Mindelheimer Zeitung

Verdammt lang her

Wolfgang Niedecken ist sozusagen der Bob Dylan aus Köln. Der Rockpoet gründete die Band BAP und hat auch als Maler Talent. Jetzt wird er 70

- Josef Karg

Verdamp lang her, dat ich fast alles ähnz nohm./Verdamp lang her, dat ich ahn jet jejläuv/ ... Nit resigniert, nur reichlich desillusio­niert./E bessje jet hann ich kapiert.

Die Zeilen in Kölner Mundart stammen aus Wolfgang Niedeckens bekanntest­em Lied „Verdammt lang her“. 40 Jahre sind sie ungefähr alt. Sie könnten retrospekt­iv aber auch eine Art Lebensresü­mee des Gründers der legendären Kölschrock­band BAP sein. Denn der Musiker und Künstler wird am Dienstag 70 Jahre alt.

Richtig gelesen: 70! Es ist, als wäre die Zeit verflogen. Man hat noch lebhaft die leicht angetrunke­nen jugendlich­en Stimmen in den nach Schweiß und Räucherstä­bchen muffelnden Partykelle­rn der Republik im Ohr. Denn „Verdammt lang her“war einer der wichtigen Songs einer Generation, die für Bob Dylan und Jimi Hendrix zu spät dran war, für Punk zu konstrukti­v und auf der schaumig, leichten neuen Deutschen Welle nicht mitsurfen wollte.

Wolfgang Niedecken war das Leitbild dieser Jugend. Die meisten seiner Texte verstand zwar über Köln hinaus kaum einer auf Anhieb, aber man stellte nach Übersetzun­g fest, dass der Mann auch Tiefgründi­ges zu sagen hatte. Bemerkt sei an dieser Stelle: BAP war immer viel Niedecken und nur ein bisschen Klaus „Major“Heuser, auch wenn der Gitarrist das ungern hört.

Doch wer ist dieser Wolfgang Niedecken eigentlich?

Seine Eltern waren zugezogene Kölner. Er selbst besuchte eine katholisch­e Schule. Er soll dort im Internat missbrauch­t worden sein. Sein Vater war Mitläufer in der NSDAP. Niedecken scheute sich nie, diese privaten Themen in seinen Liedern zu verarbeite­n. Aber er machte es auf eine unaufdring­liche Art. 1976 gründete er nach ersten Erfahrunge­n in Schülerban­ds BAP. Bis heute ist er Sänger, Texter, Komponist und Frontmann der Gruppe und inzwischen auch das einzig verblieben­e Gründungsm­itglied. Darüber hinaus arbeitete Niedecken als Solist. Er nahm vier Soloalben auf, die aber nie die Intensität guter BAP-Alben erreichten. Doch sie trugen dazu bei, dass der Kölner Dialekt weit über die regionalen Grenzen hinaus im deutschspr­achigen Raum bekannt wurde. Niedecken ist zudem für sein großes politische­s und gesellscha­ftliches Engagement bekannt. Er ist, wenn man so will, das, was manche heute zu Unrecht abschätzig als „Gutmensch“bezeichnen. So war er schon Anfang der 90er Jahre einer der Initiatore­n des Kölner Konzerts „Arsch huh, Zäng ussenander“gegen Rassismus und Fremdenhas­s. Dafür erhielt er 1998 das Bundesverd­ienstkreuz. Nicht vergessen darf man auch Niedeckens künstleris­che Seite. Er hat Freie Malerei und Kunstgesch­ichte studiert und hatte Ausstellun­gen im In- und Ausland. Vor zehn Jahren wurde der Unermüdlic­he von seinem Körper ausgebrems­t. Von einem Schlaganfa­ll konnte sich Niedecken aber gut erholen und wollte es dann etwas ruhiger angehen lassen. So richtig gelungen ist ihm das nicht. Noch immer sucht er die Bühne, um seine Botschafte­n unters Volk zu bringen.

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Foto: dpa

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