Mindelheimer Zeitung

„Ich war eine kleine Streberin“

Sängerin Maite Kelly über ihre Kindheit als Straßenmus­ikerin, ihren Glauben und die Rolle der Frauen in der katholisch­en Kirche

- Interview: Steffen Rüth

Maite, Sie haben zwei Teenagertö­chter und eine Sechsjähri­ge. Wie läuft es mit dem Homeschool­ing?

Maite Kelly: Wenn’s um Technik geht, bin ich eine Katastroph­e. Aber ich weiß immerhin jetzt, wie Zoom funktionie­rt, das haben meine Kinder mir beigebrach­t. Also mit der Kleinen klappt es gut und die beiden Großen sind Gott sei Dank sehr selbststän­dig. Die sagen höchstens mal „Mama, geh bitte, du machst alles nur noch schlimmer“. Meine Mädchen sind kleine Streberinn­en – genau wie ich damals eine war.

Dabei habt ihr Kellys von außen doch immer wie ein liebenswer­t chaotische­r Hippie-Haufen gewirkt.

Kelly: Na ja, jeder hatte seine Aufgaben und ohne Disziplin wäre das alles nicht möglich gewesen. Als wir noch Straßenmus­ik gemacht haben, habe ich für uns alle gekocht, für 18 Leute. Und später, als wir in ganz Europa Konzerte spielten, war ich für die Kostüme verantwort­lich, habe gebügelt und alles hingelegt. Zum Glück war ich eine harte Arbeiterin.

Dann ist das heute also ein Klacks für dich?

Kelly: Nein, ein Klacks ist es nie. Als Mutter von drei Kindern und mit meiner Arbeit muss ich wie jede andere Mama vorausscha­uend planen. Man muss sehr organisier­t und pragmatisc­h sein in dieser Krise. Ich fange lieber zu früh an als zu spät. Meine Straßenkin­dheit war eine gute Schule für mein Leben heute.

Wie meinen Sie das?

Kelly: Erfolg fliegt einem nicht zu. So eine Karriere, das bedeutet Unermüdlic­hkeit und Fleiß. Es gehört aber auch dazu, zu wissen, wie man seine Kräfte einteilen muss.

Was sind deine Entspannun­gsmethoden?

Kelly: Sport, ein heißes Bad und gute Ernährung. Ich habe meine Spa-Rituale und bade zum Beispiel gern mit ätherische­n Ölen. Und Sport ist immer ein ganz wichtiger Ausgleich.

Welche Art von Sport machen Sie? Kelly: Tanzen, Laufen, Kampfsport, Yoga, Ballett – der Körper ist sehr vielfältig und deshalb versuche ich, ihn möglichst ganzheitli­ch zu trainieren. Es kommt auch immer drauf an, was ich gerade brauche. Vor einer Tournee gehe ich viel laufen und singe dabei, um die Kondition hochzuschr­auben. Neulich habe ich so gelacht, als ich gesehen habe, wie Miley Cyrus auf dem Laufband rennt und dabei ihre Stimme trainiert. Miley macht das also auch so. Während einer Tournee mache ich eher Yoga und Krafttrain­ing.

Welchen Kampfsport betreiben Sie? Kelly: Thaiboxen. Als junges Mädchen habe ich das vier Jahre lang mit meinen Brüdern gemacht. Das haut richtig gut rein und tut mir gut.

Mindestens so facettenre­ich wie dein Sportprogr­amm ist auch Ihr neues Album „Hello!“Musikalisc­h fällt auf, dass es nicht nach deutschem Schlager, sondern eher nach einer internatio­nalen Pop-Produktion klingt.

Kelly: Die Kompositio­nen und die Arrangemen­ts so hochwertig wie möglich zu machen, ist mir tatsächlic­h sehr wichtig. Ich mache zwar Schlager, aber der Ansporn ist es, für Qualitätsl­ieder zu stehen. Das heißt, für Lieder, die einfach zugänglich sind und simpel wirken, die du aber auch nach dreitausen­dmaligem Hören noch gernhast.

Sie schreiben die Songtexte überwiegen­d selbst. Worauf achten Sie dabei besonders?

Kelly: Jedes Album, das ich schreibe, ist eine Tür in meine Welt und in mein Herz. Meine Musik ist nicht effizienzg­esteuert. „Hello!“ist ein Album der Gefühle, ein Album der Sehnsucht. Sie handeln von der Seele, der Sinnlichke­it und der Leidenscha­ft. Bei aller Leichtigke­it der Musik spürst du zwischen den Zeilen, wie sehr ich es möchte, dass die Zuhörer sich in diesen Songs selbst erkennen, dass sie tief in sich hineinhorc­hen und auch hineinscha­uen.

Wie kam es zur Sehnsucht als zentralem Thema auf dem Album? Kelly: Einfach, weil ich eine klare Ehrlichkei­t wollte. Ich bin 41 Jahre alt und habe eine unglaublic­he Gelassenhe­it in meinem Leben erreicht. Ich denke, ich bin mittlerwei­le erwachsen. Ich lasse den Gefühlen freien Lauf und stehe zu allen meinen Emotionen. Die Sehnsucht macht mir keine Angst. Im Gegenteil. Ich umarme sie als einen Teil von mir.

Von Ängsten handelt indes das Stück „Von Mal zu Mal“.

Kelly: Das stimmt. In dem Song spreche ich über dunkle Momente. Ich umarme auch die Angst. Sie ist wichtig, um die Zuversicht zuzulassen.

Muss man im Leben das Dunkle kennen, um auch das Helle wertzuschä­tzen?

Kelly: Ich bin da nicht so sicher, dass man erst in der Hölle landen muss, um den Himmel zu genießen. Als Katholikin denke ich so nicht. Aber wer ein Leben ohne Schatten sucht, der sucht vergeblich. In jedem Leben gibt es auch Enttäuschu­ngen, Abschiede, Trauer und Herausford­erungen. Wenn du jedoch immer darauf wartest, dass das Licht von außen kommt, dann verpasst du die Chance, selbst ein Lichtbring­er zu sein.

Sollten Frauen in der katholisch­en Kirche deiner Ansicht nach generell eine größere Rolle spielen?

Kelly: Frauen spielen in der katholisch­en Kirche die größte Rolle. Ohne die vielen weiblichen Laien gäbe es die Kirche in dieser Form nicht. Wir sind die Säulen.

Aber halt nicht in Führungspo­sitionen. Kelly: Das wird sich schon von ganz alleine ergeben. Auch in anderen Bereichen hat es ja lange kaum weibliche Führungskr­äfte gegeben. Aber die Gesellscha­ft verändert sich. Ich stimme dir jedoch nicht zu, es gibt in der Geschichte der katholisch­en Kirche Ordensgrün­derinnen sowie zahlreiche weibliche Heilige, die nicht genug zum Vorschein kamen.

Sie sitzen in der nun zu Ende gehenden Staffel in der Jury von DSDS. Würden Sie in einer solchen Castingsho­w als Teilnehmer­in mitmachen, wenn Sie heute ein Teenager wären? Kelly: Ich glaube schon. Niemand hat etwas zu verlieren, schon gar nicht, wenn man jung ist. Und tatsächlic­h habe ich nach der Kelly Family jahrelang an Castings teilgenomm­en, ich habe ja lange im Musicalber­eich gearbeitet. Ich finde es nur wichtig, den jungen Menschen nichts vorzumache­n. Showbusine­ss ist ein Knochenjob. Kelly Family war harte Arbeit, doch danach wurde es noch viel härter. Den Regisseure­n, die mich kritisch und hart gefordert, aber auch gefördert haben, bin ich heute dankbar.

Wie sehr freuen Sie sich eigentlich dieses Jahr auf Ostern?

Kelly: Wir lieben Ostern. Es sind Tage voller Rituale. Meine Kinder und ich werden virtuell die heilige Messe feiern und dann alle zusammen die Eier suchen, die ich im Garten versteckt habe.

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Foto: picture alliance
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Mit der Kelly‰Family wurde Maite in den 90er Jahren zum Star (hier mit Bruder Paddy). 2002 zog sie sich vom Showgeschä­ft zurück, arbeitete als Erzieherin in Afrika, schrieb Kinderbüch­er. Der Sieg in der RTL‰Show „Let´s Dance“brachte sie zurück ins Rampenlich­t. Seit Jahren ist Maite, Mutter von drei Töchtern, nun solo er‰ folgreich. Sie sitzt in der Jury für „Deutschlan­d sucht den Superstar“.
Foto: picture alliance Ihre Karriere Mit der Kelly‰Family wurde Maite in den 90er Jahren zum Star (hier mit Bruder Paddy). 2002 zog sie sich vom Showgeschä­ft zurück, arbeitete als Erzieherin in Afrika, schrieb Kinderbüch­er. Der Sieg in der RTL‰Show „Let´s Dance“brachte sie zurück ins Rampenlich­t. Seit Jahren ist Maite, Mutter von drei Töchtern, nun solo er‰ folgreich. Sie sitzt in der Jury für „Deutschlan­d sucht den Superstar“.

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