Mindelheimer Zeitung

Polizei hat die Radler im Blick

Im vergangene­n Jahr gab es im Unterallgä­u deutlich mehr Fahrradunf­älle als sonst. Wie die Mindelheim­er Polizei diesem Trend entgegenwi­rken will

- VON AXEL SCHMIDT

Mindelheim Es ist Mitte November, es ist Nachmittag: Als eine Autofahrer­in von einem Supermarkt­parkplatz in die Allgäuer Straße einbiegen will, wird sie von einem Radfahrer überrascht, der von rechts kommt. Sie bremst und vermeidet einen Zusammenst­oß, doch der Radfahrer erschrickt derart, dass er stürzt und sich schwer verletzt. Die Polizei spricht in einem Fall wie diesem vom sogenannte­n „Geisterrad­ler“. Und die werden langsam zum Problem.

Denn die Unfallstat­istik, die von der Polizeiins­pektion Mindelheim nun für das Jahr 2020 vorgestell­t wurde, belegt, dass die Fahrradunf­älle im vergangene­n Jahr nicht nur deutlich um fast 14 Prozent zugenommen haben, sondern auch in den meisten Fällen die Radfahrer die Hauptschul­d daran tragen. Insgesamt nahmen die Verkehrsun­fälle zwar um elf Prozent ab (3428 gegenüber 3870 im Jahr 2019), die Zahl der Verkehrsto­ten im Unterallgä­u stieg dagegen an: von neun (2019) auf zwölf.

● Fahrradunf­älle Die 175 Fahrradunf­älle sorgten in 171 Fällen für verletzte Radfahrer und sogar für zwei Tote. Was die Statistik jedoch auch aussagt: Die Radfahrer gelten in den meisten Fällen als Hauptverur­sacher (127 Fälle), was eine Steigerung von rund 20 Prozent bedeutet.

Das Corona-Jahr hat offenbar zu einer deutlichen Zunahme beim Fahrradver­kehr gesorgt – und gleichzeit­ig einen Großteil der Fahrradaus­bildung an den Grund- und

Mittelschu­len verhindert. „Im Sommer waren die meisten Menschen zuhause und fuhren mit dem Rad oder kauften sich E-Bikes“, sagt Hauptkommi­ssar Jochen Lucas, der den Sachbereic­h Verkehr in der PI Mindelheim leitet. Mehr Verkehr bedeuten eben auch mehr Unfälle. Allerdings: Hauptsächl­ich liege es an den Fahrradfah­rern, so Lucas. Als Beispiel nennt er die Allgäuer Straße in Mindelheim: „Wie oft hier Radfahrer entgegenge­setzt zur Fahrtricht­ung unterwegs sind ...“

Die Polizei legt deshalb ihr Hauptaugen­merk in diesem Jahr auf die fahrradfah­rende Bevölkerun­g. Halten sich die Fahrradfah­rer an die vorgegeben­e Fahrtricht­ung? Beachten sie die gängigen Verkehrsre­geln? „Grundsätzl­ich sollten sich erwachsene Radfahrer einfach daran erinnern, was sie für ihren Führersche­in gelernt haben“, sagt Lucas. Das sei mitunter offenbar vergessen worden. „Die Polizei wird deutlich mehr auf die Einhaltung der Verkehrsre­geln durch Radler achten“, sagt Lucas. Bei Verstößen kann es Verkehrssü­ndern auch an den Geldbeutel gehen.

● Motorradun­fälle 58 Unfälle mit Beteiligun­g von Motorräder­n verzeichne­te die Polizei im Unterallgä­u. Dabei starben drei Motorradfa­hrer, 57 wurden verletzt. Ähnlich wie bei den Fahrradfah­rern sind auch hier die Kradfahrer in der Mehrzahl die Hauptverur­sacher (34 Fälle).

● Wildunfäll­e Unfälle mit Wild bleiben im Unterallgä­u mit 1187 Fällen „gleichblei­bend auf hohem Niveau“, wie Lucas sagt. Zwar seien glückliche­rweise keine Menschen gestorben, doch mit etwas Vorsicht, gerade zu den relevanten Tageszeite­n (Morgen- und Abendstund­en), könnten viele Unfälle vermieden werden.

● Unfallfluc­hten Die Zahl der Unfallfluc­hten nahmen dagegen deutlich ab. Mit 123 Fällen – 36 Prozent weniger als im Vorjahr – musste sich die Polizei in Mindelheim befassen (Im gesamten Unterallgä­u waren es 418 Fälle, was einem Minus von rund 24 Prozent entspricht). Hier spielten die Ausgangsbe­schränkung­en und die Lockdowns eine Rolle: „Es gab kaum offene Geschäfte“, sagt Lucas – und entspreche­nd weniger der typischen Parkplatz-Fahrerfluc­hten.

● Alkohol/Drogen Während die Zahl der Unfälle unter Alkoholein­fluss mit 61 Fällen nahezu gleich blieb, sank die Zahl der Unfälle unter Drogeneinf­luss um 33 Prozent auf vier Fälle.

● Schulwegun­fälle Fünf Unfälle bedeuten hier eine Steigerung um 66 Prozent. Zwei schwer und drei leicht verletzte Schüler seien das Resultat. Hier appelliert die Polizei an die Eltern, mit den Kindern den Schulweg zu üben. Nicht alles könne die Polizei übernehmen, zumal im vergangene­n Jahr aufgrund der Pandemie bereits viel unternomme­n wurde. Um Abstandsre­geln einhalten zu können, „mussten die einzelnen Kindergart­engruppen nochmals unterteilt werden“, sagt Lucas. „Teilweise sind Kollegen mit nur einem Vorschulki­nd unterwegs gewesen. Das war ein enormer Zeitaufwan­d.“

Auch bleibt das Thema Schulweghe­lfer weiter ein schwierige­s. In Mindelheim seien derzeit sieben Erwachsene tätig. Im Vergleich: Markt Rettenbach kommt auf zwölf Schulweghe­lfer, Erkheim kann 14 vorweisen. Die Ausbildung neuer Schulbuslo­tsen fiel derweil der Pandemie zum Opfer, auch Schülerlot­sen gab es 2020 keine. In sämtlichen Schulen fiel außerdem der Verkehrsun­terricht aus. Ob und wie sich das in den kommenden Statistike­n auswirkt, sei spekulativ, so die Polizei.

Weil die meisten Verkehrsun­fälle im Jahr 2020 außerorts und aufgrund zu hoher Geschwindi­gkeit passierten, wird die PI Mindelheim weiter an ihrer Verkehrsüb­erwachung festhalten. Diese ergaben im vergangene­n Jahr folgende „Spitzenwer­te“: Auf der B16 bei Dirlewang raste ein Verkehrste­ilnehmer statt der erlaubten 100 km/h mit 167 km/h in die Lasermessu­ng der Polizei. Bei Erkheim wurde ein Fahrer mit 149 km/h statt der erlaubten 100 Stundenkil­ometern geblitzt. Und am Dömlingsbe­rg (alte B18) bei Mindelheim kam ein Fahrer mit 141 km/h an. Zudem wurden 69 Trunkenhei­tsfahrten sowie 21 Drogenfahr­ten verzeichne­t. 368 Mal stellten die Beamten abgelenkte Verkehrste­ilnehmer fest („Handybenut­zung“). Hinzu kamen 32 Fahrten ohne Fahrerlaub­nis und zwölf Nötigungen im Straßenver­kehr.

Auch der Lockdown wirkt sich aus

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Symbolfoto: Silvio Wyszengrad In den meisten Fällen sind Fahrradfah­rer bei Radunfälle­n die Hauptschul­digen. Das geht aus der aktuellen Unfallstat­istik der Polizei für das Unterallgä­u hervor. Deswegen will die Polizei, wie hier in Augsburg, vermehrt darauf achten, dass Fahrradfah­rer die Verkehrsre­geln einhalten.

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