Rammingen dreht an der Steuerschraube
Finanzen Gewerbetreibende wurden in Rammingen bislang mit einem der niedrigsten Hebesätze im Raum Schwaben zur Kasse gebeten. Nun wird erhöht – was nicht nur etwas mit den geplanten Investitionen zu tun hat
Rammingen Die erste öffentliche Ramminger Gemeinderatssitzung in diesem Jahr sollte sich nicht nur als sehr umfangreich erweisen, denn sowohl neun Tagesordnungspunkte in öffentlicher als auch acht weitere in nicht-öffentlicher Sitzung hatte das Gremium an diesem Sitzungsabend zu beraten.
Mit einer möglichen Änderung des Gewerbesteuerhebesatzes stand zudem ein „undankbares Thema“auf der Tagesordnung; so jedenfalls eröffnete Claus-Dieter Hiemer, Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Türkheim, seine Einführung dazu. Für Steuererhöhungen sei nie der richtige Zeitpunkt, hob Hiemer an, doch müsse er dafür um Verständnis bitten, „denn es besteht dringender Handlungsbedarf“.
Das Gremium einigte sich im Anschluss mit 8:4 Stimmen auf eine Anpassung des Gewerbesteuerhebesatzes von bislang 260 auf 290 Prozent und darauf, die Erhöhung rückwirkend zum 1. Januar 2021 in Kraft treten zu lassen.
Hiemer zog zum einen die „dauerhaft hohen Investitionen“heran, die der Gemeinde allein in diesem Jahr finanziell einiges abverlangten, gleichzeitig den Rammingern aber auch das erste Mal seit 1997 eine
Kreditaufnahme bescherten (MZ berichtete). „Vor 24 Jahren musste Rammingen zuletzt Schulden aufnehmen“, sagte der VG-Kämmerer. Die Wahrheit sei allerdings auch, dass sich diese Situation ohne das Lipp-Vermögen deutlich früher geändert hätte.
Zum anderen führe der derzeit noch gültige Hebesatz in Höhe von 260 Prozent „zu erheblichen Nachteilen im Finanzausgleich“, sagte Hiemer. Denn im Zuge der 2016 im Landtag verabschiedeten Nivellierung gelte ein landeseinheitlicher Steuersatz in Höhe von derzeit 310 Prozent.
Daraus ergeben sich deutliche Nachteile für Rammingen, sowohl bei der Kreisumlage als auch bei den Schlüsselzuweisungen. „Wir nehmen zwar mehr ein, haben aber nichts davon, weil wir Gelder über den Finanzausgleich verlieren“, erklärte der Kämmerer. Das bedeute, Rammingen schöpfe seine Möglichkeiten im Bereich Steuereinnahmen nicht aus. Vergleiche man zudem die Hebesätze anderer bayerischer Gemeinden, zeige sich in Bezug auf Rammingen ein deutliches Bild. Nur 15 von insgesamt 2.056 Gemeinden hätten einen ähnlichen Steuerhebesatz von 260 Prozent. „Fünf davon findet man in Schwaben, eine darunter ist Rammingen“, sagte er. „Und das trotz unterdurchschnittlicher Steuerkraft.“
Noch deutlicher zeige sich dies mit Blick auf den Durchschnitt Unterallgäuer
Gemeinden, denn der liege bei 307 Prozent. Bayernweit lägen Gemeinden mit der Einwohnerstärke Rammingens sogar bei einem Hebesatz von etwa 329 Prozent.
Ein gewichtiges Argument des VG-Kämmerers: „Alles über 260 Prozent bleibt im Ort“, denn weder erhöhe sich dadurch die Kreisumlage, noch würden sich Schlüsselzuweisungen verringern. Gehe Rammingen nur zehn Basispunkte rauf, würde dies Mehreinnahmen von bis zu 25.000 Euro bedeuten.
Aus Sicht der Kämmerei wäre eine Hebesatzerhöhung auf 310 Prozent wünschenswert, dennoch wäre eine moderate Erhöhung auf 290 „finanzpolitisch klug und vertretbar“. Rückwirkend zum 1. Januar 2021 angewandt, ergebe sich eine Mehreinnahme von 50.000 bis 80.000 Euro, „die wir gut brauchen können und die zu einhundert Prozent im Ort bleiben würde“, sagte Hiemer. Zudem wäre so – mit Blick auf die kommende Verschuldung – der jährliche Kapitaldienst abgedeckt.
Dass es damit nicht alle Gewerbetreibenden in Rammingen gleichermaßen treffen werde, auch das legte der VG-Kämmerer dem Gremium dar. So fiele eine Hebesatzerhöhung bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften – in Rammingen mit etwa 70 Prozent der größte Anteil – nicht gravierend aus, „da die Gewerbesteuer ja auf die Einkommensteuer angerechnet werden könne“. Betroffen davon seien in erster Linie Kapitalgesellschaften, die rund 30 Prozent der Ramminger Geschäftswelt ausmachen.
In der anschließenden Diskussion war sich das Gremium einig darüber, dass eine Erhöhung nur dann nach außen zu transportieren sei, wenn alle Räte an einem Strang zögen. Manuel Rauscher (UWG) wollte zudem ein Signal senden, dass man hinter dem Gewerbe stehe, es aber auch unterstütze. Eine Erhöhung auf 290 Prozent könne er mitgehen, auch wenn es „eine unglückliche Mischung aus Verschuldung und Erhöhung“bedeute. Weiter hinauf wolle er jedoch nicht.
Volker Schwarz (FWG) zeigte Verständnis ob der Anhebung, jedoch nicht rückwirkend zum Jahresbeginn. „Unser Gewerbe hält derzeit die Wirtschaft am Laufen“, sagte er, da komme eine Erhöhung gerade jetzt für ihn „happig daher“. Dass man schon länger darüber im Gremium diskutiere, legte Ulrike Degenhart (Bürgerliste) dagegen, sie sei deshalb für eine sofortige Umsetzung.
Dass auch er sich eine Verschiebung bis 2022 vorstellen könnte, sagte Hans Zitzler (UWG). Das Baugewerbe könne die Erhöhung wohl leichter verkraften, der Gastrobereich eher nicht. Zudem sollte das Gewerbe nicht die Schulden der Gemeinden tragen, sagte er.
Das wiederum wollte Bürgermeister Anton Schwele so nicht stehenlassen. Schließlich sei man mit dem niedrigen Hebesatz den Betrieben
Ohne das LippErbe wäre es früher eng geworden
In einer Zeit „voller Hochs und Tiefs“
viele Jahre entgegengekommen, „da waren wir schon großzügig“, meinte er. Einer Erhöhung stehe auch er offen gegenüber, meinte Thomas Kerler (Bürgerliste), doch nicht sofort; er wolle dem Gewerbe „noch ein wenig Luft lassen und erst 2022 erhöhen“. Alfred Waltenberger (Bürgerliste) steuerte eine Art Zusammenfassung aller Meinungen bei. Corona bedeute für alle „eine Zeit voller Hochs und Tiefs“, meinte er, da müssen alle durch. Ein Hebesatz von 290 Prozent sei in seinen Augen fair und tragbar, zudem hätte man in Rammingen „gute Firmen, die das schon packen“.