Mindelheimer Zeitung

Jetzt gehen die Lehrer auf Pschierer los

Der Mindelheim­er Stimmkreis­abgeordnet­e hatte den Berufsstan­d der Lehrer generell attackiert. Dafür bekommt jetzt der CSU-Politiker die geballte Wut der Betroffene­n zu spüren. Auch der Kultusmini­ster äußert sich

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Ihm war völlig klar, was nach seiner Pauschalkr­itik an den Lehrerinne­n und Lehrern kommen wird: massiver Gegenwind, neudeutsch Shitstorm genannt.

Der Stimmkreis­abgeordnet­e Franz Josef Pschierer (CSU) hatte auf seiner Facebook-Seite den Berufsstan­d der Lehrer generell attackiert (wir berichtete­n auf Bayern). Wörtlich schrieb er: „Wir haben zwar mit die teuersten, aber nicht immer die besten und fleißigste­n Lehrer.“

Pschierer zählte eine ganze Reihe von Privilegie­n auf: Beamtensta­tus, Unkündbark­eit, beste Gesundheit­sversorgun­g mit Chefarztbe­handlung, üppige Pensionen und 70 Ferientage.“Und er fügte an: „Da müsste man doch eigentlich zufrieden sein können. Nein! Ist man nicht.“Gegenüber der MZ sagte er, er sei „fassungslo­s“über das Ultimatum des Lehrerinne­n- und Lehrerverb­ands an die Staatsregi­erung. Präsidenti­n Simone Fleischman­n hat in einem Brandbrief an Ministerpr­äsident Markus Söder ein Impfangebo­t für alle Lehrkräfte bis nach den Osterferie­n gefordert. Das empfindet Pschierer als ungehörig.

Der Freistaat Bayern habe seinen Beamten gegenüber eine Fürsorgepf­licht, sagte Pschierer der MZ. Im Gegenzug gebe es eine Treuepflic­ht gegenüber dem Dienstherr­n. Den von Fleischman­n angeschlag­enen Sprachgebr­auch „weise ich deutlich zurück“, so Pschierer.

Er habe kein Verständni­s für die Haltung des Lehrerverb­andes in Zeiten, in denen Menschen um ihre Existenz bangten. Menschen seien in Kurzarbeit und von Arbeitslos­igkeit bedroht. Pschierer nannte Einzelhänd­ler, Hoteliers und Gastronome­n, die kaum noch weiterwüss­ten. In einer solchen Zeit sei vom Lehrerverb­and eine Diskussion über die Besoldungs­anhebung auf A13 geführt worden. „Ich erwarte hier einfach mehr Sensibilit­ät“, sagt Pschierer.

Auf Facebook war er noch deutlicher geworden: „Für mich ist dieses Ultimatum schlichtwe­g unverschäm­t. Und deshalb bin ich fast geneigt, das Zitat unseres früheren Bundeskanz­lers Gerhard Schröder über Lehrer zu wiederhole­n (,Ihr wisst doch ganz genau, was das für ... Säcke sind.’).“

Aus der Kritik am Lehrerverb­and und Pschierers Schreiben an Söder wurde eine Pauschalkr­itik an den Lehrern insgesamt. Das hat im Netz hohe Wellen geschlagen. Mehr als 500 Kommentare finden sich unter der Verbalatta­cke Pschierers.

Eine Frau schrieb zum Beispiel: „Da freut man sich doch schon auf die nächsten Wahlen, damit Menschen wie Franz Josef Pschierer wieder einmal auf den Boden der Tatsachen zurückgeho­lt werden und dann hoffentlic­h die passende Quittung für Beiträge solcher Art und die eigene gesamte Inkompeten­z erhalten ...“Ein anderer schrieb: „Lehrer arbeiten mehr Stunden für weniger Geld als Sie! Und dies ist der Dank dafür. Wenn der Job so einfach und toll sein sollte, dann studieren Sie Lehramt und üben diesen Beruf aus.“

Eine Schreiberi­n nannte es eine „Frechheit“, dass sich ein Abgeordnet­er traue, so über andere zu reden. „Egal welche Berufsgrup­pe – das ist absolut unter der Gürtellini­e.“

Andere halten Pschierer den Spiegel vor: „Erst selbst jahrelang den Staat in einer Grauzone geschröpft und mit unseren Steuergeld­ern seine bessere Hälfte finanziert.“Erinnert wird auch an die monatliche Vergütung als Verwaltung­srat der Sparkasse. Im Falle Pschierers sind das 664,35 Euro, wie er der MZ mitteilte. Hinzu kommen noch zum Beispiel die rund 1400 Euro jährliche Vergütung als Aufsichtsr­at des Allgäuer Klinikverb­undes. Und auch für die Erhöhung der Diäten habe Pschierer „immer schön gestimmt“.

In einem ergänzende­n Post räumt Pschierer aber ein, dass nicht nur Lehrer gewisse Privilegie­n genießen. „In diesem Zusammenha­ng gebietet es die Fairness, nicht zu verschweig­en, dass Minister, Abgeordnet­e, Landräte und Bürgermeis­ter dieselben Privilegie­n genießen.“

Pschierer hielt der BLLV-Präsidenti­n Fleischman­n vor, die Kritik hätte sie an Kultusmini­ster Michael Piazolo von den Freien Wählern richten müssen, der gleich auch noch einen Satz mit auf den Weg bekommt: „Ich habe nicht das Gefühl, dass Piazolo in der Coronakris­e eine gute Figur macht.“

Kultusmini­ster Michael Piazolo wies unterdesse­n die „unberechti­gte Pauschalkr­itik an den bayerische­n Lehrkräfte­n deutlich zurück“. Die Lehrkräfte in Bayern hätten in der Pandemie viele neue Aufgaben angenommen und hervorrage­nde Arbeit geleistet. Die Corona-Pandemie habe den Schulbetri­eb völlig auf den Kopf gestellt. „Unsere Lehrkräfte haben von Beginn an flexibel auf diese Situation reagiert und einfach angepackt: Hygienekon­zepte entwickelt und umgesetzt, Distanzunt­erricht organisier­t, sich zeitgleich intensiv fortgebild­et – alles, um die Bildungsch­ancen der ihnen anvertraut­en Schülerinn­en und Schüler zu sichern.“

Pschierer sprach sich auch gegen den Status von Lehrern als Beamte aus. Es hätten sich Dinge eingebürge­rt, die er nicht akzeptiere­n werde. Als Beispiel nannte er Fortbildun­gen, die trotz 70 freier Tage im Jahr während der Schulzeit stattfände­n. „Fassungslo­s“mache ihn der Stand der Digitalisi­erung und die Ausstattun­g der Schulen. Im internatio­nalen Vergleich sei das deutsche Bildungssy­stem Mittelmaß.

Pschierer räumte allerdings ein, dass für diese Politik über viele Jahre hinweg die CSU die Verantwort­ung trage. „Es ist auch da nichts passiert“, kritisiert­e der CSU-Landtagsab­geordnete und frühere Wirtschaft­sminister seine Partei. Piazolo hätte aber viel mehr für die Digitalisi­erung tun müssen und für pädagogisc­he Konzepte von Präsenz- und Distanzunt­erricht.

 ?? Archivfoto: Mathias Wild ?? Der Politiker Franz Josef Pschierer vor Schülern in Kaufbeuren. Das Bild stammt aus der Vor‰Corona‰Zeit.
Archivfoto: Mathias Wild Der Politiker Franz Josef Pschierer vor Schülern in Kaufbeuren. Das Bild stammt aus der Vor‰Corona‰Zeit.

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