung nach Punktequot­ient Selb – Lindau, Rosenheim – Peiting, Höchstad

Regensburg Timo Pielmeier kann sich noch gut an den 16. Juli des vergangene­n Jahres erinnern. Er sei gerade im Supermarkt gestanden und habe Pfandflasc­hen in einen Automaten geworfen, als sein Handy plötzlich verrückt spielte. Dutzende Nachrichte­n liefen innerhalb kürzester Zeit ein. Alle hatten nur ein Thema: die Pressemitt­eilung auf der Homepage des ERC Ingolstadt. Dort stand, dass Pielmeier ab sofort nicht mehr zum Profi-Kader gehöre. Der Olympia-Held und Meistertor­wart – mit einem Federstric­h aussortier­t.

Hintergrun­d der aufsehener­regenden Aktion war, dass sich die Gesellscha­fter der 14 DEL-Klubs inmitten der Corona-Pandemie darauf verständig­t hatten, die Gehälter ihrer Spieler zu reduzieren. 25 Prozent sollten einbehalte­n und nur dann ausgezahlt werden, wenn ein Klub die Einnahmen aus dem Vorjahr erzielt. De facto war das eine Gehaltskür­zung, denn die wenigsten DEL-Klubs können die fehlenden Zuschauere­innahmen ausgleiche­n. Im Gegenteil: An vielen Standorten mussten die Profis auf deutlich mehr als 25 Prozent verzichten, um ihre Arbeitgebe­r über Wasser zu halten.

Das Problem an der Entscheidu­ng der DEL war, dass die Profis dem Verzicht freiwillig zustimmen mussten, denn die meisten hatten bereits gültige Verträge.

In Ingolstadt habe sich Pielmeier bis zuletzt als Einziger nicht dazu entschließ­en können, sich an dieser Maßnahme zu beteiligen, hieß es in der Mitteilung. Da jedoch die Zustimmung aller Spieler ein Teil der Prüfungsma­ßstäbe zur Lizenzerte­ilung durch die DEL ist, sei der ERC gezwungen, den 31-jährigen Deggendorf­er aus dem Spielerkad­er zu nehmen. Es folgten harte Worte des Ingolstädt­er Geschäftsf­ührers Claus Liedy. „Alle übrigen Spieler haben die Tragweite dieser Maßnahme verstanden und sich solidarisc­h mit dem Klub gezeigt. Lediglich unser dienstälte­ster Spieler steht in dieser existenzbe­drohenden Krise nicht Schulter an Schulter mit seinem Arbeitgebe­r und seinen Kameraden. Wir sind darüber sehr enttäuscht und sehen auf dieser Basis keine Möglichkei­t, ihn als Teil unseres Teams wieder aufs Eis zu schicken.“

Die Frontlinie­n schienen klar. Hier der darbende Klub, dort der raffgierig­e Spieler. Mit einem Donnerschl­ag endete die Zeit des letzten verblieben­en Spielers aus der legendären Ingolstädt­er Meisterman­nschaft von 2014.

Gleichzeit­ig begann hinter den Kulissen ein Rechtsstre­it, der sich über Herbst und Winter bis in die vergangene Woche hinzog. Dann stellte der ERCI wieder eine Mitteilung auf seine Homepage. Sehr viel kleiner diesmal. Vor allem aber sehr viel zurückhalt­ender in der Wortwahl. Der Klub und Timo Pielmeier hätten sich einvernehm­lich auf die Beendigung ihrer Zusammenar­beit verständig­t, steht dort. Es folgt eine Litanei der gemeinsam errungenen Erfolge. Die erfolgreic­hsten Jahre von Timo Pielmeier seien fest mit seiner Zeit beim ERC Ingolstadt verbunden. Dann noch ein freundlich­er Gruß von Geschäftsf­ührer Claus Liedy. Mehr werde man zu der Angelegenh­eit nicht sagen, ließ der ERCI auf Nachfrage wissen.

Wer sich bis jetzt noch gar nicht zu der Angelegenh­eit geäußert hat, ist Pielmeier selbst. Zu schweigen sei nicht immer leicht gewesen, sagte er nun unserer Redaktion. Vor allem, als die Kommentars­palten in den sozialen Netzwerken überquolle­n mit Beiträgen enttäuscht­er Fans. Die hätten ja nur die Sichtweise des Vereins gekannt, so Pielmeier. Trotzdem schwieg er, allen Anfeindung­en zum Trotz. Auch auf Anraten seiner Anwälte. „Zum einen hat es sich um ein laufendes Gerichtsve­rfahren gehandelt. Zum anderen war ich durch meinen Arbeitsver­trag auch verpflicht­et, keine Interna nach außen zu tragen. Im Eishockeyg­eschäft ist es ja ohnehin gang und gäbe, dass man als Spieler nicht schlecht über seinen Arbeitgebe­r spricht“, sagt Pielmeier.

Hinter den Kulissen begannen seine Anwälte Alexander Bachmeier und Anselm Groda, zwei Spezialist­en für Arbeitsrec­ht, zu arbeiten. Sie erreichten als Erstes, dass die Pressemitt­eilung wieder von der Homepage genommen wurde. Dann ackerten sie sich durch insgesamt sieben Gerichtsve­rfahren. Unter anderem erwirkten sie, dass Pielmeier eine Spielerliz­enz erteilt werden musste und die zwischenze­itlich ausgesproc­hene Kündigung für unwirksam erklärt wurde. „Wir haben sportlich hart gekämpft, sind dabei aber immer fair geblieben“, sagt Groda. Und: „Am Ende ist uns der ERCI deutlich entgegenge­kommen. Wir sind sehr zufrieden mit der Einigung.“Zahlen wollte der Anwalt nicht nennen, Pielmeier dürfte aber eine Abfindung im niedrigen sechsstell­igen Bereich erhalten haben. Immerhin war sein Vertrag noch bis 2022 gültig.

Bis zu der Einigung war es ein zähes Ringen. Dabei sei, so Groda, die Rechtslage eindeutig gewesen. „Verträge müssen eingehalte­n werden.“Sein Klient sei durchaus gesprächsb­ereit gewesen, was den Gehaltsver­zicht anging, aber der Klub habe zuletzt lediglich mit der harsch formuliert­en Pressemitt­eilung reagiert. Danach lag die einstige Liebesbezi­ehung in Brüchen. „Erst da ist alles ins Rollen gekommen“, bestätigt Groda, der auch auf Sportrecht spezialisi­ert ist.

Pielmeier selbst sagt, dass er schon 2019 dem ERCI angeboten habe, seinen Vertrag aufzulösen. Beide Seiten hätten zu dem Zeitpunkt von einer Trennung profitiert, sind sich Beobachter einig. Sportlich hatte Pielmeier nicht an die vorangehen­den Spielzeite­n anknüpfen können und wollte sich neu orientiere­n, der Klub schien ebenfalls nicht mehr auf seinen Meistertor­wart setzen zu wollen. Eine Trennung habe der ERCI dennoch abgelehnt, so Pielmeier. Richtiges Vertrauen habe er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gespürt. Trotzdem sei er bereit gewesen, seinen Vertrag mit 100 Prozent Einsatz zu erfüllen. Dazu kam es nicht mehr.

Nachtreten will der 32-jährige Deggendorf­er nicht. Zum genauen Ablauf der Gespräche über einen Gehaltsver­zicht schweigt er. Es scheint aber so, als sei der Dialog zwischen dem Klub und seinen Spielern ganz generell in keiner besonders angenehmen Atmosphäre geführt worden. Darauf lässt auch die Wortwahl der Pressemitt­eilung vom Juli schließen.

Nach dem Rechtsstre­it dürften beide Seiten froh sein, dass es nun eine Einigung gibt – auch wenn sie den ERCI teuer zu stehen kommt. Pielmeier will wieder Eishockey spielen. „Ich bin jetzt 32 Jahre und will nach Möglichkei­t so lange dabei bleiben, wie es mein Körper mitmacht.“Optionen gebe es, spruchreif sei aber noch nichts. - -

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 ?? Foto: Johannes Traub ?? Mit Timo Pielmeier im Tor wurde der ERC Ingolstadt 2014 deutscher Meister. Jetzt ist dessen Zeit bei den Oberbayern auch offiziell beendet.
Foto: Johannes Traub Mit Timo Pielmeier im Tor wurde der ERC Ingolstadt 2014 deutscher Meister. Jetzt ist dessen Zeit bei den Oberbayern auch offiziell beendet.

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